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Doch noch immer gab es keine Zeile von seinem Vater. Kleopatra hatte ihm Briefe geschrieben, hatte ihm von der Geburt berichtet, mitgeteilt, daß es ein Sohn war, ihm den Jungen geschildert.

Nicht eine Zeile.

Die Tage vergingen, mündeten in Wochen und Monate, in immer neue Pflichten. Caesarion machte gerade die ersten Gehversuche, als Kleopatra erstmalig wieder eine Nachricht über seinen Vater erhielt. Er hatte die Überreste von Pompejus' Armee in Thapsus geschlagen, wobei fünfzigtausend von ihnen das Leben lassen mußten. Cato und Juba hatten sich ins eigene Schwert gestürzt. Caesar herrschte nun über Nordafrika

- mit Ausnahme Ägyptens. Doch je nachdem, wie man es sah, gehörte ihm letztlich auch das. Alles - bis auf Parthien.

32

Mardian überbrachte ihr eine der neuen Münzen, die sie in Auftrag gegeben hatte. Die Prägung zeigte sie als Isis, die Caesarion als Horus in den Armen hielt. Die Anspielung war nicht zu übersehen, denn wenn sie Isis war, dann war Caesar Osiris, ihr Gemahl. Und Caesarion wäre ihrer beider Sproß -und Erbe.

Am Oberen Nil waren die Steinmetze in den Tempeln bereits eifrig damit beschäftigt, Caesar mit der Krone der Pharaonen darzustellen, wie er Osiris und Horus Opfer brachte. In der chora glaubte man, daß Caesarion einer göttlichen Vereinigung entsprungen sei. Für Ägypten war Kleopatra jedenfalls mehr als nur die Geliebte eines abenteuerlustigen Römers.

Kleopatra lächelte, als sie die frisch geprägte Münze in der Hand wog, und sie fragte sich, was man wohl in Rom davon halten würde. Sie drehte sie um. Auf der Rückseite war sie im Profil abgebildet, mit furchteinflößenden Zügen, schrecklicher anzusehen als jeder römische Feldherr.

»Sehr eindrucksvoll, Majestät«, urteilte Mardian. »Rom wird zittern.«

»Wie hätte ich denn deiner Meinung nach wirken sollen? Verführerisch und schmachtend? Deine Spitzel lassen mich ja jetzt schon glauben, daß man mich in Rom halb als Freudenmädchen, halb als Tanzsklavin sieht.«

»Nun, jetzt werden sie sich fragen, ob Caesar noch ganz bei Sinnen war, soviel seiner Zeit einer Hyäne zu opfern.« »Mein lieber Julius würde seine Nächte auch bei einem Krokodil zubringen, wenn es zu seinem Nutzen wäre. Erzähl mir lieber, was die Spione berichten. Was tut sich in Rom?«

Caesar war wieder dort angekommen, im römischen Monat Quintilis, der jedoch in Julius umbenannt würde, wie es hieß, da er in diesem Monat geboren worden war.

»Caesar wird gefeiert wie ein Gott. Niemand legt sich mit ihm an. Selbst Cicero und der Rest der alten Senatsgarde lassen ihn gewähren.«

Sie hatte endlich eine Botschaft von ihm erhalten, in der er sie in offiziellem Ton von seinem Sieg über Cato unterrichtete und sie zur Geburt ihres Sohnes beglückwünschte. Der liebe Julius. Ganz der Politiker.

»Und was wird über mich gesagt?«

Mardian wich ihrem Blick aus. »Nun, im Forum reißt man wohl ein paar derbe Witze.«

»Immer noch? Sollte ich mich etwa geschmeichelt fühlen?«

»Es ist wie hier in Alexandria. Die Menschen tratschen über alles und jeden.«

»Aber in Alexandria achtet man die Königin. Zollt man Caesar den gleichen Respekt?«

»Ihr wißt, wie Männer sind, und erst recht die Männer in Rom. Sie weiden sich an solchen Späßen.« Mardian zog ein mißbilligendes Gesicht. Manchmal hatte sie den Eindruck, daß er mehr als Frau denn als Mann empfand. Es geschah sehr selten, daß er ein gutes Wort über das eigene Geschlecht verlor.

»Ich will wissen, was sie sagen.«

»Es ist abstoßend.«

»Ich bin kein kleines Mädchen mehr, Mardian.«

Die fleischigen Backen überzogen sich mit Röte. »Sie spotten über unsere Not. Im Forum hat man Sprüche an die Wand gemalt. Der Nil, so steht dort, sei in der Nacht um sechs Zoll angeschwollen - und Caesar desgleichen.«

Kleopatra lachte. »Nur sechs Zoll? Mir schien es sehr viel mehr.«

Mardian bedachte sie mit einem Blick der Entrüstung.

