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Am selben Abend wurde Caesar in einer Sänfte zwischen zwei Elefanten durch ein Fackelspalier zum Capitol getragen. Dort brachte er Jupiter seine Opfer dar und dankte im römischen Pantheon für den siegreichen Ausgang seiner Taten. Anschließend feierte Rom abermals auf seine Kosten. Im Forum waren unzählige Tische aufgestellt, an denen das Volk bewirtet wurde. Tänzer und Gaukler dienten der Unterhaltung. Im Verlauf der Sommernacht wurde die Via Sacra allmählich erfüllt von singendem und johlendem Gebrüll, Betrunkene lagen auf den Stufen der Kurie hingestreckt, und überall breiteten sich Weinlachen aus.

Dergleichen hatte Rom wahrhaftig noch nie erlebt. Die Stadt hatte einen neuen Gott. Unter den römischen Göttern, die in dieser Nacht vom Palatin herunterschauten, gab es jedoch nicht wenige, die sich fragten, ob er nicht auch wie andere unter ihnen erst sterben müsse, um dann wiederzukommen und gehuldigt zu werden.

7

Der Tisch war mit einem karminroten Tuch bedeckt. Darauf standen Schalen mit Granatäpfeln, Teller mit Brot und ein Krug mit bestem Falernerwein. Durch das Gemach huschten Diener, die die Öldochte auf den Lampenständern anzündeten. Das weiche, goldene Licht breitete sich über den Ruhebänken aus.

Caesar kam in der zweiten Stunde der Nacht. Doch auch dieses Mal erschien er nicht als Mann, der sich heimlich zu seiner Geliebten stiehlt, sondern in Begleitung von etwa hundert Leibgardisten, die das Haus umstellten und die Türen bewachten. Caesar war offenbar ein Gott, der wie ein gewöhnlicher Mensch - oder sogar mehr als dieser - um sein Leben bangte.

Charmion und Iras hatten Kleopatra angekleidet und frisiert. Sie trug einen schlichten grünen chiton und an den Ohren ein verschlungenes Goldgeschmeide.

»Ihr seht aus wie eine Königin, bereit für ihren König«, sagte Charmion.

»Vielen Dank, Charmion«, entgegnete sie. Die Sklavinnen huschten aus dem Raum und ließen sie allein. Hier in Rom bin ich keine Königin, dachte sie. Ich bin nur Caesars Spielzeug. Im Brucheion habe ich meine Pflichten, die, obgleich sie mich oft langweilen, mir letztlich lieber sind als die Rolle einer fügsamen Mätresse.

Und doch lebt dieser Schmerz in mir, die Einsamkeit. Wie wäre es wohl, einen Mann nur aus Neigung zu wählen und ein Kind aufzuziehen, für das man sich nichts weiter wünscht, als daß es glücklich wird? Kaum vorzustellen. Nun, warum auch über etwas grübeln, das man nie haben wird?

Als sie sich umwandte, stand er da. Eine fahle Gestalt im Lampenlicht, wieder normal gekleidet in einer einfachen weißen Tunika. Kleopatra wartete darauf, daß er etwas sagte, etwas erklärte, doch statt dessen griff er nach ihr und riß sie an sich. Sie wollte ihn wegstoßen, doch dann fühlte sie, wie sich die Sehnsucht ihrer bemächtigte. Caesar sollte ihr gehören, zumindest für eine kleine Weile, alles andere mußte erst einmal warten.

Später, nachdem sie sich geliebt hatten, lagen sie im Dunkeln auf dem Bett. Kleopatra lauschte seinem ruhigen, gleichmäßigen Atem und dachte, er sei eingeschlafen. Dann aber sagte er mit einemmaclass="underline" »Weißt du noch, wie du mich damals mit einem Eunuchen verglichen hast?«

Sie glaubte, er suche nach Bestätigung, und erwiderte: »Niemand kann dich mit einem Eunuchen vergleichen. Nicht nach dem, was du heute nacht geleistet hast.«

»Du hast mich so genannt.«

»Dabei jedoch nicht dein Wissen um die Liebeskunst bemängelt.«

»Ich wollte auch keineswegs über meine diesbezüglichen Kenntnisse reden. Indem du mich als Eunuchen bezeichnetest, meintest du, daß, gleichgültig wie oft ich auf dem Schlachtfeld siege, man sich meiner nicht länger erinnern wird als jenes Fettsacks, den du Ratgeber nennst.«

Sie spürte, wie die abfällige Bemerkung über Mardian sie verärgerte. Um es ihm zu vergelten, antwortete sie: »Richtig, das habe ich wohl gemeint.«

»Nun, du hast recht gehabt.«

Das plötzliche Eingeständnis verwirrte Kleopatra ein wenig. Sie strich mit der Hand über seine glatte, haarlose Brust. »Julius.«

