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Er zauderte.

Kleopatra brachte Isis ihre letzten Opfer dar. Sie stellte fest, daß ihre Hände zitterten. Gib mir die Kraft, Große Mutter, betete sie, laß mich Ägypten die Treue bis zum Ende bewahren! Im Tempelhof wurden Hufschläge laut. Ein Bote überbrachte ihr die Nachricht. Antonius' Truppen waren geflohen, die Reiter zu Octavian übergelaufen, im Hafen lag die römische Flotte vertäut.

Ihre Zeit war abgelaufen. »Wir müssen uns beeilen«, drängte Mardian. Kleopatra erhob sich und folgte ihm über die schattigen Pfade des Tempelhains zum Eingang ihres Mausoleums, wo Charmion und Iras bereits auf sie warteten. Drinnen stemmten sie sich gegen die schweren Portale und legten die eisernen Riegel vor.

Warum war es so schwer zu sterben? Antonius betrachtete die purpurfarbenen Seidenwände seines Zeltes, die sich in der Brise blähten. Der Tod stand wie ein zaghafter Gast auf der Schwelle, der nicht wußte, ob er eintreten soll, wenngleich man ihm eifrig Willkommen zuwinkte. Überall ist Blut, dachte Antonius, an meinen Händen, meiner Kleidung, meinem Umhang. Über seine starren Glieder krochen die ersten Kältefinger.

Vor seinen Augen tauchten Bilder auf. Er erkannte Aphrodite, die in den Hafen von Tarsos segelte, ihre Segel bauschten sich im Wind und verschmolzen mit den flatternden Zeltbahnen. Er sah einen häßlichen Jungen mit schlechten Zähnen und hörte, wie Caesar sagte: »Marcus, das ist mein Neffe Octavian.« Danach wurde es kälter. Er war in Parthien und blickte zu den hohen Schneegipfeln der Berge auf.

Er hörte das Schreien eines Pfauenvogels, sah, wie die Sonne hinter die Wolken glitt, und hörte, wie Octavias Stimme sagte: »Ihr werdet sehen, daß der Wert meiner Treue den meiner Schönheit übersteigt, Marcus.«

Treue! Wo fand ein Mann wahre Treue? Andere Gesichter tauchten vor ihm auf. Canidius, Sklaven, Bedienstete. Einer von ihnen murmelte: »Er hat es nicht geschafft!«

»Kleopatra!« Es war seine eigene Stimme, die ihm fremd und seltsam vorkam. Er schmeckte sein Blut. Ja, dachte er, Octavian, du hast nicht gelogen. Deine Vorwürfe waren berechtigt, denn ich habe mich ihrer schuldig gemacht - vor allem die ägyptische Königin konnte ich nicht verlassen.

Die Luft im Raum war getränkt vom Geruch der Gewürze. Das Licht der Fackeln brach sich auf den Barren aus Gold, die Edelsteine funkelten auf der Spitze des Berges - der Scheiterhaufen war bereit. Mardian hörte, daß die Stimmen von Octavians Soldaten näher kamen, Zenturionen, die in derbem Latein Befehle brüllten. Es würde nicht mehr lange dauern, und sie hätten das Mausoleum umstellt.

Kleopatra stand in einer der höher gelegenen Kammern am Fenster. Sie hatte sich für ihre letzte Vorstellung als Pharaonin zurechtgemacht und trug ein enges Goldgewand. Auf ihrem Kopf reckte sich der goldene Uräus in die Höhe, und um ihre Arme ringelten sich die goldenen Schlangen. Wie gefaßt sie ist, dachte Mardian. So ruhig, so still.

Als er zu ihr trat, sah er, daß draußen am Fenster eine Leiter lehnte. »Du mußt jetzt gehen«, sagte sie.

Mardian durchzuckten Gefühle von Hoffnung und Verzagen. »Ich will Euch nicht verlassen!« erwiderte er.

»Charmion und Iras haben den Tod gewählt, und ich erlaube ihnen zu bleiben. Sie sind meine Dienerinnen, und es ist richtig, wenn sie mit mir sterben. Das gilt nicht für dich, Mardian.«

Von draußen wurde gegen das Hauptportal gehämmert. »Mardian, du mußt gehen!« wiederholte Kleopatra. Mardian rührte sich nicht.

Er hörte, wie jemand unter dem Fenster etwas rief, und beugte sich nach draußen. Auf dem Marmorpodest am seitlichen Eingang befand sich ein Karren, daneben erkannte er Canidius und einige von Antonius' Dienern. Auf dem Karren lag eine Gestalt auf einer Trage, die in einen blutbefleckten Umhang gehüllt worden war.

»Ihr müßt uns helfen!« rief Canidius. Kleopatra trat neben Mardian. Danach war es, als würde sie taumeln. »Oh!« stöhnte sie.

