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Arsinoe spuckte und wand sich, ihre Schreie gellten durch den großen Marmorsaal. Sie war barfüßig, die Handgelenke vor ihr in Ketten, das Gesicht bedeckt mit getrocknetem Schlamm. Die Schwester, die Kleopatra aufgrund ihrer Schönheit gehaßt und gefürchtet hatte, starrte vor Schmutz wie ein altes Weib, das auf dem Markt Fische feilbot.

Ihre Kleider waren zerrissen und stanken. Selbst die nubischen Wachen rümpften die Nase. Unter den Schönlingen des Hofes gab es etliche, die sich das Gesicht mit den Händen bedeckten.

Ganymedes war bei ihr. Auch er war kaum wiederzuerkennen, die hübsche Larve entstellt von einer rissigen Schicht fauligen Morasts.

Caesar wandte sich an Kleopatra. »Deine Schwester!« sagte er.

Sie empfand nichts. Das ist nicht meine Familie, dachte sie. Meine Familie ist Ägypten.

Ganymedes lag auf den Knien. Auf seiner Stirn klaffte eine häßliche Wunde mit schwarz geronnenem Blut. Er hielt den Blick gesenkt. Arsinoe allerdings war aus anderem Holz geschnitzt.

»Hure!« schrie sie. Aus ihrem Mundwinkel troff Speichel. »Du hast Ägypten an deinen Römer verraten!«

»Wie du siehst, hast du ihr sehr gefehlt«, ließ Caesar sich vernehmen.

Kleopatra stellte fest, daß er sich an dem Schauspiel weidete. Gut, schließlich war es seine Stunde des Triumphes. Ihr bedeutete der Anblick ihrer Schwester so wenig wie der ihres toten Bruders. Sie war Königin, und das konnte ihr niemand mehr nehmen. Caesar hatte sich für sie eingesetzt.

»Du widerliche Hure!« kreischte die verdreckte Kreatur zu ihren Füßen.

Sollte ich je an diesen Punkt kommen, dachte Kleopatra, werde ich mich nicht derart gehenlassen. Was sollte es auch bewirken? Du hast dein Spiel gemacht, Schwester, und du hast verloren. Ich dachte, du würdest deine Niederlage würdevoller ertragen.

»Schafft sie fort«, befahl Caesar den Wachen, und Arsinoe wurde, schreiend und Verwünschungen ausstoßend, aus dem Saal gezerrt. Ganymedes folgte ihr so artig wie ein Lamm.

27

Mardian betrachtete Kleopatra wie ein Lehrer seine Schülerin, die endlich die Fähigkeiten an den Tag legte, die er schon früher immer vermutet hatte. Er näherte sich dem Thron, ließ sich nieder und führte die Stirn zum Boden. Einer der Sklaven war ihm beim Aufstehen behilflich.

Sein chiton war schmutzig, und er hatte an Gewicht verloren. Kleopatra fragte sich, welche Entbehrungen er wohl hatte auf sich nehmen müssen, seit sie sich das letzte Mal am Berg Kasios gesehen hatten.

Sie waren allein im privaten Audienzsaal der Gemächer, die sie mit Caesar teilte. Ihr armer tropheus wirkte in der Tat ein wenig heruntergekommen und fehl am Platz inmitten der funkelnden Pracht seiner Umgebung.

»Majestät«, murmelte er.

»Welche Freude, dich wiederzusehen, mein lieber fetter Kapaun!«

»Und ich bin überglücklich zu sehen, daß Eure Majestät...«

»Den Kopf noch auf den Schultern hat?«

»Sich bester Gesundheit erfreut.«

»Dein Schwager hat mir gute Dienste geleistet.«

»Es gab so viele Gerüchte! Wie oft hat man behauptet, Ihr wäret tot.«

»Nun, ich habe überlebt und stehe in der Gunst Roms. Wie es aussieht, war Isis unseren Taten gewogen.«

»Ich hätte nie gedacht, daß ich diesen Tag noch einmal erleben würde.« Er hielt inne und musterte sie von oben bis unten.