Er setzte sich auf und schien mit einemmal aufgebracht. »Ich bin vierundfünfzig Jahre alt. Ich habe Rom zu wahrer Größe verholfen, zu einem Reich, wie es nie dagewesen ist seit der Zeit Alexanders. Doch wie steht es mit meiner Zukunft? Soll ich den Rest meines Lebens damit verbringen zu entscheiden, wer Konsul wird und wer Prätor? Ämter verteilen an die, die mir lieb sind oder sich am tiefsten vor mir verneigen? Ist es Caesars würdig, so seine Tage zu beenden?«

»Dann ändere deine Geschichte, Julius. Nimm, was dir gebührt.«

Er wandte den Kopf ab. »Du verstehst Rom nicht.«

Dieser Mann. Wie sollte sie aus ihm klug werden? Oder aus den widersprüchlichen Strömungen ihrer eigenen Gefühle? Sie konnte sich keinen Mann vorstellen, für den sie ähnlich empfinden würde. Er war der einzige, von dem sie in ihrem Herzen wußte, daß er ihr ebenbürtig war, sowohl was den Ehrgeiz als auch den Verstand betraf. Kleopatra spürte, wie sie innerlich aufatmete. Dann hatte sie also doch recht gehabt. Er wünschte sich dasselbe wie sie.

»Nein, ich verstehe Rom nicht. Aber ich glaube, ich verstehe dich.«

»Es wird kein leichtes sein.«

»Das ist es nie. Bedenke jedoch, was auf dem Spiel steht. Ist es nicht an der Zeit, daß Rom dir Gleiches mit Gleichem vergilt?«

»Ja«, flüsterte er. »Es ist wohl an der Zeit. Wenn Ägypten eine Königin hat, warum Rom dann nicht auch einen König?«

Kleopatra ließ die Hand zu seinen Lenden gleiten und spürte, wie er hart wurde. »Wenn man dich zum König macht, solltest du dann nicht auch die Freiheit besitzen, dir eine Königin zu suchen?« Ihre Hand schloß sich um die Quelle des zukünftigen Roms. Der König von Ägypten wäre auch der König von Rom. Ost und West würden sich vermählen, und alles, was sie getan hatte, würde gerechtfertigt sein.

»Nichts davon darf an die Ohren deiner Vertrauten dringen«, befahl er mit rauher Stimme. »Rom hat seit fünfhundert Jahren keinen König mehr gehabt, und unter den Römern gibt es Menschen, die die Monarchie ärger fürchten als Gift.«

Sie legte sich zurück und zog ihn auf sich. »Schenk mir noch einen Prinzen«, flüsterte sie.

Noch nie zuvor hatte sie ihn so sehr begehrt. Das wilde Hochgefühl, das sich ihrer bemächtigte, als sie ihn empfing, war weit mehr als der rein körperliche Genuß. Als sie die Augen schloß, sah sie eine lange Reihe von Prinzen vor sich, die in die Zukunft wanderten. Könige einer neuen Welt.

8

Eingehüllt von dichten Dampfschwaden, saß Antonius nackt auf einer Marmorbank. Ich schwitze wie ein nubischer Lastenträger an einem Markttag im Sommer, dachte er. Irgendwo klatschten die Hände eines Masseurs im gleichmäßigen Rhythmus auf den faltigen Leib eines Senators, man hörte die lauten Stimmen der Wurstverkäufer, die ihre Ware im caldarium verkauften, und einen lauten Platscher, als einer der Gäste in das Wasserbecken sprang, während woanders ein junger Schönling, dem man die Haare von den Beinen zupfte, gequält aufschrie.

Antonius schaute hoch und sah, daß Cicero auf ihn zukam, nackt, rosig und schweißglänzend. Sie begrüßten sich. Cicero, der große Redner, dachte Antonius, mit einem Schwanz so klein wie eine Haselnuß. Die Natur kann doch sehr launisch sein. Wenn ich nur wüßte, was er von mir will. Nun, nach dem üblichen Hin und Her wird er sicher irgendwann zur Sache kommen.

Zuerst gab es nur oberflächliches Geplänkel. Offenbar wollte Cicero über Caesars neuen Kalender streiten. Der bisherige beruhte auf den Zyklen des Mondes, so daß das laufende Jahr nur dreihundertfünfundfünfzig Tage hatte. Wenngleich man stetig daran herumgebastelt hatte, war er den Jahreszeiten schließlich nicht mehr gerecht geworden. Im vergangenen November hatte es beispielsweise eine Hitzewelle gegeben, wohingegen das diesjährige Erntefest bereits gefeiert wurde, ehe die Weintrauben und das Getreide reif waren. Caesar hatte sich inzwischen jedoch mit einem von Kleopatras berühmten Mathematikern und Astronomen aus dem Museion in Alexandria beraten, einem gewissen Sosigenes, und einen neuen Kalender eingesetzt, der sich nach der Sonne richtete und das Jahr in dreihundertfünfundsechzig Tage teilte. Damit sie sich diesem Kalender anglichen, hatte Caesar verkündet, daß es in diesem Jahr drei November-Monate gäbe.