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»Da wir Götter auf Erden sind, können wir uns nur mit unseresgleichen vermählen. Das war von jeher Sitte in Ägypten, seit der Zeit der Pharaonen. Wir Ptolemaier haben diese Sitte übernommen, um die Gunst der Priester zu gewinnen. In der Regel wird die Ehe nicht vollzogen.«

Sie wußte, was er dachte. Barbarisch. Er mochte recht haben. Arsinoe und Antiochos waren entstanden, weil ihr Vater mit einer seiner Schwestern herumgetändelt hatte.

»Ich wollte diese Tradition nicht übernehmen«, erzählte sie weiter. »Das war das Problem.«

Er verzog das Gesicht. »Aus Gründen des Anstands?«

»Weil mein Bruder ein Dummkopf ist. Ich bin die einzige, die über genügend Geist und Entschlossenheit verfügt, Ägypten zu regieren. Mein Vater wußte das. Ebenso wie ich.«

Er grinste. »Du bist wie eine Tigerin.«

»Ich weiß, was ich bin.«

Er trank ein Schlückchen Wein, ohne den Blick von ihr zu wenden. Das verwirrte sie. »Erzähle weiter.«

»Am Morgen, nachdem ich Alexandria verlassen hatte, übernahm der Regentschaftsrat die Macht, im Namen meines Bruders.«

»Mit dem Regentschaftsrat meinst du dieses fette Schwein Pothinos, dessen Stimme quietscht wie ein schlecht gezimmerter Karren?«

»Eben jenen.«

»Und danach? Bist du gleich zum Berg Kasios geflohen?«

»Zuerst nicht. Ich habe viele Anhänger in der chora, das sind die Regionen des Mittleren und Oberen Nils, jenseits des Deltas. Die Priester der alten Religion sind dort noch immer sehr einflußreich. Sie sagten mir ihre Hilfe zu. Ich habe ihre Religion respektiert, und sie haben es mir mit Treue vergolten.«

»Nun, mir scheint, daß da mehr als Respekt eine Rolle spielt«, sagte er. »Ich habe gehört, daß du eine ihrer Göttinnen anbetest - Isis.«

»Isis, Aphrodite - sie ist für alle da.«

Er zog die Augenbrauen in die Höhe. »Bitte. Sprich weiter.«

»Ich war mehrere Monate lang in Theben, um eine Armee aufzustellen, bis Pothinos ein prostagma verkündete, einen königlichen Erlaß, wiederum im Namen meines Bruders. Danach war es verboten, Gebiete außerhalb Alexandrias mit Getreide zu versorgen. Zuwiderhandelnden drohte die Todesstrafe. Man wollte mich aushungern. Da ich nicht zulassen konnte, daß die chora meinethalben noch mehr litt, als sie es ohnehin schon tat, beschloß ich, Ägypten zu verlassen.«

Caesar lächelte. »Außerdem hätten sie dich ausliefern können, wenn ihnen der Magen erst einmal ordentlich geknurrt hätte.«

»Es lag mir nicht daran, das in Erfahrung zu bringen.«

»Das war sehr weise von dir.«

»Zu jenem Zeitpunkt verfügte ich über eine kleine Armee, die ich in der chora rekrutiert hatte, auch über Führer und Lastenträger und nicht zuletzt über das Vermögen, das ich bereits Monate vor dem Aufstand als Sicherheit hatte nach Theben schaffen lassen.«

»Ich bin beeindruckt.«

»Mit Hilfe der Abwärtsströmung sind wir nach Norden gesegelt, nahmen den östlichsten Arm des Nils. Danach verließen wir die Barken und zogen entlang des Necho-Kanals auf Kamelen zum Roten Meer. Wir überquerten die Grenze an einer Stelle, die den Namen Schilfsee trägt. Es handelt sich um flaches, unwirtliches Marschland, das den Gezeiten gehorcht. An jenem Ort entkamen die Juden den Ägyptern, mit dem abtrünnigen Moses an der Spitze. Als die Soldaten des Pharaos ihnen folgten, stieg die Hut, und die Marsch wurde ihr Grab.«

»Ich kenne diese Geschichte von Herodes.«

»Ist er ein Freund von dir?«

»Ein Vasall«, korrigierte er sie.

