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23

Kleopatra konnte die Schlacht vom Dach des Palastes aus verfolgen. Trotz des Mantels zitterte sie in der Kälte des Morgens, dessen Dämmerung noch nicht angebrochen war. Sie legte sich einen zweiten Mantel um die Schultern, wollte nicht, daß jemand sah, wie sehr sie zitterte und es womöglich als Angst auslegte.

»Ich habe zu Isis gebetet, damit sie Caesar beschützt«, ließ sich eine Stimme vernehmen.

Sie fuhr herum. Es war Ptolemaios' hohe Stimme. Kleopatra hatte sie sofort erkannt, wenngleich sein Gesicht im Dunkeln lag. Ihr war der weinerliche Ton zu eigen, der sie jedesmal störte.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit erneut dem Geschehen zu, das sich am anderen Ende des Hafens abspielte.

Der Plan hatte sich so einfach angehört, als Caesar ihn vortrug. Die Siebenunddreißigste Legion war mit einer Kriegsflotte eingetroffen, und Caesar hatte verkündet, daß er dem »Geplänkel«, wie er es nannte, nun ein Ende setzen wolle. Seine Schiffe würden die Ägypter im Westhafen attackieren und die Durchlässe des Heptastadions blockieren, so daß es kein Entkommen gab. In der Zwischenzeit würden Verstärkungseinheiten der Siebenunddreißigsten am Westzipfel der Insel Pharos landen und sich den Truppen anschließen, die den Leuchtturm besetzt hielten. Mit vereinten Kräften wollte man sich dann von der Insel zum Heptastadion vorkämpfen und die Kontrolle des Hafens übernehmen.

Von ihrem Platz aus konnte Kleopatra auf der Insel lediglich die roten Mäntel der römischen Legionäre ausmachen, und gelegentlich führte ein Windstoß das Geräusch klirrender Waffen und Rüstungen an ihr Ohr. Weit hinten im Hafen waren Caesars Galeeren und Achillas' Kriegsschiffe aneinandergeraten, doch sie lagen zu weit entfernt, und der Morgen war noch zu trübe, als daß sie Genaueres hätte erkennen können.

»Du hast alles auf den Römer gesetzt«, sagte Ptolemaios.

Sie ertrug es nicht, ihn anzuschauen, sondern hielt die Augen auf die Wellenbrecher gerichtet und die Insel jenseits des Leuchtturms, suchte nach dem Aufblitzen des Purpurs, dem Generalsmantel, den Caesar so sehr liebte, wenngleich er durch ihn zur Zielscheibe wurde. Es wurde heller, und sie konnte feststellen, daß die Römer im Begriff waren zu siegen, ganz wie Caesar es vorausgesagt hatte. Die Schlachtlinien waren weiter zum Damm hin vorgerückt.

Wenn Alexander sich plötzlich aus dem prächtigen Kristallsarg erhöbe und jetzt neben mir stünde auf dieser kalten, umtosten Terrasse! Was würde er dann von der Tochter halten, die sich gegen das eigene Volk auf die Seite des Feindes gestellt hat? Würde der Meisterstratege das Zweckdienliche begreifen und wissen, daß sie nur katzbuckelte, bis es Zeit war, die Krallen zu zeigen?

»Ich bin Caesars Verbündeter, genau wie du«, greinte Ptolemaios.

»Laß mich allein«, fuhr sie ihn an, doch er blieb. Wie würde die Göttin des Glücks entscheiden? Was hielt sie bereit für sie an diesem kalten, blaßblauen Morgen?

Die Römer mit ihren scharlachroten Mänteln und eisernen Helmen hoben sich deutlich ab gegen die zerlumpte Armee Achillas' in zusammengewürfelten Uniformen. Kleopatra stand seit Stunden auf der Dachterrasse. Die Sonne war fast im Zenit, und doch dauerten die Kämpfe noch an. Die Römer hatten sich bis zur Mitte des Heptastadions vorgekämpft und befanden sich ihr beinahe direkt gegenüber. In der Ferne stieg Rauch aus brennenden römischen und ägyptischen Schiffen auf, die im Hafen der Glücklichen Wiederkehr aufeinanderprallten.

Und da war er, im Zentrum des Gewühls - Julius höchstselbst, im purpurroten Mantel. Mit einemmal wurde ihr Gaumen trocken, sie konnte kaum atmen. Sie war überwältigt vor Freude, ihn lebend zu sehen, und elend vor Furcht, er könne fallen. Wenn er stürbe, stürbe auch sie.

