»Es gibt eine andere Möglichkeit, Majestät. Apollodoros kann Euch sicher nach Spanien bringen...«
»Isis soll sich an das Ende der Welt begeben?«
»Majestät, Euer Gerede von Isis... «
»Halte deine lästerliche Zunge im Zaum, Mardian, denn ich bin immer noch die Göttin von Ägypten. Und fange nicht mehr von dem anderen an, denn Octavian würde mich auch in Spanien verfolgen. Selbst wenn ich bis auf den Grund des Meeres tauchte, würden seine Häscher hinter mir her sein. Entweder werde ich mich mit ihm einigen, oder ich wähle den Tod. So oder so werde ich danach Frieden haben. Endlich Frieden.«
Sie verließ den Raum und sah den Gram nicht, der sich auf Mardians Zügen abzeichnete. Doch es hätte ohnehin nichts an ihrer Entscheidung geändert. Das Schicksal würde entscheiden
- sie hatte keine Wahl.
An den alleredelsten Antonius.
Ich grüße Dich. Es betrübt mich, Dein Gerede vom Tod zu hören. Ich will Deinen Tod nicht, und daß Du solches annimmst, grämt mich sehr, denn die Wurzel unseres Streits hat nur einen Grund, und dieser Grund heißt Kleopatra. Um den Krieg zu beenden, ist nichts weiter vonnöten, als daß Du sie mir auslieferst. Danach können wir über den Frieden zwischen uns reden.
Imperator Gajus Julius Caesar, Divi Filius
Sein Name war Thyrsus. Er war ein Jüngling, ein Freigelassener, den Octavian gesandt hatte. Kleopatra empfing ihn in ihrem Audienzsaal. Sie hielt ihr Zepter und hatte ihr Staatsgewand angelegt, ein purpurfarbenes Kleid mit goldenem Saum und Kragen, zu dem sie goldene Sandalen trug. Auf ihrem Haupt reckte sich der goldene Uräus, und um ihre Arme wanden sich kunstvoll geschmiedete goldene Schlangen.
»Eure Majestät«, sagte der Junge und verneigte sich. »Ich überbringe Euch eine Botschaft Caesars.«
Es klang in Kleopatras Ohren wie eine Gotteslästerung, und sie mußte sich zwingen, ruhig zu bleiben. Nach einem kurzen Moment des Schweigens fragte sie: »Hat er sie Euch aus dem Grab heraus überreicht?«
Der Junge wirkte konfus.
Kleopatra heftete den Blick auf diesen Wurm am Fuße ihres Thrones - auf diesen Freigelassenen, dieses Nichts. »Es hat nur einen Caesar gegeben«, sagte sie. »Er ist der Vater meines Sohnes. Euer Herr ist Gajus Octavian, der weder Caesar noch göttlich ist. Redet also vernünftig, oder ich lasse Euch in die Schlangengrube werfen.«
Der junge Gesandte wurde blaß. Welch eine Kränkung, dachte Kleopatra, mir dieses nichtswürdige Bürschchen zu senden. Wie es scheint, glaubt Octavian bereits die eigenen Lügengeschichten und hält mich für so verworfen, daß er mich mit einem hübschen Knaben verlocken kann.
Doch vielleicht würde sich Antonius für das Wissen des Jungen interessieren - sie würde ihn also noch eine Weile im Palast behalten, bis zum Nachmittag, wenn Antonius aufwachte.
»Wie lautet Eure Botschaft?« erkundigte sie sich.
»Caes... der edle Octavian läßt Euch ausrichten, daß er bei Eurem Schreiben erschrak und daß ihn die Erwähnung Eures Todes bekümmert hat.«
»Bekümmert ihn das Schicksal meines Vermögens nicht sehr viel mehr?«
»Niemals, Majestät. Ich war dabei, als er den Brief öffnete. Er hat um Euch geweint.«
Welch eine Dreistigkeit! Ob der Junge tatsächlich annahm, sie würde solchen Unfug glauben?
»Er hat mir aufgetragen, Euch zu übermitteln, daß, wenn Ihr die Tore der Stadt öffnet und ihm den Kopf des Verräters Marcus Antonius bringt... «
»Wie könnt Ihr es wagen!«
Thyrsus schluckte verzweifelt. Ganz offensichtlich hatte er eine Königin erwartet, die, gedemütigt und eingeschüchtert, bereit wäre, jeden Handel einzugehen.