»Was sonst noch?« erkundigte sie sich. »Das gemeine Volk hat ein Lied gedichtet, das man auf der Straße singt. Darin heißt es, daß Caesar zwei Wochen auf dem Nil und zwei Monate in der Königin gesteckt hat.« Kleopatra war klar, wie garstig und dumm solche Sprüche in den Ohren eines Mannes klingen mußten, dem das Geschlechtliche fremd war.

»Sie preisen ihn dafür. Für sie seid Ihr nur eine seiner vielen Eroberungen. Wenn er Euch im Forum vorführen könnte, würden sie anfangen zu johlen.«

»Was ist mit Caesarion?«

Seine Miene heiterte sich auf. »Über Euren Sohn singt man keine Lieder, Majestät. Über ihn wird im Senat lediglich geflüstert, und die Reichen munkeln über ihn in den Bädern. Doch dank Caesars Ruf... «

Er mußte nicht weiterreden. Dank Caesars Ruf war Caesarion nur einer seiner vielen Bastarde. Trotzdem würde die Römer die Existenz des Jungen beunruhigen; sie mußte ihnen zu denken geben.

Nein, Caesarion war kein Bastard. Selbst Caesar würde das einsehen, würde die Bedeutung eines Sohnes aus Ägypten erkennen.

»Ich will nicht, daß Caesarion das Joch trägt, das ich von meinem Vater geerbt habe«, sagte sie. »Wir haben der Welt ein unendliches Maß an Wissen beschert, doch uns selbst scheint es nichts zu nützen. Wir beugen uns immer der römischen Macht.«

»Sie haben nun einmal die größte Armee der Welt.«

»Man muß für die Freiheit kein Blut vergießen. Man könnte sich auch mit ihr vermählen.«

»Ihr redet dabei wieder von Caesar?« Auf Mardians Gesicht machte sich Unwille breit.

Warum denn nicht? dachte sie. Was ist denn so außergewöhnlich an diesem Vorhaben? War Caesar etwa kein fremder Herrscher, der als Gemahl in Frage kam?

»Majestät, Caesar ist Römer. Ein einfacher Soldat. Er ist Eurer nicht würdig.«

»Du meinst, der Senat ließe es nicht zu.«

Mardian nickte. »Caesar bekäme zuviel Macht.«

»Wann wäre zuviel Macht je genug für ihn gewesen?«

»Dennoch - er hat nun einmal kein königliches Blut!« empörte sich Mardian erneut.

»Dann borge ich ihm etwas von meinem.«

»Majestät! Es kann nicht sein.«

»Es kann sein, und es wird sein. Habe Geduld, Mardian. Julius ist nicht dumm. Mit der Zeit wird er die Vorteile erkennen. Warte nur ab.«

Sein Name war Quintus Dellius, und er hatte etwas Verschlagenes an sich. Als er in den Audienzsaal marschiert kam, hallten die metallbeschlagenen Stiefel im Raum. Er trug die Rüstung eines römischen Offiziers, einen Mantel aus rotem Leder und einen verzierten Brustharnisch aus Emaille. Die rote Tunika und die Lederstiefel spiegelten sich im Marmorboden. Er verneigte sich. Doch als er sich wieder aufrichtete, war sein Blick voller Geringschätzung.

»Eine Botschaft von Julius Caesar, Konsul von Rom, an die Königin von Ägypten, seine Freundin.«

Quintus Dellius' Blicke schweiften in die Runde, um alles in sich aufzunehmen. Er wirkte ein wenig enttäuscht. Wahrscheinlich hatte er zu sehr auf den Klatsch in den Bädern des Palatins gehört und erwartet, daß sie halb nackt vor ihm läge, mit dem Kopfschmuck der Pharaonen und an mumifizierten Überresten ihres Vaters knabbernd.

Statt dessen umgaben ihn griechische Beamte und Legionäre aus Kalabrien, und nur die nubischen Wachen mit der schwarzen Haut und die kahlen Schädel Pshereniptahs und seiner Priesterschar unterschieden die Versammlung von der anderer hellenischer Höfe.

»Wie lautet seine Botschaft?«

»Caesar hofft Euch bei guter Gesundheit und beglückwünscht Euch zu der Geburt Eures Sohnes.«

Es hieß also immer noch Euer Sohn, stellte sie fest. Nicht unser Sohn. Diese Römer und ihre Spielchen.

»Richtet ihm aus, daß sich unser Sohn bester Gesundheit erfreut. Weist ihn überdies darauf hin, daß er dies bereits seit elf Monaten tut, so daß seine Glückwünsche ein wenig spät eintreffen.«