Выбрать главу

Er war selbstgefällig und blasiert, weich und dicklich. Hinter ihm drängte sich eine Schar von Bewunderern, schnatternd wie Gänse. »Cicero«, flüsterte Mardian Kleopatra ins Ohr. Das Mädchen an Ciceros Arm hätte seine Enkelin sein können. Er war ihr sofort unsympathisch.

»Marcus Tullius Cicero«, teilte er ihr mit, als Caesar ihn zu ihr führte. »Ich bin sicher, Ihr habt von mir gehört.«

»Nein«, log sie. »Wart Ihr mit Caesar in Pharsalos?«

Seine Augen blitzten sie wütend an. »Sehe ich etwa aus wie ein Soldat?«

»Niemals.«

Dafür erntete sie einen sehr frostigen Blick. Cicero schritt weiter.

Mardian neigte sich zu ihr. »Solche Männer solltet Ihr Euch nicht zum Feind machen, Majestät«, flüsterte er.

»Glaubst du, daß Freundschaft hier etwas gilt? Selbst wenn ich die innigste Geliebte von einem von ihnen wäre, würde dieser mich am nächsten Tag verleugnen, und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Wer war das Mädchen bei Cicero?«

»Ihr Name ist Publilia«, antwortete Mardian.

»Wie alt ist sie?«

»Nicht sehr alt. Man behauptet, daß er sie wegen ihres Geldes geheiratet hat.«

»Womit ihm sogar die Ausrede der Lüsternheit versagt wäre.«

»Als er sich von seiner ersten Frau scheiden ließ, wurde er gefragt, ob er sich wieder verheiraten würde. Als Antwort sagte er, niemand könne eine Frau und die Philosophie verkraften. Das war jedoch bevor man ihn zwang, die Mitgift seiner Frau zurückzuzahlen. Also heiratete er die zweite, um sich von der ersten scheiden lassen zu können.«

»Armer Cicero.«

»Arme Publilia.«

Ganz Rom wollte offenbar Kleopatras Bekanntschaft machen, sei es aus Neugier oder einfach nur, um nachher etwas zum Reden zu haben. Mehrmals entdeckte sie, daß auch Caesars Blick auf ihr ruhte, doch da er ebenso gefragt war wie sie, bot sich keine Gelegenheit zu einem privaten Gespräch. Schließlich jedoch fand er einen Moment Zeit für sie.

Allerdings sah er müde aus, und sie konnte erkennen, daß es ihm nicht leichtfiel, das Lächeln des Triumphators aufrechtzuerhalten.

»Ein schöner Tag für Caesar«, sagte sie.

»Vielen Dank. Wirst du morgen dabeisein?«

Morgen. Der Tag des Triumphs über Ägypten. Der Grund, weshalb er sie nach Rom geladen hatte. »Ich muß doch sehen, wie Alexandria bezwungen wurde.«

Er wirkte beinahe verlegen. »Bedenke, daß es nur Theater ist«, sagte er. »Entsetze dich nicht bei dem, was du siehst oder hörst. Sei nur zugegen, damit man begreift, daß ich nicht dich besiegt habe, sondern deine Feinde.«

Wie sollte sie sich nicht entsetzen, wenn doch ihre Schwester unter den Gefangenen sein würde?

»Laß uns jetzt dem Protokoll Genüge tun«, bat er sie. Er führte sie und Antiochos zu einem Podest am Ende des Raumes. Als sie die Stufen emporstiegen, wurde es still. Caesar hielt eine lange Rede, in der er Königin Kleopatra VII. und König Ptolemaios Antiochos von Ägypten in Rom willkommen hieß - als hochgeschätzte Gäste der Republik. »Heute ehren wir den König und die Königin von Ägypten«, schloß er, »und nehmen sie auf als Freunde und Verbündete des römischen Volkes.«

Es wurden einige Trinksprüche auf sie ausgebracht, doch das war bereits alles.

Vielleicht bin ich für ihn nur noch das, dachte sie. Ein hochgeschätzter Gast. Mit einemmal wurde ihr schmerzhaft bewußt, daß sie mit ihrem Besuch nicht nur hatte erreichen wollen, daß er Caesarion anerkannte, sondern auch sie selbst. Ich bin einsam, ging es ihr durch den Kopf. Mir fehlt sein Körper. Ich will, daß er mich berührt, daß er mich in den Armen hält - und daß er mich liebt.

