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Das verschlug Quintus Dellius die Sprache.

Nach einer Weile fuhr er fort: »Er freut sich, Euch mitteilen zu können, daß die römischen Senatoren ihm das Recht auf vier Triumphzüge gewährt haben, und lädt Euch hiermit ein, an diesen Feierlichkeiten teilzunehmen.«

»Die Königin von Ägypten beglückwünscht Caesar zu seinem Ruhm und dankt für die Ehre der Einladung. Wir werden darüber nachdenken und Euch die Antwort wissen lassen.«

»Caesar betont seinen Wunsch ausdrücklich und versteht Eure Zusage als Zeichen, daß Ihr Rom nicht feindlich gesonnen seid«, betonte Dellius.

»Wir danken Euch, Quintus Dellius«, erwiderte Kleopatra. »Ihr habt Euren Standpunkt deutlich gemacht.« Sie entließ ihn mit einer lässigen Handbewegung.

Als Zeichen, daß Ihr Rom nicht feindlich gesonnen seid. War das etwa ein Befehl oder gar eine geheime Drohung? Nun, befehlen konnte er ihr nichts. Sie war schließlich keine Vasallin. Oder doch? Wie auch immer - sie mußte letztlich wohl doch tun, was er ihr sagte, denn ohne ihn wäre sie weiterhin verloren. Die Freiheit hatte nun einmal ihren Preis, und wenn sie ihn nicht zahlte, würde es ihr ergehen wie all den anderen vor ihr.

Abgesehen davon war es gar keine Frage - sie würde nach Rom reisen. Schließlich hatte sie genau dafür so lange gebetet. Der Tatbestand, daß er Dellius gesandt hatte, um ihr einen Befehl zu erteilen - sogar mit verhüllten Drohungen -, war, wenn man es richtig überlegte, nur befriedigend. Vielleicht war er endlich zur Vernunft gekommen.

TEIL II

»Erachte keinen Mann als glücklich, es sei denn, er wäre tot.«

Römisches Sprichwort zur Zeit Caesars

1

DER NEUE MONAT JULIUS NACH DEM RÖMISCHEN KALENDER IM JAHRE 46 VOR CHRISTI GEBURT

In Rom

Kleopatra hatte noch nie zuvor Pinienwälder gesehen und war fasziniert und abgestoßen zugleich. Sie empfand die dunkelgrünen Baumkronen als düster und bedrohlich. Die spitzen Nadeln wurden braun, und wenn sie schließlich abfielen, erstickten sie den Boden unter sich. Wie die Römer, ging es ihr durch den Kopf. Groß, dunkel und mächtig, doch in ihrem Schatten gedeiht nichts.

Caesar hatte sie in einem seiner Wohnhäuser untergebracht, auf der Westseite des Tibers an der Via Campana, was sie als gutes Zeichen betrachtete. Das Haus war angemessen, entbehrte jedoch der lichten Luftigkeit, die sie aus Alexandria gewöhnt war. Es war aus hellem Stein erbaut, die Säulen umwuchert von Rosenranken, Glyzinien und Klematis. Das Atrium wurde von Marmorbüsten gesäumt: mit Venus, wie Isis von den Römern genannt wurde - die, wie Kleopatra zu ihrer Belustigung erfuhr, Caesar als Ahnin diente -, etlichen Abbildern Alexanders sowie einigen, die Caesar selbst darstellten, jedoch aus früherer Zeit stammten.

An das Atrium schloß sich ein weiterer Hof an, dessen Dach in der Mitte vertieft und mit einer Öffnung versehen war. Die Römer bezeichneten es als compluvium. Von dort aus führte ein Gang zu den Schlafgemächern und Speisezimmern. Dahinter erstreckte sich ein kleiner, von Säulen umgebener Park, in dem ein hübscher Fischteich angelegt worden war.

Die Wände der Innenräume waren im Grün der Pinienbäume gehalten, die dunkle Farbe wurde jedoch aufgelockert durch Friese mit bunten Blumengirlanden. Die Fußböden der Wohn-und Speiseräume zierten zarte Mosaike mit ländlichen Idyllen,

in denen neckische Nymphen tanzten. Kleopatra fand das Ganze ein wenig zu verspielt für einen strengen römischen Imperator. Die Einrichtung erschien ihr wiederum zu karg für einen Mann seines Standes, paßte jedoch zu seinem Charakter. Sie bestand aus Ruhebänken, Tischen mit Intarsien aus Schildpatt und Elfenbein sowie einigen wenigen Kandelabern, von deren Armen die kleinen Lämpchen an dünnen Silberketten hingen.

Ihr Schlafgemach, so wurde ihr versichert, sei dasjenige Caesars, wenn er hier residiere. Es war sehr spartanisch, kaum groß genug, wie Mardian sagte, um einen Sklaven auszupeitschen. Das breite eichengeschnitzte Bett mit Decken aus Wolle und Seide beanspruchte beinahe den ganzen Raum.

