Charmion hatte ihr die Haut mit einer Lotion aus Öl und Zyperngras getränkt und zuvor die Paste aus Gurkensaft entfernt. Nun glänzte sie wie Marmor. Anschließend widmete Charmion sich ihrem Haar und flocht es in kleine Zöpfchen, die sie hoch auf dem Kopf zu einem schweren Knoten band.
»Es kursiert ein Gerücht«, begann sie.
Im Palast kursierten viele Gerüchte. Man sagte, daß die Gänge nur deshalb so lang und gerade waren, damit man schneller hindurchsausen konnte, um ein geneigtes Ohr zu finden.
»Woher stammt es?«
»Von Caesars Barbier, Majestät.«
Kleopatra ließ den Spiegel auf den Tisch sinken und zog eine Augenbraue in die Höhe, um ihr Interesse zu bekunden. Der tonsore des Imperators wurde als Caesars geheimes Sprachrohr betrachtet, das all jene Nachrichten verbreitete, die er offiziell nicht verkünden konnte.
»Was besagt das Gerücht?«
»Daß Pothinos Eurem Bruder aufgetragen hat, die Ehe zu vollziehen, so wie in früheren Zeiten.«
»Was?« Die Idee war dermaßen absurd, daß sie nicht wußte, ob sie darüber lachen oder dagegen wüten sollte.
»Damit Ihr, wenn Ihr ein Kind empfangt, nicht behaupten könnt, es sei Caesars.«
»Ptolemaios ist ein Junge! Er glaubt, sein Schwengel sei dazu da, um Wasser zu lassen!« O Götter, ging es ihr durch den Sinn. Wenn man mich hört! Vor wenigen Tagen war ich noch Jungfrau. Jetzt rede ich wie eine Straßenhure aus dem Hafen von Kanopos.
»Pothinos hat Ptolemaios erklärt, daß sein Leben davon abhängt.«
»Ein Eunuch, der einem Kind rät, sich zu der Schwester zu legen? Was müssen die Römer von uns denken?«
Dennoch bestürzte Kleopatra die Neuigkeit. Sie sprang auf und stieß dabei eins von Charmions kleinen Kosmetiknäpfchen zu Boden. Sie war größer und stärker als ihr Bruder. Er würde es nicht wagen!
Doch dann rührte sich in ihr ein neuer Gedanke. Caesars Kind! Wer weiß? Ob das überhaupt sein konnte nach nur einer Nacht? Und wenn nicht, vielleicht konnte sie es dann so einrichten, daß es eine Wiederholung gab. Pothinos hatte allen Grund, sich zu grämen. Ein Kind - ein Sohn Caesars! - würde alles verändern.
Ganz Alexandria nahm an der Hochzeit teil - die Gelehrten, Mathematiker und Mediziner des Museion, die weißgewandeten Priester der Isis und Serapis, die Hauptleute der Hofgarde in den weißen makedonischen Stiefeln und den flachen Hüten, Caesars führende Offiziere in roten Mänteln und Lederfaltenröcken, die Schatzmeister, Höflinge und Schreiber in ihren Purpurroben.
Die Säulen des Zeremoniensaals waren mit Girlanden aus grüner Seide umwunden, und auf dem Marmorboden lag ein dicker Teppich aus Rosenblüten. Es war ein Anblick wundervoller Farbenpracht, der rotgeäderte Wald der marmornen Säulen schwang sich hoch zu den mächtigen Deckenbalken aus Zedernholz, und die goldene Kuppel leuchtete.
Kleopatra betrat den Saal durch die haushohen Portale aus Zedernholz. Trompeten verkündeten ihr Kommen, und auf die Tausenden, die sich im Saal versammelt hatten, senkte sich Schweigen.
Sie war in ein Gewand aus durchsichtiger blauer Seide gehüllt, das sich so weich über sie ergoß, daß einige später sagten, es habe ausgesehen, als ob die Königin Wasser trüge. Mit den Perlen des Roten Meers, die sie an den Händen, am Hals und im Haar schmückten, hätte man einen königlichen Prinzen aus der Gefangenschaft auslösen können. Als sie über den Rosenteppich schritt, zerdrückten ihre geflochtenen Silbersandalen die Blüten und setzten deren schweren, süßen Duft frei.
Kleopatra schaute sich um. Sah den anderen Bruder, Antiochos, sein Gesicht eine Maske aus Unruhe und Furcht, daneben Arsinoe, schön und giftig. Dann Pothinos, der das Haar mit einem Brenneisen gelockt hatte. Die Ohrringe hingen an ihm wie reife Feigen. Und dann Ptolemaios, auf dem Kopf ein goldenes Stirnband im Stile der Pharaonen und das doppelte Diadem Ägyptens, geschmückt mit der heiligen Kobra. Der Kragen seines plissierten Leinenkleides war abgesetzt mit Lapislazuli und Karneol, die Füße steckten in goldenen Sandalen.
