Anschließend begab er sich zurück ins caldarium, wo er auf Cicero und Gajus Cassius Longinus stieß, die bereits auf ihn warteten. Was für ein Paar, dachte Brutus. Cassius mit dem gedrungenen, behaarten Körper und Cicero daneben, rosig und glatt wie ein Schwein.
Die beiden jüngeren Männer schüttelten sich die Schweißtropfen aus dem Gesicht und setzten sich auf der Marmorbank zurecht. Brutus war sich bewußt, daß er sich in Gesellschaft des ersten Advokaten und Staatsmannes seiner Zeit befand, und er wußte auch, daß sie sich nicht nur im Alter, sondern auch in der Erfahrung unterschieden. Die Frage war, warum er sich diesem aufgeblasenen Windbeutel gegenüber dennoch überlegen fühlte.
»Der arme Marcellus«, sagte Cicero gerade, indem er wie üblich schamlos über andere herzog. »Tertullia läßt sich immer weniger von ihm sagen. Wie ich gehört habe, hat sie ihn zehn Tage lang von dem gemeinsamen Lager verbannt, weil sie jetzt im Isistempel betet und anschließend rein bleiben will.«
»Und wir alle wissen, was das heißt.«
»Sie ist immerhin die Frau eines Senators. Ihr Verhalten ist schändlich.«
»Diese fremden Religionen untergraben das Fundament unserer Republik«, behauptete Cassius.
»Die Schuld daran trägt Caesar. Er unternimmt einfach nichts. Er läßt dieser Ägypterin ihren Willen und fördert eine Brutstätte des Lasters.«
Brutus wirkte nachdenklich. »Andere behaupten, sie sei seine Gefangene.«
»Und wieder andere meinen, es sei eher umgekehrt«, entgegnete Cicero.
Cassius schauderte. »Diese Fremden sind einfach nicht zu verstehen und widerwärtig. Habt Ihr den Kastraten gesehen, der zu ihren Günstlingen zählt? Es ist eine Sache, Sklaven zu halten, eine andere ist jedoch, sie der Männlichkeit zu berauben und dann zum obersten Minister zu ernennen.«
»Wie man mir erzählt hat, badet sie in Milch und trinkt den Wein aus reinen Goldpokalen. Und Caesar besucht sie in aller Öffentlichkeit!«
Da Brutus schwieg, ging Cicero davon aus, daß er mit dem Gesagten übereinstimmte.
»Ich habe außerdem erfahren«, fuhr Cicero leise fort, »daß der große Julius an eine offizielle Verbindung denkt.«
Brutus wurde blaß. »Was? Etwa eine Heirat? Hat der alte Knabe den Verstand völlig verloren?«
»Er möchte eine königliche Dynastie gründen.«
»Das wagt er nicht!« zischte Cassius.
»Nun, er hat es auch gewagt, den großen Pompejus herauszufordern, und er hat sich durchgesetzt. Er hat es gewagt, Britannien zu besetzen, und er hat es gewagt, im Forum einen Triumph über römische Brüder zu feiern. Wer kann schon wissen, was der große Julius nicht noch alles im Schilde führt?«
Brutus fiel es schwer, Caesar etwas in der Art zu unterstellen. Doch je mehr er darüber nachdachte, desto deutlicher zeichnete sich ihm das Bild vor Augen ab. »Es gibt Stimmen, die meinen, er plane für das Frühjahr einen Feldzug gegen die Parther.«
Cassius stieß einen leisen Pfiff aus. »Wenn er den gewinnt, nimmt er in der Geschichte seinen Platz neben Alexander ein.«
Auf Ciceros Miene drückte sich leichter Unwille aus. »Wenn er den gewinnt, wird Rom ihm die Füße küssen, und er kann nach der Krone greifen, die er so sehr begehrt. Die Republik wäre dann gestorben.«
»Seid Ihr Euch dessen sicher?« fragte Brutus.
»Überzeugt Euch doch selbst. Rom ist längst angesteckt von dem ganzen Gerede über Könige und Königinnen. Das ist Kleopatras Werk, mit ihren Duftwässern und Salben und ihren Schönlingen. Alles Böse kommt aus Alexandria. Man muß ihr Einhalt gebieten.«
»Oder Caesar«, entgegnete Cassius.
Danach verstummten sie ob der Ungeheuerlichkeit dieses Gedankens.
11
Kleopatra spähte durch die Vorhänge ihrer Sänfte. Der Tempel war verschwunden, oder besser, er bestand nur noch aus Schuttbergen. Die Göttin selbst lag umgestürzt neben dem Sockel, ihr Gesicht war von Hammerschlägen zerstört.
