Выбрать главу

Mit jähem Entsetzen wurde ihr klar, daß ihr Leben, wenn Caesar nun stürbe, noch immer gefährdet war. Sie brauchte Caesars Soldaten und seinen Einfluß als Schutz, nicht nur vor Achillas, sondern auch vor Rom.

Caesar lag auf dem Rücken, der Atem entwich rasselnd aus seiner Brust. Kleopatra rannte zur Tür und schrie die erschrockenen Wachen an, einen Arzt zu holen.

Dann lief sie zurück, nahm seinen Kopf in die Arme und wiegte ihn hin und her. Bitte, stirb nicht. Ich habe alles auf dich gesetzt. Du darfst nicht sterben!

Decimus Brutus kam in den Raum gestürmt und kauerte sich neben sie. »Was ist passiert?«

»Er ist einfach zusammengebrochen«, antwortete sie. »Sein Körper hat sich versteift und dann angefangen zu zittern. Er hustet Blut.«

Decimus nickte. Es schien, als atme er auf. »Das ist nur die Fallkrankheit«, beruhigte er sie. »Schaut. Er hat sich in die Zunge gebissen. Helft mir, ihn zum Bett zu tragen. Das hier geht vorüber.«

Decimus schickte die Wachen aus dem Raum, die mit aufgerissenen Mündern dagestanden hatten.

Dann sah er Kleopatra eindringlich an. »Die Fallkrankheit trifft nur die, in denen die Götter wohnen. Es ist das Zeichen des Erhabenen.«

»Er wurde nicht vergiftet?«

Decimus schüttelte den Kopf. »Er wird sich wieder erholen. Wenn er aufwacht, murmelt er Dinge, die niemand versteht. Dann sprechen die Götter aus ihm. Nach einer Weile verlassen sie ihn wieder, und er ist derselbe wie zuvor.«

Es geschah genau so, wie Decimus vorausgesagt hatte. Wenig später schlug Caesar die Augen auf, murmelte etwas Zusammenhangloses und erkannte Kleopatra nicht, als sie ihn in die Arme nehmen wollte. Decimus sprach mit sanfter Stimme zu ihm, und schließlich schlief Caesar ein.

Als er am folgenden Morgen aufwachte, erhob er sich wie gewöhnlich, ging zum Vorderraum und befahl den Sklaven, ihm Wein und Brot herbeizuschaffen, so als wäre nichts geschehen.

Sie stand in der Tür zum Schlafgemach und beobachtete ihn. »In der vergangenen Nacht ist dir etwas zugestoßen«, sagte sie.

Sein Blick wurde wachsam. »Bin ich gefallen?«

»Ich dachte, man hätte dich vergiftet.«

Er schaute weg. »Nun weißt du also um Caesars Geheimnis.« Er verzehrte sein karges Frühstück und ließ anschließend den tonsore und die Kammerherren rufen.

»Decimus sagt, es bedeutet, daß du ein Gott bist.« Caesar lächelte. »Zum Glück glaube ich nicht an solche Ammenmärchen«, erwiderte er, doch er sagte es so leichthin, als sei es nur ein Lippenbekenntnis. »Du wirst mit niemandem darüber reden, hast du verstanden?«

Sie hatte verstanden. Doch ihr kam erstmalig der Gedanke, daß Caesar womöglich doch mehr war als nur ein einfacher römischer Konsul und Imperator. Vielleicht war auch er ein Gott und keineswegs ein Barbar. Vielleicht hatte Isis ihren Osiris gefunden, ihren Stier und Gefährten.

19

Die Straßen Alexandrias lagen noch im Dunkeln, als Kleopatra erwachte. Sie hörte den Lärm, erhob sich vom Lager und ging zum Fenster. Die Römer strömten aus den Palasttoren, die dröhnenden Stiefel hallten auf den Pflastersteinen, dazwischen das Geklirr von Rüstungen und Waffen. Sie trugen Fackeln. Ihr Zug glich einer sich windenden Schlange aus Flammen und Rauch.

Sie hörte die rauhen Laute Kämpfender, die vom Hafenbecken zu ihr drangen. Die Soldaten hatten die Barrikaden durchbrochen und hielten auf die Dämme zu.

Caesar trat neben sie. »Komm wieder ins Bett«, raunte er ihr ins Ohr. »Das ist nur Geplänkel. In einer Stunde ist alles vorbei.«

Ein rosiger Schein, so als würde der Morgen bereits dämmern, stieg über dem Westhafen auf, gefolgt von einem gelbroten Funkenregen und einer schwarzen Rauchwolke, die vor dem blauvioletten Himmel verharrte. Brennende Schiffsrümpfe trieben auf die Docks zu. Caesars römische Galeeren standen in Rammen. Kleopatra sah, wie eine von ihnen Kurs auf die ägyptischen Kriegsschiffe nahm und das Feuer auf sie übertrug.

