In Alexandria
Kleopatra befand sich nun schon eine Woche lang als Gefangene in ihrem Palast. Als besondere Kränkung hatte Octavian sie im Gästetrakt unterbringen lassen, wo er ihr, Charmion, Iras und Mardian zwei Gemächer überließ. Er hatte Kleopatra eine Kleidertruhe zugestanden und ließ ihnen täglich Brot, Wasser und ein paar Früchte bringen.
Eine Botschaft von Octavian hatte Kleopatra jedoch noch nicht erhalten.
Antonius war in Kleopatras Mausoleum beigesetzt worden, wie er es sich gewünscht hatte. Kleopatra hatte den Trauerzug von ihrem Fenster aus beobachten können. Der goldene Sarg war unter Trommelschlägen auf einem goldenen Wagen aus dem Palast gerollt worden. Nachdem sein Feind tot war, wollte Octavian sich offenbar als großzügig erweisen.
Später sandte Octavian Thyrsus zu Kleopatra, der sich in seiner Rolle aalte und es genoß, daß sie ihm keine Befehle mehr erteilen konnte. Es schien ihm eine besondere Freude zu sein, ihr mitzuteilen, daß man Helios, Selene und Philadelphos in den Katakomben entdeckt und gefangengenommen habe und daß Antyllus ebenfalls gefunden und inzwischen getötet worden sei.
Von Caesarion kein Wort!
Kleopatra hatte seit dem Untergang ihrer Stadt keine Nahrung mehr zu sich genommen. Die meiste Zeit über lag sie stumm auf ihrem Bett. Wenn sich Charmion oder Iras näherten, um sie anzukleiden, zu frisieren und zu schminken, winkte sie sie fort.
Am achten Tag ihrer Gefangenschaft erschien Octavian.
Er sieht immer noch so abstoßend aus wie früher, dachte Kleopatra. Die sonnenverbrannte Haut und die aufgesprungenen Lippen machen ihn nicht schöner, und seine Tunika ist derart unkleidsam, daß ich ihn bestenfalls für einen meiner Gärtner halten könnte. Und dieser Mann beherrscht nun die Welt!
Octavian ließ sich auf einer Ruhebank nieder.
»Ihr seid mager geworden«, sagte er. Und älter, setzte Kleopatra im stillen hinzu.
»Ich habe, wie es scheint, den Appetit verloren.«
»Das habe ich gehört.«
Kleopatra fragte sich, was er nun von ihr erwartete. Wollte er sie betteln sehen, oder gelüstete es ihn auch nach einem Häppchen Ägypten, wie Julius es einmal ausgedrückt hatte. Oder dachte er gar, sie würde auch ihm sich und den ägyptischen Thron anbieten?
»Seid Ihr hier, um Euch an meinem Anblick zu ergötzen?«
»Nein - ich ergötze mich nicht an Eurer Demütigung.«
»Demütigung? Ich halte es lediglich für eine Niederlage.«
»Das ist das gleiche.«
Etwas lag in seinen Augen - ein tückisches Glimmen -, das ihr zur Vorsicht riet. Caesarion! dachte sie. Warum hätte er sonst so lange mit seinem Besuch warten sollen? Er wollte sich erst des letzten Sieges sicher sein. Sie spürte, wie sich ihr Herz verkrampfte. Nein, dachte sie, bitte nicht - nicht auch noch mein Sohn!
»Wie sehen Eure Pläne für mich aus?« fragte sie.
»Ihr kommt mit mir nach Rom. Dort werdet Ihr der Mittelpunkt meines Triumphzuges sein. Die berüchtigte Königin in Ketten! Das wird dem Pöbel gefallen. Ihr seid in Italien sehr unbeliebt.«
»Das habe ich Euch zu verdanken.«
»Nun, Ihr habt mir vortrefflich in die Hände gespielt - oder zumindest doch Antonius.«
»Antonius hatte einen einfachen Verstand, aber er war tapfer und gut. Ihr seid ihm in keiner Weise ähnlich.«
Das hatte ihn offenbar getroffen, denn er funkelte sie wütend an. Vielleicht war es weniger der Inhalt ihrer Bemerkung, der ihn ärgerte, sondern daß sie weiterhin den Mut besaß, ihn zu schmähen.
»Nach dem Triumphzug lasse ich Euch erwürgen«, bemerkte er leise. »Euer Leichnam wird in der Kloake enden.«
Wie konnte ich die Gelegenheit versäumen, den Scheiterhaufen anzuzünden? dachte Kleopatra. Es galt nur noch, die Fackel darauf zu werfen. Warum bin ich schwach geworden und habe um Antonius geweint?