Er darf nicht merken, wie närrisch du bist, sagte sie zu sich selbst. Du bist nur eine seiner Eroberungen, genau wie Eunoe, wie die Frau von Pompejus - wie Gallien. Einer seiner Triumphe. Eine seiner Dirnen. Versteck dein einfältiges Frauenherz und tu, was für Caesarion richtig ist.

Während des restlichen Abends bekam sie Caesar kaum noch zu Gesicht. Statt dessen mußte sie langweilige Gespräche über sich ergehen lassen und sinnlose Fragen beantworten. Stimmt es, daß die Ägypter Krokodile anbeten? Ist es wahr, daß sie ihre Toten einbalsamieren? Gibt es in den Straßen tatsächlich so viele Skorpione wie Ameisen?

Im Grunde hätte sie den ganzen Abend vergessen können, wenn sie nicht zum ersten Mal den berüchtigten Marcus Antonius erblickt hätte.

Er war einer der eindrucksvollsten Männer, die sie je gesehen hatte. Sein Körper war der eines Gladiators, das Gesicht das eines Schlächters und die wilde dunkle Lockenpracht die eines Gottes. Kleopatra sah, wie sich ihm alle Gesichter zuwandten, als er eintrat, die der Männer mit stillem Neid, die der Frauen mit eindeutiger Bewunderung. Auf das vorgeschriebene ägyptische Kostüm hatte er verzichtet. Er trug ein Löwenfell, das an der Schulter zusammengeknotet war und die feste Rücken- und Brustmuskulatur freilegte. Über die Schulter hatte er sich eine Keule geschwungen.

Er war einfach als Herkules erschienen, in offener Mißachtung des Protokolls. Außerdem war er sturzbetrunken, was dem Protokoll wahrscheinlich ebensowenig entsprach.

Antonius hatte noch nicht die Mitte des Atriums erreicht, als er bereits stolperte und danach erst einmal schwankend auf der Stelle stand. Dann hatte er sein Gleichgewicht jedoch wieder zurückerlangt und sich weiter vorwärts bewegt - allerdings mehr wie jemand, der den Fluß auf einem schwimmenden Baumstamm überquert.

Marcus Antonius war nicht allein gekommen. In seiner Gesellschaft befand sich eine Truppe Musikanten, Schauspieler und Dirnen. Eine Frau, die genauso betrunken war wie er, hatte sich so eng an ihn geschmiegt, daß man nicht wußte, wer wen stützte. Sie war schön, wenn auch auf eine etwas grelle Art, und lachte viel zu laut.

»Wer ist das?« erkundigte Kleopatra sich bei dem Senator, mit dem sie sich gerade unterhalten hatte.

»Das ist Marcus Antonius«, antwortete er und verzog das Gesicht zu einer geringschätzigen Grimasse. »Tut so, als sei er Nachfahre des Herkules. Als Caesar bei Euch in Ägypten weilte, war er Konsul. Welch ein Desaster! Caesar hat ihn daraufhin des Amtes enthoben.«

Plötzlich tauchte eine Frau mit einer Mähne aus weizenblondem Haar im Atrium auf und bahnte sich einen Weg durch die Gäste, als sei sie ein Zenturio, der im Forum einen Menschenauflauf zerschlägt. Dann stand sie mit in die Seiten gestemmten Fäusten vor dem Neuankömmling, der sie verwundert anstarrte.

»Was fällt dir eigentlich ein?« zischte sie.

Marcus Antonius drehte sich zu seinem Gefolge um, unter denen etliche mit einemmal erschrockene oder betretene Mienen zeigten. »Das ist meine Frau!« rief er so erstaunt, als habe er gerade ein Gesetz der Logik entdeckt.

»Schaff auf der Stelle diese Schlampe fort«, fauchte sie und deutete auf Antonius' Begleiterin. »Und der Rest dieses Gesindels kann ebenfalls verschwinden!«

Antonius' Gespielin warf ihr einen hochmütigen Blick zu, befreite sich jedoch aus seinen Armen und strebte dem Ausgang zu. Die anderen folgten ihr wortlos, einer nach dem anderen. Antonius schaute ihnen enttäuscht nach. Dann aber drehte er sich um, breitete die Arme aus und flüsterte so laut, daß es alle hören konnten: »Liebste, wie wäre es mit einem schnellen, kleinen Schäferstündchen?«

Die Ohrfeige ließ seinen Kopf zurückschnellen. Er stürzte jedoch nicht, sondern taumelte nur zu dem Springbrunnen, der im effluvium plätscherte. Fulvia ließ ihre Sklaven herbeiholen und verließ das Fest wenige Augenblicke später in einer Sänfte.