Er wirkte durch und durch lächerlich.
Caesar war da, um die ganze Angelegenheit zu leiten, gebieterisch in der toga virilis. Olympos, der Hofarzt, und Caesars Hauptmann, Rufus Cornelius, fungierten als Trauzeugen. Die Zeremonie sollte von Pshereniptah, dem Hohenpriester, durchgeführt werden.
Caesar schaute sie nicht an, gab kein Zeichen des Erkennens von sich. Er nickte nur fast unmerklich mit dem Kopf, um den Auftakt für den Hohenpriester zu signalisieren. Pshereniptah murmelte einige Sätze in Altägyptisch, und dann war es auch schon vorbei.
Anschließend wandte Caesar sich an die Menge und verkündete mit lauter Stimme, daß Königin Kleopatra VII. und König Ptolemaios XIII. ihre Differenzen beigelegt und sich versöhnt hatten, um Ägypten fürderhin vereint zu regieren.
Die Hochzeitsgäste nahmen das zum Anlaß, in Hochrufe auszubrechen, wobei sich jedoch keine aufrichtige Begeisterung einstellte. Auf ein verabredetes Zeichen hin wurden abermals Rosenblüten vor die Königin auf den Boden geworfen.
Kleopatra wandte sich ein wenig zur Seite und starrte auf ihren frischgebackenen Ehemann hinab. Sie führte die Lippen an sein Ohr. »Wenn du es je wagen solltest, mich anzurühren, dann kann sich Pothinos deine zwei Hoden an die Ohren hängen. Hast du mich verstanden?«
Ptolemaios' Gesicht war von Furcht und Haß verzerrt. Ja, er hatte verstanden. Dummer Junge.
Das Bankett war von Caesar höchstselbst bestimmt worden. Er ließ es an nichts fehlen, schließlich handelte es sich ja auch nicht um sein Geld. Man reichte zartrosafarbene Schalentiere, gebratene Zicklein und Wildenten, Seeigel in Minze, Pilze und süße Nesseln, attischen Honig. Der beste Falernerwein strömte aus goldenen Pokalen, reich bestückt mit Koralle und Jaspis. Nach dem Mahl wurden die Gäste von nubischen Tänzern unterhalten, deren dunkle geschmeidige Körper von Öl glänzten, während sie nach wilden Trommelschlägen und nach dem rhythmischen Händeklatschen der Gäste tanzten.
Caesar, einen Kranz aus Kornblumen und Rosen um den Hals, stand auf, hob Kleopatra und Ptolemaios den Pokal entgegen und verkündete, daß endlich wieder Friede herrsche im Land.
Eigentlich ein ganz durchschnittlich aussehender Mann, dachte sie, bis auf die Augen. Als sie zu ihm hinschaute, verspürte sie plötzlich ein unerklärliches Gefühl der Beklemmung. Sie wünschte sich, er würde zu ihr hersehen, ihr ein Zeichen geben, eine schweigende Zusicherung, daß er auf ihrer Seite stand, daß der Entschluß, zu ihm zu kommen, kein schwerwiegender Fehler gewesen war. Kleopatra wurde bewußt, daß sie erstmalig seit dem Tod ihres Vaters ihr Vertrauen in einen anderen Menschen gesetzt hatte.
Er wich ihren Blicken absichtlich aus.
»Als Zeichen des guten Willens gegenüber dem Land und seinen neuen Herrschern«, rief er nun mit lauter Stimme, »übereignet Caesar die Insel Zypern Ägypten und setzt die königliche Prinzessin Arsinoe sowie ihren Bruder, Ptolemaios den Jüngeren, dort als neue Statthalter ein.«
Kleopatra rang nach Luft. Sie sah, daß die Blicke etlicher römischer Hauptleute zu ihm huschten, um ihrer Bestürzung Ausdruck zu verleihen. Zypern war unter der Herrschaft ihres Vaters von Rom annektiert worden. Der Flötenspieler hatte kampflos zugesehen und sich dadurch in Alexandria eine große Anzahl Feinde geschaffen. Es lag nicht in Caesars Macht, die Insel an Ägypten zurückzugeben, zumindest hatte Kleopatra das angenommen, doch offenbar wähnte er sich einflußreich genug, um für ganz Rom zu sprechen. Glaubte er, auf diese Weise Pothinos, Achillas und die anderen Nationalisten beschwichtigen zu können?