Ich weiß, was meine alte Glucke denkt, ging es ihr durch den Kopf. »Sprich es aus, Mardian.«

»Es wäre anmaßend.«

»Maße es dir an.«

Ein tiefer Atemzug, und dann sagte er ein wenig undeutlich: »Man sagt, daß Caesar Euch liebt.«

»Caesar liebt jede Frau, mit der er im gleichen Raum ist. Ich glaube jedoch, daß ich ihn eher mit meinem Verstand beeindruckt habe als mit jenen Körperteilen, die man für ein paar Münzen in Kanapos kaufen kann.« Er errötete angesichts des derben Hinweises, was sie wiederum belustigte. »Du hast also die Härte des Wüstenlebens überstanden.«

»Mit knapper Not. Die Nabatäer desertierten nur wenige Tage nach Eurem Aufbruch. Danach lösten sich allmählich die Freikorps auf. Als Achillas sah, daß wir immer weniger wurden, kam er schließlich aus der Festung. Wir mußten fliehen, tiefer in die Wüste. Ich fürchtete, dort zu sterben.«

Armer Mardian. Früher hatte er sich bereits in Nöten gewähnt, wenn sein bestes Duftwasser aufgebraucht war.

»Aber jetzt bist du hier«, sagte sie. »Wir können uns an die Arbeit machen. Laß die Sänften holen. Wir müssen uns die Stadt ansehen, um festzustellen, was nach all diesen Kämpfen zu tun ist.«

Das Ausmaß der Zerstörung war erschütternd. Caesar hatte zwar geäußert, daß der Krieg Schönheit besäße, doch wie ihr schien, konnte man das, ähnlich wie bei einem Feuer, nur aus der Ferne behaupten. Aus der Nähe betrachtet hatte der Krieg beileibe nichts Großartiges an sich.

Ihr wundervolles Alexandria lag in Trümmern. Die Fronten der großen Gebäude entlang der Kanopischen Straße waren heruntergerissen und hatten zum Barrikadenbau gedient. Der Pöbel hatte das Museion, ja selbst den Neptuntempel verwüstet. Die hohen Säulengänge des Gymnasions mit den vergoldeten Deckengittern aus Zedernholz waren verschwunden, auch sie waren als Barrikaden benutzt worden.

Im Brucheionviertel waren die ursprünglich weißen Alabastermauern der Palastgebäude geschwärzt vom Rauch, die Ställe, Bäder und Zisternen waren zerfallen.

Kleopatra spürte, wie ein Gefühl unendlicher Trauer sie erfaßte. Sicher, das Zerstörte konnte wieder aufgebaut werden, aber ersetzt werden konnte es nicht. Die mächtigen Holzsäulen, die die Arkaden des Gymnasions geschmückt hatten, stammten aus den Zedernwäldern des Libanons und des Atlasgebirges in Mauretanien, wo es keine Bäume dieses Ausmaßes mehr gab. Nun waren sie einfach in Rauch aufgegangen und verschwunden.

Diese Römer! Wo immer sie hingingen, ließen sie Ruinen zurück, so, als besäße die Welt einen unerschöpflichen Reichtum an Schönheit, den man nach Herzenslust plündern könnte.

Zum ersten Mal seit seiner Ankunft im Herbst des vergangenen Jahres hatte Caesar Zeit, die Stadt zu besichtigen, die er erobert hatte. Sein vordringlichster Wunsch war, daß Kleopatra ihn zu Alexanders Grabmal unter der schimmernden weißen Marmorkuppel führte.

Ihr hatte dieser Ort nie behagt - der lange Abstieg über die Steinstufen, der vom Widerhall der Schritte begleitet war, bis tief in die Gruft, wo der Geruch von Schimmel und Verfall die süßlichen Schwaden des Weihrauchs bekämpfte. Der mumifizierte Leichnam des Unbesiegbaren lag unter einem kuppelförmigen Kristallbau, das Licht der Öllampen spiegelte sich in der goldenen Rüstung. Um den Sarkophag türmten sich die Opfergaben: Wein von den Reichen, Brot von den Armen; Blumenberge, einige schon getrocknet, andere in frischer Blüte. Der große König selbst glich einer Statue. Die Arme lagen über der Brust gekreuzt, das goldene Haar war wie Flachs fächerförmig um sein Haupt ausgebreitet. Dem Gesicht hatte man mit Schminke ein natürliches Aussehen verliehen, doch darunter war die Haut wie Pergament. Einer der Nasenflügel fehlte, versehentlich abgestoßen, wie man behauptete, von einem ihrer Vorfahren.

Caesar schien es den Atem zu nehmen. Er hatte erst wenige Schritte in die Gruft getan, als er tief Luft holte und auf die Knie sank. Eine Weile sagte er nichts.

Schließlich murmelte er: »Er war weit jünger als ich, als er starb, und doch hatte er die halbe Welt erobert.«

»Du bist mächtiger als er«, flüsterte sie.

»Wie kann ich mächtiger sein? Im Vergleich zu ihm habe ich nichts erreicht.«