»Der Imperator hat... hat gesagt, daß...«
»Sagt Eurem Imperator, daß er die Mauern selbst einreißen und ihn sich holen muß, wenn er den wirren Kopf meines betrunkenen Gemahls ersehnt. Er braucht ihn noch nicht einmal für die Rückreise zu konservieren, denn das hat Antonius mit dem Wein schon selbst erledigt. Sollte er sich für dieses Vorgehen entscheiden, erinnert ihn bitte an den Inhalt meines Schreibens und sagt ihm, daß Kleopatra nichts verspricht, was sie nicht hält. Und nun schert Euch fort, und zwar auf der Stelle!«
Die Männer der nubischen Leibwache beförderten den Jungen aus dem Saal. Kleopatra schaute auf ihre Hände, sie hatten sich um die Stützen des Thrones geklammert, die Knöchel waren weiß hervorgetreten. Ich werde Antonius nicht verraten, schwor sie sich, denn von Verrat hat er in seinem Leben genug gehabt. Kleopatra ist keine Verräterin.
12
Thyrsus hatte sich in das Gemach verzogen, das man ihm zum Ausruhen überlassen hatte. Von dort aus schaute man in die üppigen königlichen Gärten mit leuchtenden Blumenbeeten und einem Teich, in dem die Sklaven die Lotusblüten umsorgten. Neben seinem Diwan stand ein kostbarer Ebenholztisch mit einer goldenen Schale voller Früchte.
Das Leben eines Gesandten könnte mir gefallen, dachte er, wenngleich er zugeben mußte, daß ihm die Begegnung mit der Königin zugesetzt hatte. Natürlich hatte er vorher schon erstaunliche Dinge über sie gehört, doch jetzt wußte er, daß sie gestimmt hatten. Sie war gefährlich schön mit ihren lodernden, dunklen Augen und von sichtlich leidenschaftlichem Temperament. Man hatte ihm erzählt, daß sie an langweiligen Nachmittagen ihre Gefangenen quälte und sich nachts einen Mann aus der Leibwache in ihr Bett kommen ließ, den sie am anderen Morgen dem Henker übergab.
Seine Freunde in Rom würden staunen, wenn er ihnen von ihr berichtete und ihnen schwor, er habe alles mit eigenen Augen gesehen.
Er suchte sich eine Feige aus und zog die Haut ab, um das süße, weiche Fruchtfleisch zu genießen. Saftig und reif, dachte er grinsend - ganz wie die ägyptische Königin.
Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als die Tür aufflog und ein Koloß auf ihn zustürzte, wütend wie ein Gladiator und mit einer Pferdepeitsche in der Hand. Seine Faust schloß sich um Thyrsus' Kehle und stemmte ihn in die Luft.
»Du Stück Kameldung«, höhnte die Erscheinung, ließ ihn los und stieß ihn roh zu Boden. Thyrsus rang nach Luft.
Als er sich aufraffen und entkommen wollte, packte ihn der Riese und schleuderte ihn gegen die Wand. Thyrsus hörte, wie die Peitsche durch die Luft schnitt, und kurz danach durchfuhr ihn ein brennender Schmerz.
»Was hat sie zu dir gesagt?« brüllte der Riese, doch Thyrsus war vor Schmerz verstummt. Der andere packte sein Haar und riß ihm den Kopf nach hinten. Er sah, daß eine der nubischen Wachen entsetzt hinter dem Rücken des Riesen auftauchte, aber nicht einzugreifen wagte, wenngleich er ein Schwert besaß.
»Was hat sie zu dir gesagt?« wurde noch einmal gebrüllt.
Thyrsus wollte »wer?« stammeln, doch der Laut, der sich seiner Kehle entrang, klang wie ein rauhes Schluchzen.
Der Riese schüttelte ihn nun so heftig, als sei er ein Hund, der ein Fleischstück aus seinem Opfer zerrt. »Welche Botschaft hat die Königin dir für Octavian mitgegeben?«
»Sie hat gesagt...«, Thyrsus' Stimme klang hoch und schrill wie die eines Mädchens..., »daß, wenn er... Antonius' Kopf... haben wolle... er... er... selbst kommen... müsse... und...«
Sein Peiniger ließ ihn wie einen Sack auf den Boden fallen. Die Peitsche fuhr noch drei weitere Male durch die Luft und landete auf seinem gekrümmten Rücken, bis er in eine Ecke krabbelte und die Arme schützend über dem Kopf verschränkte. Der Riese warf die Peitsche von sich und stürmte aus dem Raum.
Thyrsus rollte sich zusammen und wimmerte vor sich hin.
Liebster Bruder.
Ich sende Dir Deinen Freigelassenen Thyrsus. Er hat eine böse Abreibung bekommen, da mir sein Gesicht nicht gefiel und ich sein Gebaren als Herausforderung betrachtete. Ich verliere zur Zeit leicht die Geduld, was Du im Hinblick auf die Umstände verstehen wirst. Solltest Du jedoch für diese Tat auf Rache sinnen, verweise ich Dich an meinen Freigelassenen Sisyphus, der bei Dir ist - einen auffallend kleinen Mann, der nur noch einen Arm besitzt. Er stand in meinen Diensten, um auf Deine Kosten zotige Witze zu reißen. Verfahre mit ihm ähnlich, und wir werden uns nichts vorzuwerfen haben.