Sie fand es nicht weiter überraschend, daß sich die Frau von Marcellus noch nebenbei vergnügte. Den jungen Octavian hatte sie jedoch falsch eingeschätzt. Sie hätte ihn eines solchen Betruges für unfähig gehalten und zudem angenommen, daß ihn sein Geschmack zu jungen Männern führte.
Vielleicht glich der kleine Neffe Caesar doch mehr, als man vermutete.
Am folgenden Tag brach Caesar nach Spanien auf. Er kam im purpurroten Generalsmantel und in voller Rüstung, um sich offiziell von Kleopatra zu verabschieden. Die Leibwache wartete hoch zu Roß und schaute ihnen zu.
»Die Götter mögen dich schützen und behüten und dir eine sichere Heimkehr gewähren«, sagte sie.
Sein Benehmen war steif und förmlich. Er verneigte sich knapp und ging zu seinem Pferd zurück. Sie hatten sich nicht berührt.
Kleopatra sah ihm nach. Aus den Nüstern der Pferde stoben weiße Dampfwolken in die stille Morgenluft. Die Hufe klapperten auf dem Pflaster. Am Straßenrand hatte der Wind Blätter zusammengefegt, auf denen bereits der erste Rauhreif lag. Ihre Zukunft, die Zukunft ihres Sohnes und die Ägyptens begab sich jetzt auf den Weg nach Spanien. Er war ihr Ehemann, wenn auch nicht für alle Welt und dem Namen nach. Sie fragte sich, was wohl geschähe, wenn er nicht mehr zurückkäme.
10
Kleopatra verbrachte ihren ersten Winter in Rom. Es war bitter kalt, eine Kälte, wie sie sie noch nie zuvor erlebt, geschweige denn für möglich gehalten hatte. Eines Morgens, kurz nachdem Caesar nach Spanien aufgebrochen war, wurde sie wach und stellte fest, daß die Gärten und die großen Pinienbäume in Weiß gehüllt waren. Es war das erste Mal, daß sie Schnee sah.
Caesarion war hellauf begeistert und spielte stundenlang im Freien. Antiochos jedoch zitterte in der Kälte, weinte und bekam eine Lungenentzündung. Olympos befürchtete bereits, daß er sterben würde.
Von Caesar trafen regelmäßig Briefe ein, die jedoch förmlich gehalten waren, für den Fall, daß sie abgefangen wurden.
Kleopatras Leben wurde plötzlich von einer starken Sehnsucht nach ihm beherrscht. Wen sonst hatte sie auf der Welt, mit dem sie sich wie mit einem Gleichrangigen unterhalten konnte?
Im Januar verließ Octavian Rom, um Caesar nach Spanien zu folgen. Er hatte den Winter über an einem Fieber gelitten, daher war sein Aufbruch ebenso überraschend wie unbedacht. Später sollte sie erfahren, daß sein Schiff untergegangen war und daß man ihn für tot hielt.
So schritt diese Jahreszeit vorüber - naß, einsam, kalt und bedrückend. Nur wenige Schiffe setzten sich im Winter den gefährlichen Stürmen des Mittelmeers aus. Aus diesem Grund war Kleopatra auch abgeschnitten von dem, was in Alexandria geschah, konnte weder Botschaften versenden noch empfangen und somit keinen Einfluß auf das Leben in ihrem Heimatland nehmen.
Mardian drängte sie, Rom nach den Winterstürmen umgehend zu verlassen, da er neuerliche Unruhen befürchtete, wenn sie Ägypten zu lange den Rücken kehrten. Kleopatra war jedoch voller Zuversicht, daß Caesars Legionen das Ihre taten, um die Ordnung in ihrem Land zu garantieren. Abgesehen davon lag ihre Zukunft nun in Rom. Caesar hielt den Schlüssel zu ihrem Schicksal in der Hand. Wenn sie jetzt nach Alexandria zurückkehrte, wäre sie nicht zur Stelle, wenn in Rom Entscheidungen getroffen würden, die sowohl für Ägypten als auch für die restliche Welt von Bedeutung wären. Wenn man Caesar zum König ausriefe, wäre sie seine Königin, die Mutter seines Sohnes, die Mutter der ganzen Welt. Im Moment konnte man nichts anderes tun als warten.
Der Frühling zog ins Land. Mit ihm kamen gelbe Blumen, die sich am Ufer des Tibers der Sonne entgegendrängten. Die Frühlingsfeste der Lupercalia, Anna Perenna und Liberalia wurden gefeiert, allerdings in gedämpftem Ton. Die ganze Stadt wartete. Jeder schaute nach Spanien, wo sich derzeit die Zukunft entschied.
Eines Tages kündigte Mardian Kleopatra einen Besucher an. Es war der Römer, Marcus Antonius.