Eine Frau tauchte aus dem Nebel auf. Sie erschrak, als sie die Sänfte und Kleopatras Wachen erkannte, und machte eiligst wieder kehrt. Mardian befahl den Wachen, sie einzufangen und zurückzubringen. Von ihrer Sänfte aus hörte Kleopatra, wie er die Frau anschließend ausfragte.
»Liebe Frau, wir tun Euch nichts zuleide«, sagte Mardian in fehlerlosem Latein. »Könnt Ihr uns sagen, was hier vorgefallen ist?«
»Warum fragt Ihr?«
»Meine Herrin wollte zu der Großen Mutter beten. Es bekümmert sie sehr, den Tempel zerstört zu sehen.«
»Es geschah auf Befehl des Senators Claudius Marcellus. Er kam mit Helfern und einer von ihm selbst unterzeichneten Anordnung zur Zerstörung des Tempels. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Als die Helfer sich weigerten, seinem Befehl Folge zu leisten, zog er sich die Toga aus und zerschlug die Statue mit eigenen Händen.«
»Wißt Ihr auch den Grund?«
»Wer weiß schon, warum diese Senatshalunken etwas machen? Vermutlich gibt es dabei etwas herauszuholen.«
»Meine Herrin wird über die Maßen betrübt sein«, sagte Mardian.
»Das sind wir alle, die wir die Große Mutter lieben. Warum meint Ihr, haben sie es getan?«
Kleopatra glaubte, die Antwort zu kennen.
Vergib mir, Herrin, betete Kleopatra auf dem Weg zurück durch die belebten Straßen. Sie haben es nicht dir angetan. Es war, um die Furcht und den Haß zu zeigen, die sie mir gegenüber, der Großen Fremden, deiner Inkarnation hier auf Erden, empfinden. Rom hat Angst vor mir. Und mit der Zeit werde ich ihnen Grund dafür geben.
Caesar bedachte Marcus Antonius mit einem bohrenden Blick aus seinen schwarzen Augen. Er war nach dem jüngsten Sieg nicht so schnell wie erwartet nach Rom zurückgekehrt. Die Feiern anläßlich seiner Triumphe hatten ohne ihn stattgefunden. Antonius stellte mit Erleichterung fest, daß die lange Trennung Caesar milder gestimmt hatte. Offenbar hatte er ihm endlich verziehen, daß er die Schuld für das Haus des Pompejus nicht beglich. Antonius selbst hätte eine Freundschaft ohnehin nie wegen etwas so Unerheblichem wie einer Geldangelegenheit aufs Spiel gesetzt. Doch bei dem alten Knaben wußte man nie - er war immer wegen irgend etwas beleidigt.
»Nun, wie sind die Dinge in Rom gelaufen, während ich in der Fremde war?« erkundigte sich Caesar.
»Eigentlich wie immer. Im Senat herrscht das übliche Hin und Her über Fragen des Rechts. Es gibt Senatoren, die hoffen, daß du jetzt nach Beendigung der Bürgerkriege die Republik wiederherstellst.«
»... und drücken ihre Verbundenheit der Demokratie gegenüber dadurch aus, daß sie mir den Titel eines Imperators auf Lebenszeit verleihen? Es ist doch wirklich nur ein Haufen alter Weiber!«
»Trotzdem wäre ich an deiner Stelle vorsichtig. Es sind auch noch ein paar gefährliche Männer dabei.«
»Nein, Marcus, ich bin gefährlich. Sie sind nur schnatternde Gänse, die auch vereint keine Erektion mehr auf die Beine bringen, geschweige denn eine ganze Armee. Ich habe die Feinde besiegt und Rom ein Imperium geschaffen, und nun soll ich ihnen die alte Autokratie zurückgeben, ohne daß sie den Finger krumm machen. Sie wollen die Früchte genießen, aber nicht auf die Bäume klettern.«
»Ich rate dir nur, gewisse Bestrebungen im Auge zu behalten. Einige von diesen alten Gänsen besitzen immerhin noch einiges an Macht.«
»Die Macht steckt im Schwert.«
»Was nicht jeder glaubt.«
»Weil noch nicht jeder die Klinge meines Schwertes gespürt hat.«
Heiliger Jupiter, dachte Antonius. Munda ist ihm schnell zu Kopf gestiegen. Auf diese Art habe ich ihn ja noch nie reden hören. Wird er nicht eher zufrieden sein, bis er uns alle getötet hat? »Ich rate dir nur zur Vorsicht«, beharrte er. »Viele liebäugeln nun einmal mit der Vorstellung der Republik.«