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»Ägypten ist nur eine Wüste, durch die ein Fluß fließt. Liebe dich selbst. Dein Äußeres ist sehr viel einladender.«

Sie stellte fest, daß ihr sein zynischer Witz nicht behagte, und begab sich nach draußen auf die Terrasse, wo sie seinen Bärenfellmantel enger um die Schultern zog. Die Nordstürme wirbelten um die Wellenbrecher und peitschten das Wasser schäumend in die Luft. Eine riesige Brandungswelle warf sich gegen den Felsen am Fuße des Turms von Pharos und schleuderte die Gischt bis zu den Marmorsäulen des Sockels. Winterzeit, und sie war eingekreist von allen Seiten.

Wenn sich das Wetter nicht rasch besserte, würde Caesar der Sieg womöglich doch noch vorenthalten bleiben.

Er war ihr gefolgt und trat hinter sie. »Dir geht doch etwas durch den Kopf, oder irre ich mich?« fragte er.

»Ich muß dir etwas sagen.«

Er wartete.

»Ich bekomme ein Kind. Dein Kind.«

Seine Augenbrauen wanderten nach oben. War das die einzige Reaktion, die die Nachricht in ihm auslöste? Kleopatra wartete auf mehr.

Er legte den Finger auf den Mund, als sei er tief in Gedanken versunken. Sie wünschte sich, von ihm umarmt zu werden, so wie es jeder normale Mann tat, wenn seine Frau ihm solch eine Neuigkeit überbrachte. Aber das war nicht seine Art. Wenn er sie berührte, bedeutete das immer, daß er sie zu nehmen gedachte.

Sie versuchte sich vorzustellen, was ihm jetzt durch den Sinn ging. Er hatte nur einen Erben, oder vielmehr eine Erbin - Julia, seine Tochter. Natürlich mochte es jede Menge Bälger geben, die, wie Mardian es einst formuliert hatte, in den Palästen des Mittelmeers zurückgelassen worden waren wie Tote nach der Schlacht. Bei ihr wäre das jedoch etwas anderes. Wenn sie, die Königin von Ägypten, Caesars Sohn bekäme, könnte man diesen Nachkommen nicht so einfach übersehen und als Begleiterscheinung des Krieges abtun. Ihr Sohn wäre eines Tages Thronerbe Ägyptens und - vielleicht - sogar der Erbe Roms.

»Ein Geschenk der Götter«, murmelte er schließlich.

»In der Tat«, entgegnete sie. »Ein Geschenk der Götter für die Götter.«

Er blieb neben ihr stehen, nur mit der Tunika bekleidet, obwohl es angefangen hatte zu regnen und die Tropfen wie Steinhagel niederprasselten. Es kümmerte ihn nicht. »Hältst du mich für einen Gott?« fragte er.

»Ich weiß, daß ich eine Göttin bin.«

»Du hast mir etwas zum Nachdenken gegeben, Kätzchen.«

»Willst du mich nicht in die Arme nehmen?« fragte sie leise.

Er zögerte. Einen Augenblick lang glaubte sie, daß er nachgeben würde. Doch dann sagte er: »Dein Zustand ist zu heikel.« Er wandte sich ab und ging wieder hinein.

26

DER ÄGYPTISCHE MONAT DES PHAMENOTH IM JAHRE 47 VOR CHRISTI GEBURT

Über das gleißende Weiß der Palastdächer hinweg konnte Kleopatra sehen, wie das Volk zu den Toren strömte. Drei Jahrhunderte nach Alexander hatte die Stadt nun wieder einen neuen Eroberer. Entlang der Kanopischen Straße knieten dieselben Menschen, die sich während der langen Wintermonate mit Steinen und Beleidigungen gegen sie gewandt hatten, ehrerbietig unter den großen Säulen, während Caesar, an der Spitze seiner Legionen, in die Stadt einritt. Ihn begrüßte das Schweigen der Besiegten, nur hier und da hörte man vereinzeltes Stöhnen, vermischt mit dem rauhen Schritt römischer Stiefel.

Die Ältesten der Stadt empfingen ihn am Sonnentor; barfüßig, in den blauen Leinenkleidern der Trauer, streuten sie sich Asche auf das Haupt, zum Zeichen der Reue. Sie sangen das Klagelied derer, die besiegt worden waren. »Sohn Armins, erbarme dich unser! Dir sind wir ergeben, vor dir beugen wir Haupt und Schultern, Erhabener Sieger!«

Wie schön, die Griechen einmal um Gnade flehen zu sehen, dachte Kleopatra. Selbst die Höflinge, die Mitglieder der Familie, die Höchsten Freunde und die anderen Abtrünnigen hatten sich in den Staub geworfen. Die fetten Kaufleute, deren Hände übersät waren mit Jaspis und Smaragden, lagen auf den Knien, neben Ägyptern, Syrern, Phöniziern, neben Bettlern, Balsamierern, Bäckern, Goldschmieden, Glasbläsern und Seeleuten. Lediglich die Juden mußten sich nicht verneigen. In deren Viertel war es während des Krieges ruhig geblieben, und sie hatten für die Römer Nahrung in den Palast geschmuggelt. Caesar hatte ihnen zum Lohn den freien Zugang zur Stadt gewährt.

