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»Euch mangelt es gleichfalls an Appetit?« erkundigte sich Caesar.

»Ich finde, daß es hier nicht gut riecht«, erwiderte sie. Caesar schnupperte in der Luft, so genüßlich, als befände er sich in einem Rosengarten. »Alles, was ich rieche, ist der Geruch des Meeres. Behagt Euch der Salzgeruch etwa nicht? Ich persönlich empfinde ihn erfrischend. In Rom ist das Meer nicht weit von uns entfernt.«

»Ich würde die Mahlzeit lieber mit einem Hund teilen als mit einem Römer.«

Das Lächeln erstarb angesichts dieser tödlichen Beleidigung, und Caesar beendete seine Versuche, sie zu erheitern. »Der Wunsch soll Euch gewährt sein«, entgegnete er. Arsinoe stand auf und rauschte aus dem Raum. Caesar erhob sich und stellte sich hinter den Schemel, auf dem Antiochos gesenkten Kopfes saß, voller Furcht vor harten Stimmen und zornigen Blicken. »Wenn doch nur auch die anderen Mitglieder des Hauses Ptolemaios ein so freundliches Wesen besäßen wie der kleinste von ihnen«, sagte Caesar und zerzauste ihm die Haare.

Kleopatra sah, wie sich Achillas und Pothinos einen verstohlenen Blick zuwarfen. Sie alle wußten, daß Antiochos lediglich verängstigt war und keineswegs sanft. Im ganzen Palastviertel von Brucheion gab es kein freundliches Wesen, hatte es seit Jahrhunderten keines gegeben.

»Was mir beim Essen mit euch allen das größte Vergnügen bereitet«, sagte Caesar, nachdem die anderen fort waren, »ist die wohlgefällige Unterhaltung.« Er schenkte sich noch ein wenig von dem Krätzer nach, den Pothinos als Wein zu bezeichnen beliebte, und trank mit ungerührter Miene.

»In meiner Familie«, antwortete Kleopatra, »galt ein Mahl als angenehm und gesittet, wenn niemand ermordet wurde, bevor die Spielleute kamen.«

»Ich habe zum Glück Mundschenke, die sicherstellen, daß der Wein nicht vergiftet ist.«

»Willst du etwa behaupten, daß er das nicht ist?« entgegnete sie und goß den Inhalt ihres Glases aus dem offenen Fenster.

Er zuckte die Achseln. »Ich bin Soldat. Ich trinke alles. Wenn Pothinos sich einbildet, er könne mich entmutigen, indem er mir Luxus versagt, dann weiß er nichts über Caesar.« Er betrachtete sie nachdenklich. »Der Mann, der Arsinoe begleitet hat - ist das ihr Geliebter?«

»Sie ist die Prinzessin eines königlichen Hauses. Wie sollte sie einen Geliebten haben?«

»Sie schienen mir sehr vertraut.«

»Er ist ihr Lehrer. Schon seit Ptolemaios I. genießen die Töchter der königlichen Familie dieselbe Erziehung wie die Söhne.«

»Bemerkenswert.«

»Glaubst du nicht, daß eine Frau ebensoviel Verstand haben kann wie ein Mann?«

»Ich glaube, daß es sich dabei um eine außergewöhnliche Frau handeln müßte.«

»In dem Fall hätte es in unserer Familie ausschließlich außergewöhnliche Frauen gegeben, denn bislang hatte noch keine ptolemaische Prinzessin Schwierigkeiten, mit ihren Brüdern mitzuhalten. Jede von uns hat einen tropheus, der uns in den Künsten und Wissenschaften unterrichtet. Später, sofern er sich des Vertrauens würdig erwiesen hat, können wir sie zu unseren Ratgebern machen.«

»Und zu Liebhabern?«

»Liebhabern?« Kleopatra lächelte.

»Was ist daran so lustig?«

»Weil es unmöglich ist. Ganymedes ist Eunuch. Genau wie Mardian.«

Caesars Gesichtsausdruck veränderte sich. Er hatte gedacht, sie wäre zu naiv, um darauf zu kommen. In seiner Miene vermischten sich Überraschung und Ekel.

»Wie es scheint, gibt es im Osten vieles, das Rom nicht versteht.«

»Warum machst du so ein seltsames Gesicht?« fragte Kleopatra aufrichtig verwundert.

»Ihr mit euren Tiergötzen und Eunuchen und der Besessenheit, was den Tod betrifft. Mir kommt die Galle hoch angesichts dieser Praktiken.«

»Es ergibt doch Sinn, wenn du...«

»Eine Frau, die Männer regiert, denen man die Männlichkeit abgeschnitten hat! Das ist... barbarisch!« Caesar knallte den Pokal auf den Tisch und stürmte aus dem Raum.