»So oder so, die Geschichte ist wahr. Die Gewässer sind verpestet und tückisch. Man riecht sie schon von weitem. Manch einer der ägyptischen Träger weigerte sich weiterzuziehen. Sie glauben, daß der Gestank der Atem des Seth ist, des Gottes des Bösen.«

»Aber du bist durchgekommen.«

»In Schilfbooten. Unsere Führer haben die Kamele durch eine Furt geleitet. Ich werde die Hitze und den Geruch nie vergessen. Immer wieder habe ich mich gefragt, ob ich wohl jemals diesen Palast wiedersehe.« Sie lächelte. »Als sie den armen Mardian in eines der Boote hievten, wäre es bei seinem Gewicht fast gekentert.«

»Wer ist Mardian?«

»Mein Ratgeber. Als ich Kind war, war er mein tropheus, mein Lehrer.«

Caesar schaute sie amüsiert an. »Und da stecktest du nun inmitten des Sumpfes, ohne Land, ohne Freunde, und nur mit einem Lehrer, der dir zur Seite stand?«

»Wir wurden in Askalon aufgenommen. Die Erinnerung an meinen Vater ist den Menschen dort teuer.«

»Wie hast du deine Armee zusammenbekommen?«

»So wie mein Vater. Ich habe nabatäische Araber als Söldner angeworben, denen ich einen hohen Sold in Aussicht gestellt habe, wenn sie mir wieder zum Thron verhelfen. Die versprochene Summe war zweimal so hoch wie das, was sonst gezahlt wird.«

»Natürlich. Geld ist das teuerste im Leben.«

»Dennoch - Gold allein ist wertlos, es sei denn, man tauscht es gegen Macht.«

Caesars Augenbrauen wanderten erstaunt in die Höhe. Offenbar war er derselben Ansicht. »Hattest du tatsächlich vor zu kämpfen?«

»Ich hatte keine Wahl. Wir sind auf Pelusium marschiert, doch Achillas hat sich uns nicht gestellt, und uns fehlten die Mittel zum Sturm. In dieser Situation habe ich die vergangenen Monate verbracht.«

»Was wäre gewesen, wenn Achillas den Kampf aufgenommen hätte? Was, wenn du verloren hättest?«

»Wenn ich verliere, sterbe ich. Ich kann nicht die Seiten wechseln, wie der gemeine Soldat.«

»In der Tat. Eine amüsante Geschichte.«

Was sie betraf, so konnte sie an der Geschichte beim besten Willen nichts Unterhaltsames finden. Die Monate im Exil hatten ihr dafür zu arg zugesetzt. Allerdings hatte die Erfahrung sie auch gestählt. Sie hatte gelernt, Härten und Widrigkeiten zu trotzen, und dies wiederum hatte ihr Zuversicht geschenkt. Sie war längst nicht mehr das verwöhnte Mädchen, das voller Furcht aus dem Palast geflohen war, und sie hatte begriffen, daß sie nicht so einfach zu besiegen war. Doch sie wußte auch um die Narben, die die Erfahrung hinterlassen hatte, die Schatten, die sie auf den königlichen Glanz geworfen hatten. Sie war nur noch eine Aufständische, bar jeder Macht, besaß nur noch Name und Titel der Geburt.

»Was gibt es noch, das ich über dich wissen sollte?« fragte er.

»Ich beherrsche acht Sprachen, einschließlich des Hebräischen und Aramäischen. Ich kann die Preise in einer syrischen tabernae lesen, einen phönizischen Matrosen fragen, welche Fracht er geladen hat, und einen Judäer in dessen Muttersprache beleidigen. Ich habe die Epen des Homer gelesen, die Geschichtstexte des Herodot und die Tragödien des Euripides. Ich kann auf der siebensaitigen Lyra spielen, habe Rhetorik, Astronomie und Heilkunde im Museion studiert, und mein Lehrer behauptet, daß ich eine große Begabung für die Mathematik und die Geometrie besitze. Außerdem mache ich mich ganz passabel zu Pferde.«

Caesars Lächeln erlosch. »Gibt es auch etwas, das du nicht kannst?«

Kleopatra entschloß sich zur Wahrheit. »Ich kann Ägypten nicht ohne dich regieren.«

Er nickte versonnen. »Das weiß ich bereits. Ich danke dir jedoch für deine Offenheit.«

Die schwarzen Augen sahen sie eindringlich an. Sie mußte an sich halten, um ihm nicht noch mehr zu gestehen. Eine Stimme in ihr flüsterte ihr ein, ihm zu vertrauen - eine wahrhaft gefährliche Ausgangsbasis.

12

Kleopatra versank in der tiefsten Schwärze des Schlafs, bis sie am Morgen von lauten Schreien geweckt wurde. Als sie hochfuhr, sah sie ihren kleinen Bruder an der Tür stehen, der sie mit offenem Mund anstarrte. Neben ihm Pothinos. Caesar lehnte, bereits angekleidet, am Fenster und tunkte zum Frühstück einen Kanten Brot in ein Glas Wein.