Aus Höflichkeit Caesar gegenüber hatte sie das Schlafgemach, das sie teilen würden, mit einem Fries übermalen lassen, auf dem Szenen aus Homers Ilias dargestellt waren. Darüber hinaus war der Raum mit jeder erdenklichen Kostbarkeit ausgestattet: goldgerahmten Spiegeln, Bänken, bestückt mit Koralle und Karneol, ein Zederntisch mit Elfenbeinintarsien, ein mit Gold überzogenes Bett aus Ebenholz, Decken aus purpurner Seide.
Sie begannen die Reise am See Mareotis, wo es so aussah, als sei die gesamte Bevölkerung Alexandrias erschienen, um sie zu verabschieden. Das ist jetzt die wahre Krönung, dachte sie. Von nun an ist jedem klar, daß ich die Königin Ägyptens bin und mein Beschützer der mächtigste Mann der Welt ist. Ptolemaios ist tot, und Arsinoe liegt in Ketten. Es gibt niemanden mehr, der mir den Thron streitig macht. Wenn noch Gefahr lauert, dann nur mehr aus Rom.
Die Segel blähten sich mit dem launischen Flußwind, während die königliche Barke durch das feuchte Herz des Deltas glitt, an Wasserrädern und Rebengärten vorbei, sumpfigen Ufern und Schilfgestrüpp, grünen Gersten- und Bohnenfeldern, flach gedeckten Lehmdörfern, die unter Dattelpalmen in der Sonne schmorten. Die Rücken der Nubier beugten sich über die Ruder und glänzten, die silbernen Blätter blitzten in der Sonne. Hinter ihnen ein Geleitzug aus vierhundert Liburnen, auf ihnen zwei von Caesars Legionen -die größte Flotte, die der Nil je gesehen hatte.
Die Menschen strömten aus den Hütten, standen knietief im rötlichen Schwarz des Schlamms und bestaunten etwas, das sie noch nie zuvor erblickt hatten. Das Vorbeiziehen der Götter Isis und Amun, die nebeneinander auf goldenen Bänken unter Seidenbaldachinen ruhten, aufgewartet von einer Dienerschaft, die die Stirnbänder und gefältelten Röcke früherer Zeiten trug, schöne junge Männer mit juwelenbesetzten Fächern.
Sie ließen das endlose Grün des Deltas hinter sich. Das Tal verengte sich auf beiden Seiten des Flusses, jenseits von ihm erstreckte sich die dürre Wildnis der Wüste, die teils bis zum Ufer reichte, manchmal jedoch nur in der Ferne zu sehen war. Sie rasteten in der Nähe von Memphis und sahen zu, wie die Sonne hinter der Mastaba Djosers und dem blauroten Rand der Wüste versank. Caesar ließ den Blick über die große Stufenpyramide gleiten, die sich gegen den dunkler werdenden Himmel abhob, und fragte sie, wer jene Denkmäler gebaut habe. Die Pyramiden, antwortete Kleopatra, seien so alt wie Ägypten, so alt wie die Zeit. Wie Wüste und Berge.
Als sie weiter südwärts gelangten, sahen sie gewaltige Felskuppeln, die sich aus dem Sand erhoben, weiß wie Asche in der Mittagsglut, violett im Licht der untergehenden Sonne. Sie erreichten die uralte Stadt Theben, die Stadt der Hundert Tore. Am Westufer lagen wie mächtige Elefantenrücken die steinernen Hügel, aus denen die Pharaonen ihre Grabstätten hatten errichten lassen. Während die Barke vorbeizog, beäugte sie ein Flußpferd aus dem Wasser, lediglich Ohren und Nüstern ragten hervor. Und immer wieder zwischen Dattelpalmen die Eingangstore und Säulen früherer Tempel. Über die staubigen Saumpfade wanderten Frauen, mit Wasserkrügen auf dem Kopf. Auf den Sandbänken lagen schlafende Krokodile, die platschend ins Wasser glitten, sobald sie ihrer gewahr wurden.
Bei der Abfahrt aus Alexandria waren die Tage noch kühl gewesen, so daß man nachts im Palast Becken mit glühendem Sandelholz hatte aufstellen müssen, um die Räume zu erwärmen. Doch je weiter sie flußaufwärts kamen, desto heißer wurde es. Der Himmel zeigte sich tagsüber in einem stechenden Blau, die Nächte waren erfüllt von Fliegenschwärmen. Caesar wirkte gelöst, und seine Umarmungen wurden hingebungsvoller und sanfter. Es gab Augenblicke, in denen sie glaubte, er könne sie fast ein wenig liebgewonnen haben.
Philae, das Inselheiligtum der Isis, wiederhergestellt und aufgebaut von ihrem Vater. Es war Abend, als sie dort ankamen: die Sandsteinobelisken standen zwischen schlanken Palmen, die sich im Abendrot golden färbten.
