Für sie war ihr Kind das Versprechen eines neuen Herrschergeschlechts, das größer und mächtiger sein würde, als es die Welt je gesehen hatte - für ihn war es nur ein weiterer Bastard.
»Somit wäre auch das geregelt«, sagte er.
»Wenn du meinst«, entgegnete sie kühl.
»Du kannst dir natürlich Liebhaber nehmen.«
»Die Königin von Ägypten kann nicht ganz so sorglos sein wie ein römischer Imperator.«
»Vielleicht einen deiner hübschen Sklavenjungen?«
»Schwerlich. Wann immer ich sie rufe, liegen sie in den Armen römischer Zenturionen.«
»Du hast eine scharfe Zunge.«
»Bei einem untadeligen Leben. Das ist der Unterschied zwischen dir und mir.«
Noch lange, nachdem Caesar sich zurückgezogen hatte, saß sie allein an Deck und lauschte den Wellen, die an die Schiffswände klatschten. Sie spürte, wie sich das Kind in ihr regte. Dann schaute sie zum Himmel und beobachtete, wie die Sterne hinter dem Horizont verschwanden. Wie schlau und gerissen Caesar doch war! Antiochos heiraten!
Sie hatte noch viel von ihm zu lernen.
Vielleicht hätte der Kompromiß ihrem Vater gereicht. Sie hatte den Thron, selbst wenn sie ihn mit dem Bruder teilen müßte, und sie besaß den Schutz Roms. Natürlich wußte sie noch nicht, wieviel Caesars Schutzherrschaft sie kosten würde. Doch sie konnte es sich vorstellen. Wenn er seine Legionen nach Osten verlagern würde, um in den Fußstapfen Alexanders in Parthien einzufallen, dürfte es wohl an Ägypten sein, für diese Ruhmestat aufzukommen.
Ja, der Flötenspieler hätte das akzeptiert. Aber ich bin nicht mein Vater. Ich will aus eigenem Recht Königin sein, nicht nur aus Caesars Gnaden. Er hält mich immer noch für eine dumme Gans, das willige Werkzeug seiner Lust, die Schatztruhe, die seine Ziele möglich macht. Aber ich werde Ägypten befreien von ihm und seinen Machenschaften.
Oh, er hat natürlich unzählige Frauen gehabt, ich bin ja nur eine von vielen. Er war bereits zum vierten Mal verheiratet, und jede dieser Verbindungen war aus Gründen des Geldes oder der Macht geschlossen worden, wie Mardian erzählte. Nun, er wird sich wundern, wenn er seinen Ehrgeiz an mir zu reiben beginnt, denn zwischen meinen Beinen liegt Ägypten, und aus der Frucht meines Leibes entsteht eine neue Welt.
Ich werde Caesar umgarnen. Und eines Tages werde ich den Strick zuziehen. Dann lösche ich meinen Durst mit seinem Blut.
29
Bei ihrer Rückkehr nach Alexandria erwarteten Caesar dringende Nachrichten. Gleich nach der Ankunft schloß er sich mit seinen Befehlshabern ein, empfing Kundschafter und studierte Berichte. Die Nachrichten, so erfuhr Kleopatra, waren ausnahmslos schlechter Natur. Nun, dachte sie, schlechte Nachrichten für Caesar bedeuten noch lange nicht schlechte Nachrichten für mich. Sie zog sich mit Mardian in ihr privates Audienzgemach zurück, wo sie neue Minister und Beamte berief und sich abermals bereit machte, die Regierungsgeschäfte Ägyptens zu übernehmen.
Am Abend traf sie Caesar in dem Bankettsaal, den er während der Belagerung für seine Zwecke eingerichtet hatte. Er saß an dem großen Tisch aus Rosenholz und Elfenbein. Die Lampe auf dem Tisch war angezündet, und die kleinen Leuchten auf den Bronzearmen warfen blasse Tupfer auf sein Gesicht. Die Karten und Lagepläne waren jedoch verschwunden, statt dessen breiteten sich viele Schriftstücke vor ihm aus. Andere waren auf den Boden gerollt. Caesar wirkte müde und erschöpft.
Von irgendwoher aus dem Palast erklang leise Musik. Flöten und Lyren, ein kleines Konzert am Abend. Durch die Fenster sah man das helle Feuer des Leuchtturms; es zog eine wellige Lichtspur über das Hafenwasser.
Als sie eintrat, blickte er auf. »Caesar kehrt Rom für kurze Zeit den Rücken, und schon ist die Welt aus den Fugen geraten.«
»Wirst du uns verlassen?« fragte sie mit klopfendem Herzen. Sie wußte nicht, ob sie sich darüber freuen sollte oder nicht. Warum bin ich so uneins mit mir? fragte sie sich. Habe ich mir das nicht gewünscht? Die Herrschaft über Ägypten auszuüben, ohne von ihm gegängelt zu werden und Befehle erteilt zu bekommen?
