Nachdem man sich niedergelassen hatte, nahmen ihnen Sklaven die Sandalen ab und wuschen ihnen die Füße mit Rosenwasser. Andere legten ihnen Rosenkränze um den Hals. Der cellarius erschien mit zwei Amphoren Falernerwein, die er in ein großes Gefäß namens kratera goß, wo er mit Wasser vermischt und mit Schnee aus Thrakien kühl gehalten wurde. In einem der Alkoven musizierten zwei Sklavinnen auf der Lyra und der Flöte.
Das Essen wurde hereingetragen. Der erste Gang, gustus, bestand aus Wachteleierscheibchen, Haselmäusen in Honig, Krebsklößchen in Olivensoße, Austern und Tintenfisch. Als Hauptgericht, mensa prima, servierte man einen geschmorten Wildschweinkopf mit vergoldeten Borsten in süßer Nußsoße. Dazu wurden gedünstete Gladiolenzwiebeln gereicht, Gurkengemüse, gebackene Krickente, ein Gericht, das Caesar als Rosenpastete bezeichnete - aus Kalbsbries, Eiern und Wein
- und als Höhepunkt eine riesengroße gebratene Meeräsche. Meeräsche, so wurde Kleopatra belehrt, betrachte man in Rom als Delikatesse, die sich nur Reiche leisten konnten. Kleopatra kostete zum ersten Mal in ihrem Leben Schweinefleisch. Diese Tiere wurden in Ägypten nicht verzehrt.
Da man mit den Fingern aß, wuschen ihnen die Sklaven immer wieder die Hände. Sie umstanden mit Krügen in der Hand die Ruhebänke, gössen ihnen parfümiertes Wasser über die Finger und trockneten diese anschließend mit Tüchern.
Caesar hatte das Gespräch geschickt von der Politik zu seinen Triumphzügen gelenkt, die in zwei Tagen in Rom stattfinden sollten.
»So etwas hat es in Rom noch nie gegeben«, prahlte Calpurnia in ihrer hohen, durchdringenden Stimme. »Ein einziger Triumphzug ist sonst schon der Höhepunkt im Leben eines Mannes. Aber gleich vier! Das ist einzigartig. Und hinterher wird Caesars Triumphwagen im Capitol neben Jupiter aufgestellt.«
Angesichts Caesars berüchtigter Treulosigkeit fand Kleopatra Calpurnias Stolz bemitleidenswert.
Brutus zog eine finstere Miene. »Findest du es richtig, über römische Brüder zu triumphieren?« fragte er Calpurnia.
»Welche römischen Brüder?« fuhr Caesar ihn an.
»Cato und Scipio unter anderem.«
»Man ist kein Römer, wenn man unter fremder Herrschaft kämpft!« kam es von Caesar.
Brutus schüttelte den Kopf. »Römer zu sein ist eine Auszeichnung, die ewig währt.«
»Wie Göttlichkeit?« fragte Kleopatra. Caesar lachte beifällig, und die anderen lachten notgedrungen mit. Alle - außer Brutus und seiner Mutter. Kleopatra kam zu dem Schluß, daß Caesar zwar ein begnadeter Feldherr, jedoch ein schlechter Menschenkenner war. Man muß sich nur anschauen, mit welchen Leuten er sich umgibt, dachte sie, Menschen, die er als Freunde oder gar als Familie betrachtet. Wie hielt er das aus? Sie ließe sich lieber erwürgen, als daß sie ein weiteres Mahl mit diesem Brutus oder dessen Mutter ertrüge. Und dann dieser Junge, Octavian, mit dem affektierten Gehabe und dem dummen Gekicher! Von Calpurnia ganz zu schweigen.
Vielleicht war er wirklich in Britannien eingefallen, um ihnen allen zu entkommen.
Als letzten Gang, mensa secunda, gab es Kuchen mit attischem Honig, Maulbeeren, Feigen und Granatapfelsaft.
»Roms Problem ist«, teilte Marcellus ihnen währenddessen mit, »daß wir die sittlichen Werte verloren haben, die Rom zu dem gemacht haben, was es heute ist. Ich will nur diese abscheulichen Bacchusriten erwähnen, bei denen sich Männer und Frauen wollüstig vergnügen und im Namen der Religion dem Laster frönen. Oder den Isistempel auf dem Aventin, der inzwischen nicht nur Prostituierten dient, sondern auch als heimlicher Treffpunkt ganz normaler Männer und Frauen gilt. Na, Isis ist ja wohl auch eine Frau - was soll es mich da groß wundern? Die Frauen sind letztlich an allem schuld.«
Er hatte die Worte an Caesar und Octavian gerichtet, doch sie waren eindeutig auf Kleopatra gemünzt. Bitte, wenn er Streit suchte.