16

Winterstürme peitschten die Insel Pharos. Selbst das Wasser im Hafen schäumte weiß, und der Himmel hatte die Farbe von Blei angenommen. Durch die Straßen entlang der Werften fegte der Regen und versprühte eine salzige Gischt. Immer noch schlängelten sich Karawanen aus Punt und Arabissos durch das Sonnentor, doch die Handelsschiffe lagen fest vertäut im Hafen der Glücklichen Wiederkehr, und Alexandria würde bis zum Frühling vom Mittelmeer abgeschnitten sein.

Die ägyptische Armee - wie Achillas seinen Haufen Piraten, Freibeuter, Gesetzlose und entlaufene Sklaven zu nennen pflegte - lagerte vor der Stadt. Es waren ihrer zwanzigtausend, unterstützt von zweitausend einheimischen Reitern.

Caesar schien nicht weiter beunruhigt. Schließlich, so teilte er Kleopatra mit, verfüge er über dreitausend erfahrene Legionäre, eine Reiterei, bestehend aus achthundert Kelten, sowie fünfzig Dreiruderer am Fuße des Lochias-Palastes - und vier königliche Geiseln.

Es war das erste Mal, daß er zugab, daß sie kein Gast mehr war.

Der Pöbel hatte dreifache Barrikaden aus Steinblöcken errichtet, so daß weder die Kanopische Straße noch die Straße des Soma passierbar waren. Caesar hatte seinerseits Kräfte im Palast zusammengezogen und sein Hauptquartier in die Bankettsäle verlegt, wo auf den kostbaren Elfenbein- und Rosenholztischen Karten ausgerollt wurden. Die Alabasterböden bebten vom stampfenden Stiefelschritt der Zenturionen, Hauptleute stürmten bei Tag wie bei Nacht hinein oder hinaus, übermittelten Berichte oder wohnten hastig einberufenen Konferenzen bei.

Caesar schien die ganze Angelegenheit als Spiel zu betrachten.

Der Wind heulte und warf sich gegen die Wände des Palasts. Der Schein des großen Leuchtfeuers von Pharos drang als einsames Licht durch die Öde der Winternacht. Kleopatra hatte damit gerechnet, daß Caesar sie mit derselben Gewalt nähme, die ihm so häufig zu eigen war, doch in dieser Nacht war er behutsam und ließ sich Zeit, als wolle er zum wilden Tosen des Sturms einen Kontrapunkt setzen.

Oftmals war es ihr, als verließe sie ihren Körper und schaue ihrem Liebesspiel aus der Ferne zu, hoch oben schwebend unter der Decke des Schlafgemachs. Sie sah die verschlungenen Gliedmaßen auf dem Leopardenfell. Die Konturen im tanzenden Schimmer des Lampenlichts, das im Zugwind von Fenstern und Türen flackerte. Sie sah seine nackten Schultern und den Rücken, der von alten Narben übersät war, sah, wie er sich über ihr aufrichtete wie ein Löwe über der Beute. Ihre Knöchel fest über den Stamm seiner Wirbelsäule gekreuzt, wölbte sie sich ihm entgegen. Langsam begann er, sich zu bewegen, mit weich moduliertem Rhythmus darauf wartend, daß sie ihm folgte.

Diese Nacht war jedoch anders als die vorausgegangenen. Plötzlich war sie keine entfernte Beobachterin mehr, sondern spürte erstmalig den erregenden Kitzel des eigenen Körpers, eine nie dagewesene Wärme, die ihr aus Waden und Schenkeln in die Bauchhöhle kroch. Sie schloß die Augen, war ganz nah bei ihm, Teil des Schattenballetts, während sich die Hitze in ihrem Körper ausbreitete wie ungezähmtes Feuer. Zögernd überließ sie sich der unbekannten Sehnsucht, die Hände auf der Decke ballten sich zu Fäusten. Ihr Rücken bäumte sich auf, die Muskeln in den Schenkeln spannten sich, während sich ihrer ein Drängen bemächtigte, das Körper und Geist zu wilden Zuckungen zwang.

Dann war es, als würde die Dunkelheit aufblitzen in einer Explosion des Lichts, rasch wie das Streifen des Todes, danach ein Loslassen und bedingungsloses Sichaufgeben an das, was war. Zuletzt durchlebte sie ein so tiefes und atemloses Gefühl der Freude und Erleichterung, wie sie es noch nie empfunden hatte. Als er zum Ende gekommen war, klammerte sie an ihm wie Treibgut im schäumenden Meer, mit hämmerndem Herzen und einem weit aufgerissenen Mund, der um Atem rang. Ganz zum Schluß schien ihr Körper zu glühen wie die Holzkohle in der Metallpfanne, die in der Ecke des Raumes stand. Als sie die Augen zumachte, gab es keine Dunkelheit, sondern nur die tausend Farben schimmernder Seide. Dann schlief sie ein.