Widerwillig gestand sie sich ein, daß sie diesem elenden römischen Verräter trotz allem zugetan war. Und eigentlich wollte sie, daß er zugegen war, wenn sie ihm seinen Sohn überreichte. Es mußte ein Sohn sein!
»Ich bin schon viel zu lange fortgeblieben«, hörte sie ihn sagen. »Die Siebenunddreißigste Legion, die mir aus Pontus zu Hilfe kam, war meine Rettung, doch der Ruin der Provinz. Ihre Bewohner haben die Abwesenheit der Legion genutzt, um die Römer dort niederzumetzeln. Zudem haben sich Pompejus' Söhne in Karthago zusammengetan, um neue Unruhen zu stiften. Selbst in Italien gibt es Ärger. Auf dem Land meutern die Veteranen, und Marcus Antonius hockt auf seinem Hintern und sieht seelenruhig zu, wie der Pöbel das Forum stürmt. Man verargt es mir, daß ich hier Zeit vertrödele, während das Reich in Trümmer fällt.«
»Ich wünschte, du müßtest nicht gehen«, sagte sie. Es entsprach beinahe der Wahrheit.
»Ich werde drei Legionen unter Cornelius Rufus zu deinem Schutz zurücklassen.«
Zu meinem Schutz? Oder zu meiner Bewachung? fragte sie sich. Aber es ist wohl einerlei, wie er es nennt. Er weiß, daß ich ihn ebenso brauche wie er mich.
»Ich nehme die Sechste Legion und segele nach Pontus.«
»Werden wir dir fehlen?«
Er zuckte die Achseln. »Alexandria ist ganz angenehm.«
Die Unverbindlichkeit seiner Worte ärgerte sie, aber das war wohl beabsichtigt.
»Nur angenehm?«
»Nun - bis auf die allgemeine Liebelei mit Tod und Begräbnis und der Unsitte der Eunuchen! Man weiß nie, ob man es mit einem Mann zu tun hat oder mit einem... Lustknaben.«
»Es sind Männer wie Mardian.«
»Ein Mann ist kein Mann, wenn ihm das Wichtigste fehlt. Ich werde es nie verstehen. Es ist einfach barbarisch.«
Caesar wollte ihr einen Vortrag über barbarisches Benehmen halten? »Man hat mir erzählt, daß du während des gallischen Krieges in Uxellodunum zehntausend Männer gefangen genommen hast und ihnen die Hände abschlagen ließest, damit sie die Waffen nicht mehr erheben können. Und du nennst uns barbarisch?«
Seine Augen blitzten böse, und sie erkannte, daß sie zuviel gesagt hatte. »Das war im Krieg«, knurrte er.
»Es war notwendig, meinst du. Nun, genauso notwendig sind für uns die Eunuchen.«
»Und zu welchem Zweck?«
»Glaubst du, wir Könige könnten den Ministern trauen, wenn nicht auszuschließen ist, daß sie selbst nach dem Thron streben?«
»Und einem Mann, der wie ein Baum gestutzt wurde, kann man trauen?«
»Könige brauchen Nachkommen. Die erste Pflicht heißt zwar regieren, die zweite jedoch, für Kinder zu sorgen. Ohne diese bist du nur ein...« Sie war schon im Begriff, »Tyrann« zu sagen, als sie sich Einhalt gebot. Sie würde ihren Standpunkt schon noch vertreten.
»Und deshalb benutzt ihr diese - Geschöpfe?«
»Eunuchen wie Mardian entstammen den vornehmsten Familien des Landes. Sie haben bereits als Kinder in bezug auf Sitte und Gelehrsamkeit außergewöhnliche Fähigkeiten bewiesen. Wenn sie nach Höherem streben, wird der Eingriff notwendig. Er ist außerdem freiwillig.«
»Und wie alt sind sie, wenn man zu dieser drastischen Maßnahme greift?«
»Etwa zehn Jahre.«
»Und das nennst du freiwillig? Sie wissen doch gar nicht, auf was sie sich einlassen! Ich behaupte immer noch, daß es barbarisch ist!«
»Aber dich selbst hältst du nicht für einen Eunuchen?« fragte sie vorsichtig.
Seine Augen sprühten vor Zorn. Dieses Mal gab sie jedoch nicht nach.
»Denk darüber nach. Du bist der König von Rom. Dir fehlt allein der Titel. Und warum bist du es nicht offiziell? Weil du weder Söhne noch Töchter hast, die dir nachfolgen werden. Die Welt mag zwar zittern, wenn du marschierst, aber dennoch bist du nur ein Mensch. Du wirst sterben, und du wirst vergessen sein. In Ägypten würde man dich als Eunuchen bezeichnen. Das ist es, was dein geliebtes Rom aus dir gemacht hat.«