»An allem schuld? Darf ich das so verstehen, Claudius Marcellus, daß Ihr Euren Frauen die Niederlage in Parthien zuschreibt? Oder den letzten Bürgerkrieg?«
Marcellus schaute empört in die Runde, weil ausgerechnet eine Frau ihm Widerrede bot, doch verstummen ließ es ihn nicht.
»Was wir ihnen verdanken, ist das erschreckende Handelsdefizit in unserem Haushalt. Sie entkräften das Reich mit ihren Begierden, Moden, teuren Stoffen, Halsketten, Broschen, Ringen, goldenen Armbändern. Nicht ein Tag vergeht, an dem nicht mein Bankier vor mir steht und mich wegen irgendeinem Tand zur Rede stellt, den meine Frau sich zugelegt hat und für den ich bezahlen darf.« Also wirklich, dachte Kleopatra, er redet über seine Frau, als wäre sie nicht anwesend. »Und alles muß aus fremden Ländern sein. Ich könnte mir ein ganzes Haus in den Albaner Bergen leisten mit dem, was meine Frau allein an den Ohren trägt. Die Seide, die sie benötigt, kann kein Mensch in Gold aufwiegen. Wen wundert es da, daß Rom keine Mittel hat, um eine vernünftige Armee zu bezahlen?«
»Marcellus«, unterbrach Kleopatra ihn. »Hat Eure Frau auch Liebschaften?«
Die Frage raubte ihm einen Moment lang die Sprache. Dann schaute er Tertullia an, die seinem Blick auswich. »Natürlich nicht!« entgegnete er im Brustton der Überzeugung.
»Dann ist sie wohl eine rühmliche Ausnahme«, entgegnete Kleopatra. »Mir will nämlich scheinen, daß sich auch die intelligenten und kultivierten Frauen Roms nur deshalb dem Laster verschreiben, weil ihre Ehemänner grenzenlos langweilig sind. Die Männer wiederum sehen darüber hinweg, um sich in Ruhe der Politik widmen zu können wie auch den reizenden Damen eines gewissen Etablissements gegenüber dem Circus Maximus, das sich, wenn ich nicht irre, Venuslaube nennt.«
Aus den Augenwinkeln bemerkte Kleopatra, daß Caesar sie anschaute. Sie blickte ihn fragend an.
Zuerst fürchtete sie, daß er ihr zürnte, doch dann stellte sie fest, daß seine Mundwinkel zuckten, und schließlich warf er den Kopf in den Nacken und fing schallend zu lachen an.
Marcellus' Wangen brannten vor Zorn. Caesars Heiterkeit schien er als ausgesprochen unpassend zu empfinden. »Ich glaube, was Ihr sagt, beweist nur meinen Standpunkt. Die Frau ist ein unbesonnenes Geschöpf. Gewährt man ihr auch nur ein Quentchen an Freiheit, so nutzt sie es umgehend, indem sie es in Prunksucht verwandelt oder gar in Unzucht. Der Mann kann also gar nicht umhin, ihr Zügel anzulegen.«
»Behandelt man die Frauen in Ägypten etwa anders?« ließ sich Octavian vernehmen.
Dieses anmaßende kleine Männerliebchen. Wie konnte er es wagen, sie herauszufordern? »Nun, die wahrhaft Klugen unter ihnen macht man beispielsweise zu Königinnen«, versetzte sie. Caesar applaudierte, und Tertullia lächelte fein. Sogar Calpurnia schien die Unterhaltung Spaß zu machen. Brutus und Octavian tauschten vielsagende Blicke.
»Ihr meint also, daß es den Frauen in Alexandria besser ergeht als in Rom?« erkundigte sich Calpurnia liebenswürdig.
»Die ägyptische Frau kann Geld leihen und verleihen, sie kann Häuser kaufen und verkaufen, alles in ihrem eigenen Namen. Sie braucht keinen männlichen Beistand wie hier in Rom, der sie ein Leben lang gängelt.«
»Und ich behaupte dennoch, daß die römische Frau zuviel Freiheit genießt«, zeterte Marcellus unbeirrt weiter. »Aber sie sollen machen, was sie wollen, solange sie sich nicht in Angelegenheiten mischen, die sie nichts angehen.«
»Als da wären?«
»Die Politik, zum Beispiel, von der eine Frau von Natur aus nichts versteht.«