Octavian beugte sich zu ihr vor. »Ihr könnt Euch noch retten.«
Er schien darauf zu warten, daß sie sich nach den näheren Einzelheiten erkundigte, doch diesen Gefallen würde sie ihm nicht tun.
»Ihr habt Eure Gunst sowohl Caesar als auch Antonius erwiesen«, hub er wieder an. »Wenn Ihr sie auch mir erweist, würdet Ihr meine Dankbarkeit kennenlernen.«
Das war es also, was er wollte! Nun, auf seine Formen der Dankbarkeit konnte sie verzichten. »Eher würde ich mich mit einem Warzenschwein paaren«, entgegnete sie, ohne nachzudenken.
Octavian sprang auf. Er war weiß vor Wut. »Diese Worte werdet Ihr bereuen! Vielleicht denkt Ihr an sie, wenn Ihr meinem Wagen durch das Forum folgt!«
Er tut so, als ob ich meine Rettung verspielt hätte, dachte Kleopatra. Dabei hätte er mich nur genommen, um mich danach triumphierend den Henkern zu übergeben.
Octavian machte Anstalten zu gehen, doch zuvor wandte er sich noch einmal um. »Oh, ehe ich es vergesse - Euer Sohn Caesarion... «
Kleopatra richtete sich hastig auf.
»... ist tot.«
Octavian lächelte. »Der Mann, der ihn schützen sollte, ist in Berenice einem Unfall zum Opfer gefallen und ertrunken. Der Lehrer Eures Sohnes hat den Jungen überzeugen können, daß es in seinem Interesse läge, nach Alexandria zurückzukehren. Natürlich hat er ihn belogen, doch dafür hat er eine großzügige Belohnung erhalten. Der Schritt war leider nötig. Ein Caesar reicht - mehrere sind von Übel.«
Rhodon! dachte Kleopatra. Und sie hatte Apollodoros mißtraut! Wie hatte sie nur so blind sein können?
»Seht Ihr«, schloß Octavian, »nun habt Ihr nichts mehr zu verlieren.«
Octavian betrachtete Marcus Plancus mit einer Mischung aus Widerwillen und Spott. Er ist der ewige Kriecher, dachte er, doch er erfüllt seinen Zweck. Ein Gott ist kein Gott, wenn es keine Menschen gibt, die ihn als solchen bezeichnen.
Er streckte sich genüßlich auf einem Diwan aus. Wie er gehört hatte, war es der, den auch Caesar während seines Aufenthalts in Alexandria bevorzugt hatte, und auch Antonius hatte die Annehmlichkeiten dieses Palastes genossen.
Nun, die Stadt hatte durchaus ihren Reiz. Einen hübschen Ausblick hatte man von dieser Stelle. Vor einem lag der Hafen, und dahinter erhob sich der Leuchtturm. Ein erstaunliches Bauwerk. Aus dem Palast würde er ein paar Erinnerungsstücke mitnehmen. Diesen Tisch, zum Beispiel, mit der dicken Lapislazuliplatte, den Gold- und Korallenintarsien und den Beinen aus Basalt, die Sphingen nachgestaltet waren.
Angeblich gehörte er den Ptolemaiern schon seit den Zeiten Alexanders.
»Edler Herr!« hub Plancus an. »Habt Ihr die Königin von der Wertlosigkeit ihres Lebens überzeugen können?«
Octavian richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Plancus. »Ich glaube schon«, erwiderte er. »Wahrscheinlich hat die Nachricht vom Tod ihres Sohnes den Ausschlag gegeben.« Bei Jupiter! dachte er, das Problem hätte sich längst von selbst gelöst, wenn man ihr nicht den Dolch entrissen hätte. Nun gut, jetzt gibt sie wenigstens ein Zierstück in meinem Triumphzug ab.
»Bedenkt, daß der Pöbel gemurrt hat, als Caesar... als Euer Vater... Arsinoe vorführte.«
»Ich weiß«, seufzte Octavian. »Es ist ein wenig unerfreulich.«
Plancus überreichte ihm eine Schriftrolle, und Octavian ließ den Blick darüber gleiten. »Was soll das sein?« erkundigte er sich.
»Meine Empfehlungen für den Senat. Unter anderem werden wir drei Triumphzüge fordern. Einen für Illyrien, einen für Aktium und einen für Ägypten.«
»Und was soll das hier? Wir sollen Antonius' Geburtstag verfluchen?«
»O ja. Außerdem schlage ich ein Gesetz vor, das es verbietet, die Namen Marcus und Antonius zusammen zu führen, und das vorsieht, seinen Namen von jedem Denkmal zu merzen. Als letztes empfehle ich, für Euch, Caesar, einen neuen Namen und Titel einzusetzen.«