Doch dann sah es so aus, als habe sich Caesar doch noch verrechnet. Sie spürte, wie ihr die eiskalte Angst über den Rücken kroch. Die Gestalten oben auf dem Damm, das waren ägyptische Soldaten, die ihm den Rückzug abschnitten. Einer ihrer Dreiruderer hatte sich aus dem Schlachtgewühl befreit und sich durch die brennenden Schiffsrümpfe gekämpft, um Truppen am Fuße der Insel abzusetzen. Der große Feldherr war von anderen überlistet worden.

Er war von seinen Truppen getrennt und von beiden Seiten umzingelt. Der Kapitän auf einer der römischen Liburnen erkannte die Gefahr und steuerte sein Schiff zum Damm, um ihn und die mit ihm Kämpfenden zu retten. Sie sah, wie Legionäre kopflos auf das Deck der kleinen Galeere sprangen, die bedrohlich auf den Wellen schwankte.

Doch sie sah auch, wie vergeblich es war. Dieses Mal hatte die römische Disziplin versagt - die Ägypter stürmten die Liburne.

Die Galeere begann zu kentern.

Vor ihren Augen geschah das Undenkbare. Die glorreichen, unbezwingbaren Römer! Gedemütigt von ihrer alten Armee, dem schäbigen Söldnerheer, das sie vor Zeiten vor Achillas und dem versammelten Hof der Lächerlichkeit preisgegeben hatte.

Sie wandte sich um. Ptolemaios hatte sie beobachtet. Auf seinen Zügen lag ein hämisches Grinsen. »Ich habe dich immer gehaßt«, stieß er hervor.

»Und ich dich immer verachtet. Glaube nicht, daß ich auf die Knie falle und um Gnade winsele, wenn Caesar stirbt.«

»Man sagt, daß unsere Schwester die Kontrolle über ihren Darm verloren hat, als sie hingerichtet wurde. Unser Vater ließ sie erwürgen. Das hättest du nicht gedacht, nicht wahr? Er hat dir erzählt, es sei die Kobra gewesen und somit ein gnädiger Tod. Aber Pothinos hat mir berichtet, was wirklich geschah. Er sagte, der Gestank sei bestialisch gewesen. Ich weiß nicht, welchen Tod ich für dich vorsehen werde.«

Purpur blitzte auf, als Caesar von der Liburne sprang und mit mächtigen Zügen zu schwimmen anfing. Das ihm am nächsten liegende römische Schiff war etwa sechshundert Fuß entfernt. Überall tauchten nun Köpfe aus den Wellen auf, und sie verlor ihn aus den Augen. Die Ägypter sammelten sich um die gekenterte Liburne und schleuderten Speere ins Wasser. Sie konnte unmöglich erkennen, ob Caesar tot oder lebendig war.

»Am liebsten wäre mir wohl der Würgetod für dich«, sagte Ptolemaios. »Der Gestank wird mir so lieblich sein wie der Duft der Rosen.«

Kleopatra schenkte ihm keinerlei Beachtung. Es durfte nicht sein, daß das Schicksal sie während der letzten schrecklichen Jahre verschont hatte, nur um sie jetzt im Stich zu lassen. Er mußte am Leben bleiben.

Er mußte es einfach.

24

Sein Gesicht war grau, und die Schultern waren vor Erschöpfung nach vorn gesackt. Er wirkte um Jahre gealtert. Das dünngesäte Haar klebte ihm am Schädel, die Tunika war zerrissen und naß. Vom Arm bis über das Handgelenk und die Finger zog sich eine Blutbahn, die ein Hieb mit dem Schwert hinterlassen hatte. Es schien ihn jedoch nicht zu kümmern.

Caesar stand in seinem Hauptquartier, dem vormaligen Bankettsaal. Der Zeremonientisch ihres Vaters war um des besseren Lichtes willen ans Fenster gerückt worden. Er war einer seiner kostbarsten Besitztümer gewesen, mit einer Platte aus einem Stück Holz, das aus dem Atlasgebirge Mauretaniens stammte, und mit Beinen aus den Stoßzähnen von Elefanten. Die Karten lagen so achtlos darübergeworfen, als handele es sich bei dem Tisch um eine rohgezimmerte Holzbank. Auf den schimmernden Alabasterböden hatten schmutzige Schlammstiefel Abdrücke hinterlassen.

Caesar war umgeben vom engsten Kreis der Befehlshaber. Sie studierten die Grundrisse des Palastes und des Hafens und entwickelten neue Pläne. Sie hatten die Insel erobert und Achillas' Flotte außer Gefecht gesetzt, doch sie hatten auch vierhundert Legionäre verloren - eine unfaßbare Niederlage.

»Imperator«, verkündete Ptolemaios, als sie eintraten. »Wir sind erleichtert, Euch unversehrt zu sehen.«

Caesar wandte sich um. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Das glaube ich, mein Junge.«

»Ihr riskiert zuviel für unser Wohl.«