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»Die Vorbereitungen sind getroffen«, beschied Caesar dem Jungen. »Ihr brecht zur Mittagszeit auf.«

Ptolemaios rührte sich nicht von der Stelle.

»Meint Ihr nicht, Ihr solltet Euch beeilen?«

»Mir gefällt es hier ganz gut«, erwiderte Ptolemaios, den die Furcht kühn gemacht hatte.

»Ich habe Euch erklärt, daß Eure Vorlieben ohne Bedeutung sind.« Die Stimme wurde eisern. »Tut Eure Pflicht. Ein König verdrückt sich nicht im Palast, wenn es um Staatsfragen geht. Nun fort mit Euch!«

Kleopatra befürchtete bereits, daß Ptolemaios anfangen würde zu weinen. Er schien im Begriff, noch etwas zu sagen, doch Caesar entließ ihn mit einem ungeduldigen Wedeln der Hand. Ptolemaios warf ihr noch einmal einen Blick zu, so als könne sie ihn retten, doch dann hastete er aus dem Raum.

Offenbar hatte Caesar die ganze Zeit über von ihrer Anwesenheit gewußt, denn nachdem Ptolemaios verschwunden war, drehte er sich zu ihr um und lächelte. »Guten Morgen, Kätzchen.«

Ich werde ihm nicht den Gefallen tun, zu wimmern oder zu wüten, dachte sie. Ich werde gelassen sein, sogar angesichts dieses Verrats. »Hat der Imperator wohl geruht?« erkundigte sie sich. »Unberührt von den Eingebungen des Gewissens?«

»Das hat er in der Tat.«

»Du weißt, daß mein Bruder nicht zurückkommt?«

»Natürlich.«

Sie studierte sein Gesicht, suchte nach Anhaltspunkten. Es war offensichtlich, daß er ihr keine weiteren Erklärungen liefern wollte. Sie sollte selbst dahinterkommen.

Er lächelte immer noch, so als hielte er sich für über die Maßen gescheit. Was er ja wohl auch war. Sie überdachte noch einmal, was sie gerade gesehen und gehört hatte. Vielleicht hatte sie doch vorschnell geurteilt.

Nach einer Weile dämmerte es ihr. »Du hast ihn in den Tod geschickt«, sagte sie.

Caesar neigte nur leicht den Kopf, als empfinge er in aller Bescheidenheit den Beifall des Senats.

Gut. Sie hatte die Gerissenheit dieses Römers gründlich unterschätzt. Er spielte ein doppeltes Spiel. Wenn Arsinoe Ptolemaios ermorden ließ, dann müßte sie, Kleopatra, sich den Thron nicht länger mit dem lästigen Bruder teilen. Sie würde allein regieren, als Caesars Vasallin. Wenn Arsinoe ihn jedoch nicht ermorden wollte oder konnte, würde Ptolemaios zweifellos die Gelegenheit beim Schöpf ergreifen und sich an die Spitze von Achillas' Lumpenarmee schwingen. In dem Fall würde ihn Caesar als Aufrührer töten lassen.

Des weiteren hatte er Ptolemaios weisgemacht, daß er Ägypten verlassen wolle und sich damit im Nachteil befand -eine Schwäche, die Ptolemaios umgehend auszunutzen versuchen würde. Dabei ging es in Wirklichkeit nur darum, daß Caesar ihn zum Angriff ermuntern wollte, um ihn auch guten Gewissens töten zu können.

»Du willst die Oberherrschaft über Ägypten, mußt jedoch in der Lage sein, dich vor dem römischen Senat zu rechtfertigen«, erkannte sie.

»Dein Lehrer hat recht gehabt, wenn er dir einen scharfen Verstand bescheinigt hat. Ich werde Sorge tragen müssen, daß du mich nicht übertriffst.«

»Da wartet immer noch eine Armee, die es zu besiegen gilt.«

Das Lächeln erstarb. Ohne jeden Zweifel würde sein gekränkter Stolz auf baldige Rache drängen. »Es wird kein zweites Heptastadion geben.« Das Lächeln flackerte so schnell wieder auf, wie es erloschen war. »Was ist mit dir? Wirst du etwa die trauernde Witwe spielen und dein Geschmeide auf den Scheiterhaufen werfen, wenn dein Bruder tot ist?«

»Er ist doch noch ein Junge«, hörte sie sich sagen.

»Der, wenn man es ihm und der Natur überläßt, eines Tages heranwächst und ein Mann wird. Wenn er mehr Verstand hätte, hätte er gewußt, daß er sterben muß.«

Sie schloß die Augen. Ob ich je so grausam sein kann? Etwas in ihrem Wesen rebellierte gegen diese brutale, unvermeidliche, endgültige Tat. »Ich wünschte, es wäre schon vorbei«, sagte sie.