»Was geht da vor sich?« wisperte sie.

»Achillas hat versucht, meine Schiffe zu entern, und ich besitze nicht genug Männer, um sie zu verteidigen. Daher habe ich befohlen, daß sechzig Galeeren in Brand gesetzt und auf Achillas' Flotte zugesteuert werden. Zudem schleudern meine Soldaten von den Werften aus brennende Fackeln an Bord seiner Schiffe. Damit sollte das Problem gelöst sein. Wenn du zur Landzunge hinüberschaust, siehst du, daß meine Männer die übrigen Galeeren besteigen, um zum Pharos zu gelangen. Sie besetzen den Leuchtturm. Von dort aus kontrollieren wir die Hafenpassage. Achillas ist außer Gefecht gesetzt. Das ganze Vorgehen diente nicht nur dem Zweck, den Gegner zu schwächen, sondern täuschte auch über unsere eigentliche Absicht hinweg.«

In den engen Kaimauern war es für die Flammen ein leichtes, sich auszubreiten. Das Feuer hatte die Flotte im Nu erfaßt. Im grauen Morgenlicht sah Kleopatra, wie sich Männer von einem Vierruderer ins Wasser stürzten, während die Flammen hungrig über die pechbestrichenen Decks züngelten. Auch auf eines der Lagerhäuser waren die Flammen übergesprungen.

»Der Krieg ist von großer Schönheit«, sagte er leise. »Er übt sowohl Körper wie auch Verstand. Man überlistet den Feind und bezwingt ihn. Fast ist er eine Kunst. Aber jetzt komm wieder ins Bett.«

Dann nahm er sie, mit der rauhen Gewalt und der Gier des Soldaten. Über seine Schulter hinweg sah Kleopatra, wie der Widerschein des Feuers die zedernen Deckenbalken rosarot färbte. Er tut meiner Stadt Gewalt an, ebenso wie mir, dachte sie. Und dennoch kann mein Herz ihn nicht hassen.

20

Die Öllampen waren angezündet worden, und Caesar arbeitete still an seinem Schreibtisch. Er schrieb seine Kommentare über den gallischen Krieg nieder, in dem er seinen Gegenspieler, Vercingetorix, besiegt hatte. Kleopatra sah ihm zu, hörte, wie der Stylus über die Papyrusrollen kratzte, und merkte, daß sie rastlos wurde. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie der Langeweile ausgesetzt.

Als sie nach dem Tod ihres Vaters die Regentschaft übernahm, hatte sie die Stunden des Tages mit ihren Ministern und Ratgebern verbracht oder endlosen Zusammenkünften mit den strategoi beigewohnt, um die Verwaltungsgeschäfte zu regeln. Sogar im Exil waren die Tage Regierungsangelegenheiten gewidmet gewesen, Mardians Spitzel mußten befragt, Strategien geplant, Gelder aufgebracht und Söldner für die Armee angeworben werden.

Nun war sie zwar abermals Königin von Ägypten, doch die Grenzen des Landes reichten nicht weiter als die des Palastes, und die Regierungsgeschäfte nahm Caesar wahr. Sie war nur dem Namen nach Königin - in Wirklichkeit war sie eine Gefangene Roms. Sie hatte nichts zu tun, außer Caesars Vergnügen zu dienen, und wenngleich ihr diese Pflicht weniger lästig war als gedacht, so entsprach doch weder das Nichtstun noch die Rolle der Sklavin ihrer Natur.

Achillas' Versuch, den Hafen zu übernehmen, war an Caesars Finte gescheitert. Jener hatte sich inzwischen mit dem Rest seiner Flotte in den Westhafen zurückgezogen. Die Römer hielten den Leuchtturm besetzt und kontrollierten den Zugang zum Königlichen Hafen. Die Position schien gesichert. Nur ein frontaler Angriff konnte sie jetzt noch vertreiben.

Zur Vergeltung hatte Achillas versucht, ihnen die Wasserzufuhr abzuschneiden. Das Trinkwasser stammte aus unterirdischen Kanälen, die sie mit dem Wasser des Nils versorgten. Achillas hatte es geschafft, diese Leitungen zu unterbrechen und hatte statt dessen Meerwasser in die Brunnen gepumpt. Einige Tage lang hatten Caesars Soldaten ausschließlich von Wein gelebt.

»Für die Kelten unter ihnen ist das kein Problem«, hatte Caesar lachend gesagt. Doch des Nachts hatte er einen Trupp Soldaten ausgesandt, die am Strand frische Brunnen gruben, und am folgenden Morgen hatten sie eine neue Wasserquelle entdeckt.

Auf diese Weise ging es immer weiter, Zug um Zug, ein reiner Nervenkrieg. Caesar war es zufrieden, abzuwarten und zu planen. Er schien die ganze Angelegenheit für ein Spiel zu halten.