Caesar hatte, wie immer, Glück gehabt. Tyche, die Göttin des Glücks, mußte seinem Zauber erlegen sein wie schon so viele Frauen vor ihr. Das Wetter hatte sich gebessert, Sonne und Wolken fügten sich dem Willen dieses neuen Gottes und ermöglichten es ihm, mit seiner Flotte den Hafen zu verlassen, so, wie er es geplant hatte. Allerdings war er nicht Mithridates entgegengesegelt, wie er Kleopatra gegenüber behauptet hatte. Er wußte, daß Arsinoes Spione seinen Aufbruch belauerten, und hatte sich deshalb nach Osten gewandt, als zöge er nach Pelusium. Im Schutz der Dunkelheit hatte er die Flotte jedoch wieder gewendet und war statt dessen mit den Legionen im Westen gelandet. In Eilmärschen erreichten sie anschließend den Süden und umzingelten Arsinoes Armee. Aufgerieben zwischen dem Aufgebot Mithridates' und Caesars Legionen, hatten ihre Soldaten die Flucht durch die Papyrussümpfe gesucht, wo sie erbarmungslos niedergemetzelt und den Krokodilen als Festmahl zurückgelassen wurden, Ptolemaios' Barke kenterte, und er ertrank, nicht zuletzt aufgrund des Gewichts seiner goldenen Rüstung.

Caesar erreichte den Palast im Licht der Abenddämmerung.

Kleopatra erwartete ihn im Hof hinter der Säulenhalle, umgeben von ihrer neuen Leibgarde: römischen Legionären, von Caesar eigens zu diesem Zweck bestimmt, in typischer Lederrüstung, mit kurzen Stechdegen in der Gürtelscheide, Helmen und roten Tüchern, die sie um den Hals trugen.

Als einziges Geräusch vernahm man das Knistern der Fackeln und das leise Plätschern der Brunnen.

Caesar ritt an der Spitze seiner Leibgarde auf einem weißen Hengst. Er trug die Zeremonienrüstung, den goldenen Brustpanzer, auf dem die Siege eingraviert waren, den Purpurmantel des Imperators und auf dem Haupt den Lorbeerkranz. Er schaute auf sie hinunter und lächelte. Sie lächelte zurück und war überrascht angesichts der Freude, die sie empfand, ihn wiederzusehen.

Soldaten mit Speeren und großen rechteckigen Schilden marschierten neben einem Karren, der von zwei Ochsen gezogen wurde. Die metallenen Radränder knirschten über die Steine.

Ptolemaios lag mit unbedecktem Körper auf der Ladefläche, so daß ganz Alexandria hatte erkennen können, daß er tot war und sich kein Prätendent aus dem Nilsumpf erhob, um seinen Platz einzuklagen. Bleich und aufgedunsen wie ein Fisch lag er da, die Lider gesenkt, als habe man ihn im Schlaf überrascht. Das Gesicht war schlammverkrustet, und seinem Körper entstieg ein fauliger Geruch. Er würde sich nicht mehr lange halten.

»Er ist als Mann gestorben«, bemerkte Caesar.

Kleopatra sah auf. Er stand neben ihr, das Gesicht zur Hälfte im Schatten. Wie kann ein Mensch als Mann sterben, fragte sie sich. Tot ist tot.

»Am Ende hat er die Rüstung angelegt und versucht, tapfer zu kämpfen«, sagte Caesar.

Er hat die Rüstung angelegt, weil sie aus Gold war, dachte sie bitter, und weil er sie nicht verlieren wollte. Aber sie schwieg.

In diesem Hof hatte sie mit ihm als Kind mit Würfeln gespielt. Schon damals hatte er versucht zu betrügen. Sie wollte ihn betrauern, stellte jedoch fest, daß es ihr nicht gelang. Sie waren Ptolemaier und dadurch als Feinde geboren, nicht als Geschwister. Sie hatte ihn im Leben verachtet, das gleiche galt für ihn im Tod.

Arsinoe jedoch lebte.

Sie wurde von zwei Legionären in den Großen Thronsaal geschleppt, kratzend und fauchend wie eine Katze. Caesar hatte den Hof einbestellt, um dem Schauspiel beizuwohnen: Die Griechen in den feinen Gewändern, die kahlrasierten Priester, die Sekretäre, Berater und Schatzmeister, alle waren sie zusammengetrieben worden wie eine Ziegenherde, um die letzte Demütigung der Ptolemaier zu bezeugen. Kleopatra saß an der Seite Caesars.