»Es ist nie vorbei, Kätzchen«, entgegnete er, die Stimme mit einemmal düster. »Wenn du danach trachtest, die Welt zu regieren, ist es nie, nie vorbei.«

25

Die Kerzen flackerten in den feinziselierten Haltern. Die Wandbehänge aus kostbarem Purpur mit breitem goldenem Brokatsaum bauschten sich. Draußen in der Dunkelheit brandete das Meer, während der Wind stöhnte und heulend um die Mauern des Palasts fuhr.

Caesar tippte mit dem Finger auf die Karte, die auf dem Tisch vor ihm ausgebreitet lag. »Mithridates' Armee hat Pelusium eingenommen und marschiert auf das Delta zu. Deine Schwester und ihr niedlicher kleiner General haben ihre Streitkräfte zusammengezogen, um sich ihm entgegenzustellen.«

»Wartest du hier auf seinen Sieg?«

Caesar schnaubte verächtlich. Als ob er warten würde, bis ihm ein ausländischer Satrap, halb Grieche, halb Gallier, die Arbeit erledigte! »Sobald das Wetter es zuläßt, nehme ich die Siebenunddreißigste, segle nach Osten und treffe mich mit Mithridates jenseits des Nils, in der Gegend des Schilfmeers.

Deine Schwester und ihr verweichlichter Bube werden dort eine Lektion erteilt bekommen.«

So also geht die Geschichte aus, dachte Kleopatra. Wieder einmal mit römischen Soldaten, die nach Alexandria ziehen. Schon ihr Vater hatte für den Thron gezahlt und ihn mit römischen Truppen gesichert. Nun war sie gezwungen, das gleiche zu tun. Und wenn Caesar wollte, konnte er Ägypten in eine römische Provinz verwandeln, wie zuvor schon Griechenland, Syrien und Judäa.

Was Wunder, daß ihr Vater den größten Teil seines Lebens in den Dienst Bacchus' gestellt hatte. Vielleicht war er von sich enttäuscht gewesen oder hatte eingesehen, daß man in der Welt der Römer kein König sein konnte, und hatte sich nach dem Jenseits gesehnt.

Julius Caesar war jetzt alles in einer Person; Retter, Liebhaber, Feind - und Vater ihres Kindes.

Er warf sich auf die Ruhebank aus dem Holz des Zitronenbaums. Ein blonder germanischer Sklave hastete zu ihm und brachte ihm eine Fußbank. Sie stellte fest, daß der harte Veteran Hunderter von Schlachten sich allmählich an die kleinen Annehmlichkeiten des Brucheion zu gewöhnen schien.

»Was gibt es denn Neues aus dem Lager Arsinoes?« erkundigte sie sich. Sie haßte die Hilflosigkeit, mit der sie auf ihn angewiesen war, wenn sie Nachrichten aus der Außenwelt erfahren wollte. Sie saß hier gefangen, ohne Berater, ohne Boten und ohne Macht, gegen die Feinde vorzugehen oder die Anhänger zu unterstützen. Alles, was sie im Augenblick tun konnte, war zu warten und zu hoffen, daß Caesar siegte.

Wenn ich das hier überlebe und den Thron von Ägypten wiedererlange, schwor sie sich, werde ich nie mehr einem Mann gestatten, über mein Schicksal zu entscheiden. Und erst recht keinem Römer.

Sein kühler Blick richtete sich auf sie. »Es wird dich freuen zu hören, daß der Sohn Ägyptens in Sicherheit ist. Meine Spione berichten, daß deiner Schwester treue Truppen ihn in einer Sänfte durch ihre Reihen getragen haben. Er hat seinen geliebten Freund Caesar als Barbaren gebrandmarkt und dich, die eigene Schwester, als Hure und Verräterin. Du wirkst verwundert?«

»Ich dachte, Arsinoe ließe ihn töten, so wie Achillas. Offenbar ist sie doch nicht so mordlüstern, wie ich annahm.«

»Ist es nicht schön, wenn einen die Familie auch einmal angenehm überrascht?«

»Wahrscheinlich wissen sie, daß sie nicht siegen können.«

»Oder sie sind bereit, für ihre Prinzipien zu sterben.«

»Willst du damit sagen, daß ich keine Prinzipien besitze?«

»Ich will damit sagen, daß ich sie nicht für nützlich halte. Die Frage der Prinzipien hat mich nie beschäftigt. Frag meine Freunde, deren Frauen oder meine Geldverleiher. Sie werden es dir bestätigen.«

Was meinte er damit? Hielt er sie lediglich für eine Opportunistin und Abenteurerin? Oder wollte er sie loben, weil er in ihr dieselbe Rücksichtslosigkeit erkannt hatte, die auch ihm zu eigen war? »Du vertust dich, wenn du glaubst, daß ich Ägypten nicht liebe«, sagte sie.