Die königliche Barke schob sich durch wiegendes Schilf an Land. Im Tempel und entlang der Prozessionsstraßen waren Fackeln entzündet, in deren Licht sich das Wasser kräuselte. Mit der Abendbrise drangen Weihrauchschwaden aus Kampfer zu ihnen.
Kleopatra hatte den Tag in ihrem Gemach zugebracht, um sich auf diesen Augenblick vorzubereiten. Nun trug sie eine Robe aus feinster Gaze, durchwirkt mit Gold, zwischen den Brüsten prangte der mystische Knoten, an Oberarm und Fuß gewundene Goldschlangen, die Hoheitszeichen der Isis.
Die Anlegestelle und die Straße, die zum Vortor des Tempels führte, war von Menschen gesäumt, Fellachen neben Nubiern und Arabern, sogar etliche Griechen waren zu sehen. Kahlrasierte Priester, in den weißen Gewändern der Göttin, waren aus dem Tempel getreten, um sie mit Weihrauchgefäßen in den Händen zu empfangen. Als Kleopatra die königliche Barke verließ, fielen sie auf die Knie und berührten die Erde mit der Stirn. Die Menge tat es ihnen nach.
Kleopatra bestieg eine Sänfte und wurde zum Eingang des Tempels getragen, eingehüllt von den Gesängen der Priester und dem Gerassel unzähliger Sistren.
Die Relieffiguren auf dem goldenen Sandstein traten scharf im Feuerschein der Fackeln hervor. Kleopatra schaute zu ihnen empor: In strahlenden Farben war da ihr Vater abgebildet, der den Feind erschlug. Mit der einen Hand hatte er einen Haarschopf gepackt, mit der anderen eine Keule. Nur die Hieroglyphen wiesen ihn als Ptolemaios XII. aus, denn er trug das goldene Stirnband und den langen gelockten Bart der Pharaonen. Sie bezweifelte auch, daß er in seinem Leben je einen Feind getötet hatte; doch es wäre wohl nicht angegangen, ihn inmitten seiner dionysischen Gelage abzubilden, wie er sich gerade bewußtlos trank.
Sie verließ die Sänfte und stieg die Stufen zum Eingang empor, der zum großen Altar führte und von zwei wuchtigen Obelisken gesäumt wurde. Der weite Vorhof war eingerahmt von Säulenreihen mit dunklen Arkaden, die als Trennung zwischen heiligem und weltlichem Bezirk dienten. Zu ihrer Linken befand sich das Haus der Geburt, im Fackellicht erkannte man in leuchtendem Blau und Ocker Horus, wie er als Sohn von Isis und Osiris geboren wurde.
Kleopatra schritt weiter zu dem dahinterliegenden Eingang, der ebenfalls mit Reliefs geschmückt war, die ihren Vater zeigten, wie er der Göttin Opfer brachte. Flache Stufen führten hinauf zur Halle der Schöpfung.
Säulen über Säulen, gewaltige Pfeiler mit Kapitellen in Lotusgestalt, die sich im Dunkel verloren. Sie waren als Abbild der Schöpfungsgeschichte entworfen. Die Götter in kräftigen Grün- und Goldtönen, Hathor mit dem Kuhkopf, der widderköpfige Amun und Horus als Falke.
Sie ließen die Gebetshalle hinter sich. Danach war nur noch den Priestern und Kleopatras Gefolgschaft das Weitergehen gestattet. Die Räume wurden enger und dunkler, bis sie, am entlegensten und höchsten Teil des Tempels, das Heiligtum der Göttin erreichten.
Kein Lichtstrahl von außen drang vor zu dem Altar. Isis schimmerte golden und sanft im Kerzenlicht; Isis, die Gütige, die Große Mutter, im Kopfschmuck der Pharaonen, in der Linken den Krug mit dem geweihten Wasser des Nils, heiter, schön, barmherzig. Sie war nackt bis zur Taille, der Umhang zwischen den Brüsten war zum mystischen Knoten geschnürt, das Geier-Amulett der chora lag um ihren Hals, um den rechten Arm wand sich die Schlange.
Kleopatra las die Hieroglyphen am Fuße der Statue: Isis, die Große, die Lebenspendende, die mächtige Herrscherin der Götter, deren Name sich über ihresgleichen erhebt, ohne die kein Einlaß ist in den Palast...
Aus dem Schatten drang ein Rascheln an Kleopatras Ohr, es glitzerte das goldene Auge der Kobra, das heilige Tier der Göttin. Sie bezwang ihre Furcht. Heute bin ich Isis, dachte sie. Sie kann mir nichts zuleide tun. Die Kobra tötet nur Menschen, für die Kinder der Götter bedeutet ihr Biß Unsterblichkeit.