Canidius wartete ihre Antwort nicht ab. Er hatte ein Seil um die Trage geschlungen, mit dessen Ende er nun die Leiter hochstieg. Als er vor ihrem Fenster stand, warf er ihnen das Ende zu. »Beeilt euch und zieht!« sagte er.

Gegen den Haupteingang wurde inzwischen mit einem Rammbock gestoßen. Antonius' Diener hoben die Trage an. Canidius stemmte sich in das Seil. »Helft mir doch!« brüllte er Mardian an.

»Was soll das denn noch?« jammerte Mardian. »Er will an der Seite der Königin sterben. Findet Ihr nicht, daß ihm wenigstens das zusteht?«

Kleopatra stieß Mardian zur Seite, griff nach dem Seil und fing an zu ziehen. Götter, dachte Mardian, sie hat in ihrem Leben nie etwas anderes als ihr Zepter gehalten, und nun krallt sie sich an das Seil wie ein Bauernmädchen, das einen Wassereimer aus dem Brunnen zieht. Aufseufzend winkte er Charmion und Iras zu sich, und mit vereinten Kräften - und seinem nicht unbeträchtlichen Gewicht - schafften sie die Last nach oben.

Als die Trage Fensterhöhe erreicht hatte, hielten die Frauen das Seil, während Canidius und Mardian sie behutsam durch die Fensteröffnung lenkten und auf den Boden gleiten ließen. Auf dem Sims entstanden Blutspuren. Antonius gab ein schwaches Stöhnen von sich Kleopatra warf sich über ihn.

Draußen bebte das Portal unter dem Ansturm des Rammbocks.

»Wir müssen nach unten«, drängte Charmion. »Warte noch«, flüsterte Kleopatra.

Also bist du doch eine Frau, dachte Mardian. Du hast ihn geliebt. Es war nicht nur Politik.

Kleopatra starrte abwechselnd auf das Blut an ihren Händen und dann wieder auf Antonius. Sein Gesicht war grau, und seine Augen fingen an, sich zu trüben. Seine Finger zuckten, als wollten sie etwas greifen. »Majestät«, mahnte Mardian.

Sie schaute ihn mit Augen an, in denen ein solcher Kummer lag, daß er den Blick senkte.

»Majestät!« murmelte er. »Gebt nur den Befehl, und wir entzünden den Scheiterhaufen!«

Antonius bäumte sich auf. Kleopatra hielt seine Hand, strich ihm über die Locken und begann zu weinen.

Unter ihnen wurden erregte Stimmen laut. Octavians Soldaten hatten die Leiter gefunden. Canidius sprang vor, um sie umzustoßen, aber er kam zu spät.

In Kleopatras Hand war ein Dolch aufgetaucht, doch als sie ausholte, um ihn sich in die Brust zu bohren, stand bereits einer der römischen Offiziere vor ihr, der ihr den Dolch entwand.

Ihm folgten drei Legionäre, die sich Canidius' bemächtigten. Mardian riß eine Fackel an sich, doch als er sich damit entfernen wollte, wurde er roh zu Boden gestoßen, und ein Legionär setzte ihm sein Schwert an den Hals.

Mardian wandte den Kopf und blickte zu der Königin. Die Soldaten hatten sie wie eine gemeine Gefangene gepackt und ihre Arme auf dem Rücken gefesselt. Antonius' Kopf war nach hinten gefallen, die Augen blicklos wie stumpfes Glas.

Der Tod war über die Schwelle getreten und hatte schließlich doch Einzug gehalten in dieses wilde, aufrührerische - und edle Haus.

3

In Berenice am Ufer des Roten Meeres in Oberägypten

Die Nacht war zu drückend und zu warm, als daß man hätte schlafen können. Durch die Wolken am Himmel schwamm ein runder gelber Mond. Apollodoros stand an Deck seiner Feluke, schaute auf die wenigen Lichter, die am Ufer glommen, und lauschte dem Schwappen der Wellen gegen den Rumpf. Sein Auftrag würde bald erfüllt sein, wenngleich Caesarion es ihm beileibe nicht immer leicht gemacht hatte. Es galt jetzt nur noch, die letzte Nachricht aus Alexandria abzuwarten. Wenn sich die Königin mit Octavian geeinigt hätte, würden sie zurückkehren, wenn nicht, würden sie weiter nach Indien segeln.

Die Holzplanken an Deck knarrten. Apollodoros fuhr herum, doch dann erkannte er, daß es nur Rhodon war, dieses weiche, weibische Wesen.

Er wandte sich wieder um. »Eine schöne Mondnacht«, sagte er zu Rhodon. »Isis hält über uns Wacht.«

Danach durchzuckte ihn ein stechender Schmerz. Es dauerte einen Augenblick, bis er verstand, daß ihn ein Dolch getroffen hatte. Er taumelte und stürzte vornüber. Wie dumm von mir, dachte er, ehe er in den schwarzen Fluten versank, daß ich vergaß, daß selbst weiche, weibische Wesen Zähne haben.