Draußen fiel ein kalter Regen, die Tramontana-Winde wehten aus dem Norden in die Stadt. Kleopatra empfing ihn, dick in Pelze eingehüllt. Die geringe Wärme, die den Kohlebecken entströmte, verlor sich rasch im kalten Marmor römischer Häuser. Es war unmöglich, sich irgendwo behaglich zu fühlen.
Antonius trat ein. Er trug die Uniform eines Reiteroffiziers. Ein imposantes Bild, wie er dastand, in roter Tunika und lederner Rüstung, den schweren Mantel über die Schultern geworfen. Er verneigte sich. »Ich habe gute Nachricht für Eure Majestät.«
Kleopatra spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. Caesar! »Ist er in Sicherheit?« fragte sie atemlos.
»Nicht nur das, Majestät. Er hat gesiegt. Dreißigtausend Soldaten des feindlichen Heeres sind bei Munda gefallen, einschließlich des abtrünnigen Generals Labienus und Pompejus' Sohn Gnaeus. Allein Sextus konnte entkommen.«
Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte sich vor Freude im Kreise gedreht. Er hatte wieder einmal gesiegt. Nun stand ihnen nur noch Rom im Weg. Sie gestattete sich jedoch lediglich die Andeutung eines Lächelns.
»Er hat nur eintausend der eigenen Leute verloren«, sagte Antonius.
»Das ist in der Tat eine gute Nachricht«, sagte sie. »Ich danke Euch, daß Ihr sie mir so schnell überbracht habt.«
»Ich dachte mir, daß es Euch freuen würde.«
Kleopatra betrachtete ihn genauer. Nüchtern machte er einen ausgezeichneten Eindruck, die Stärke seines Charakters verdeutlichte sich in der Festigkeit, mit der er sprach. Daneben zierte ihn ein derart jungenhaftes Lächeln, das selbst seine Feinde entwaffnen mußte. Ihr fiel wieder ein, wie sie ihn zum ersten Mal erlebt hatte - bei jener ägyptischen Feier in Caesars Haus. Liebste, wie wäre es mit einem schnellen kleinen Schäferstündchen? Caesar suchte sich wahrlich seltsame Offiziere aus, dachte sie.
»Habt Ihr ihn gesehen?« fragte Kleopatra. »Ist er bei guter Gesundheit?«
»Marcus Brutus und ich kommen gerade aus Gallien zurück«, antwortete er. »Wir haben ihn mit eigenen Augen gesehen. Er hat uns vorgeschickt, damit Rom die Kunde möglichst bald erfährt.«
Kleopatra wandte sich zum Fenster um. Auf dem Dach schmolz das Eis und tropfte aus der Traufe. »Ich glaube, es wird bald Frühling«, sagte sie.
Nachdem Antonius sich verabschiedet hatte, ging sie zu Caesarion, der auf einem Bärenfell vor einem lodernden Kohlenbecken saß. Iras war bei ihm. Er spielte mit einem winzigen Triumphwagen, einem Thron und einer Puppe, die eine Krone trug. Kleopatra sah ihm zu.
Das alles wird dir gehören, mein Sohn, dachte sie. Dir gehört die Zukunft. Du wirst nicht aus Furcht um dein Leben kämpfen müssen, wie ich es tun mußte. Das verspreche ich dir.
Nach der Schlacht von Munda überschlugen sich die Senatsväter, Caesar mit Ehrentiteln zu überhäufen. Er wurde Imperator auf Lebenszeit, ein Titel, der zudem erblich sein würde. Er wurde für die nächsten zehn Jahre zum Konsul, die Tage seiner Triumphe wurden zu Feiertagen erklärt, und im Quirinustempel würde man ihm eine Statue errichten, neben denen der alten römischen Könige, und sie mit einer Inschrift versehen, die lauten würde Dem unbesiegbaren Gott.
Sie gaben ihm alles - außer dem einen Titel, den er ersehnte. Vor diesem letzten, unumstößlichen Schritt schraken sie zurück - dank des Widerstands einer kleinen Gruppe von Gegnern, unter denen sich auch Cicero befand.
Sie weigerten sich, ihn zum König von Rom auszurufen.
Die Bäder des neuen julianischen Forums waren nun fertiggestellt. Sie gehörten zu den Segnungen, die Caesar der Stadt hatte zuteil werden lassen.
Die Fußbodenkacheln wurden unterirdisch beheizt, und aus den Hähnen floß sowohl kaltes als auch warmes Wasser. Man betrachtete die neuen Bäder als Wunder.
Marcus Brutus ging in die Umkleideräume, um seine Kleidung abzulegen, und anschließend in das tepidarium, den Raum, in dem sich das Becken mit dem lauwarmen Wasser befand, das die Badegäste auf das Heißwasser im caldarium vorbereitete. Brutus hatte eine kleine Amphore mit Öl bei sich, ein Handtuch und eine strigilis, um den Schweiß abzuschaben. Er legte sich auf die Marmorbank und ließ sich von einem der Sklaven Öl in Schultern und Rücken massieren.