Im Vergleich zu ihrem Palast in Alexandria war es nicht mehr als ein Soldatenquartier. Nur die Tatsache, daß es sich um eines von Caesars Häusern handelte, verhinderte, daß Kleopatras Unterbringung beleidigend wirkte. Im Grunde, tröstete sie sich, hätte er keinen besseren Ort wählen können, um Rom ihre Verbindung kundzutun.

Zu dem Haus gehörten Gärten, die den Blick auf die Stadt und den Fluß freigaben. Auch diese Art von Gärten hatte sie noch nie zuvor gesehen. Die Ulmen, Platanen und Zypressen standen aufgereiht hintereinander wie Soldaten beim Exerzieren, die Hecken aus Eiben, Buchsbaum, Lorbeer und Myrte waren gestutzt. Von den schattigen Hängen aus konnte sie die Barken sehen, die von Ostia aus flußaufwärts zur Probusbrücke krochen und weiter zum Emporium, der riesigen Markthalle, deren Gerüche je nach dem Stand des Windes bis zu ihr drangen. Jenseits des Flusses erhob sich der dichtbesiedelte Aventin-Hügel, mit fünf- und sechsstöckigen Wohnhäusern, den insulae, die sich wie Sklavenlasten auf seinem Rücken türmten.

Inzwischen lag Kleopatras Ankunft bereits einige Tage zurück, doch Caesar hatte ihr noch immer nicht seine Aufwartung gemacht. Dabei hätte sie zu gern erfahren, ob sie sich als Gast oder Geisel betrachten mußte. Doch sie sagte sich schließlich, daß sie das über kurz oder lang ohnehin herausfinden würde. Er schickte ihr täglich Quintus Dellius -den Mardian Caesars Frettchen nannte -, um ihr Grüße auszurichten und sich nach ihren Wünschen zu erkundigen. Abgesehen davon hatte man jedoch den Eindruck, daß Roms erster Bürger zu sehr mit den Vorbereitungen zu seiner Verherrlichung in Anspruch genommen war, um Zeit für einen Besuch opfern zu können.

Kleopatra machte sich nicht vor, daß sie ihm gefehlt hatte, doch sie hatte gehofft, daß er der Königin von Ägypten die Ehre erweisen würde und vielleicht auch, daß es ihn drängte, seinen Sohn zu sehen. Schließlich war der kleine Ptolemaios Caesars einziger männlicher Nachkomme, oder doch zumindest der einzige, der seinen Namen trug.

Sie erkundigte sich bei Mardian nach den jüngsten Neuigkeiten aus der Stadt.

Mardian fand Rom entsetzlich. Er haßte ihre Unterkunft, die ihm zu ärmlich war, im Vergleich jedenfalls zu dem prächtigen Anwesen, das er am See Mareotis besaß. Er haßte das Klima, das ihm zu heiß war, und er haßte vor allem die Römer.

Dennoch wußte er viel über das, was in der Stadt vor sich ging. »Majestät«, sagte er, »wie es scheint, ist Caesar nicht nur Konsul der Republik, sondern wurde für die nächsten zehn Jahre zum Präfekten und Diktator des römischen Volkes gewählt. Es ist eine Ehre, die ihresgleichen sucht. Der Titel des Diktators gilt in der Regel nur für Notzeiten und währt nie länger als sechs Monate. Ganz ohne Zweifel übertrifft Euer lieber Caesar nun sogar den großen Pompejus im Ausmaß der Macht.«

»Pompejus' Kopf endete auf einem Silberteller. Was ist daran schon großartig zu übertreffen? Caesar muß lediglich am Leben bleiben.«

Mardian schnitt eine Grimasse. »Wir sind hier in Rom, Majestät. Genau wie in Alexandria sollte man das Überleben nicht als etwas Geringes abtun.«

Sie fragte sich, ob er nachts kommen würde, versteckt in einem Wagen oder verhüllt in einer Sänfte. Dann hätte sie gewußt, welche Rolle ihr zugedacht war. Doch Caesar kam morgens, im hellen Tageslicht, auf einem Schimmel geritten. Vor ihm marschierten vierundzwanzig Liktoren, die Symbole seiner Macht als Diktator der Republik. Jeder von ihnen trug ein Rutenbündel mit herausragendem Richtbeil.

Außerdem begleiteten ihn zwei Zenturien Soldaten als Leibgarde. Als er von seinem Pferd stieg, bezogen sie Posten an den Toren und umstellten die Gärten, als gälte es einen Angriff abzuwehren. Wie es den Anschein hatte, konnte sich Caesar noch nicht einmal in seiner eigenen Stadt sicher fühlen. Vielleicht erst recht nicht in seiner eigenen Stadt.