»Ich demütige dich nicht. Wir wollen beide dasselbe, Kätzchen.«
»Wie kann ich mir da sicher sein?«
Er holte tief Luft. »Ich werde es dir beweisen. Morgen.«
Das Forum Romanum. Ein Monument römischer Glorie stand neben dem anderen. Selbst die Römer fanden es inzwischen übertrieben. Die Statuen, Tempel und Paläste waren so dicht gedrängt, daß der groß angelegte Platz des ursprünglichen Plans längst von Marmorkolonnaden und Eingangsportalen verschluckt wurde.
Für Caesar war es jedoch ein großes Ereignis gewesen, der Stadt ein weiteres Forum zu schenken, das Forum Julium genannt wurde. Er wollte es selbst bezahlen, eine verschwenderische Geste. Man munkelte, daß es Caesar über eine Million Sesterzen kosten würde, doch es hieß auch, daß man ihn auf diese Weise nie vergessen würde.
Kleopatra verließ ihre Sänfte vor dem großen Eingangsportal des Venustempels. Die Mauern des Julianischen Forums wurden aus Travertin errichtet, die Fassade hingegen mit Porphyr abgesetzt, in fein geädertem Grau und leuchtendem Schneeweiß. Das neue Gestein hatte den Schimmer von Perlen. Eine Reiterstatue schwang sich in die Höhe - Caesar schaute auf seinem Schimmel über den Platz, der seinen Namen trug.
Caesar wartete bereits auf sie. Gemeinsam stiegen sie die Treppenstufen hoch. Sie ließ den Blick in die Höhe wandern. Über ihr ragten riesige Marmorsäulen in den blauen kalten Herbsthimmel hinein. Im Forum war man noch bei der Arbeit, von überall hörte man Hammerschläge oder das Rattern der Fuhrwerke, die neue Steinlieferungen brachten.
Als sie den Tempel betraten, roch Kleopatra den feuchten Mörtel der Maurerarbeiten. Drinnen war es kalt und dunkel, ein gewaltiger Raum aus Stein, in dem ihre Schritte widerhallten. Nachdem sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, konnte sie die Wandgemälde ausmachen, die sich bis zur Decke zogen. Die Farben waren frisch und leuchtend, tiefe Blau- und Grüntöne. Venus, die ein Kind an der Brust nährte, Caesar auf seinem Schimmel, im Hintergrund Schlachtfelder in Gallien und Griechenland.
Als sie sich dem inneren Heiligtum näherten, beobachtete Caesar Kleopatra gespannt. Neben dem Hochaltar erhoben sich drei Statuen. In der Mitte Venus, die Mutter Roms, die mild auf sie herablächelte. Als Caesars Ahnin diente sie als Schutzherrin des Julianischen Hauses. Die Schönheit der Statue war atemberaubend, ein vollkommenes Kunstwerk. Arcesilaus aus Griechenland hatte sie geschaffen, teilte Caesar ihr mit. Arcesilaus! Er galt als der größte unter den lebenden Bildhauern. Wie man sah, verdiente er diesen Ruf zu Recht.
Die zweite Statue, zu Venus' Rechten, stellte Caesar selbst dar, als Triumphator, den Lorbeerkranz auf dem Haupt, der damit seinen Platz in der Reihe der Götter bezog.
Sie wandte sich der dritten Statue zu - und erstarrte.
Kleopatra erkannte ihr eigenes Gesicht, das hoch über einem Sockel schwebte. Die Statue trug das Gewand der Venus, der römischen Isis, und auf den Knien hielt sie Caesarion. Die Botschaft, die den Römern auf diese Weise vermittelt wurde, war eindeutig - und mutig. Caesar stammte von Venus ab und war demnach göttlich. Seine Gefährtin war Kleopatra als Inkarnation der Venus. Caesarion war sein Sohn, als Sproß dieser Eltern bekam auch er eine göttliche Natur.
Kleopatra dachte an die Münze, die sie nach Caesarions Geburt hatte prägen lassen. Nun besaß sie auch die offizielle Anerkennung Caesars.
»Zweifelst du immer noch an mir?«
Was gab es darauf zu antworten? Daß es noch nie einen Mann wie ihn gegeben hatte? Sie lächelte. Es war ein Lächeln der Erleichterung und des Triumphes. Wenn jetzt doch der Flötenspieler hier sein könnte, ging es Kleopatra durch den Kopf. Er hat auf mich gebaut, und ich habe ihn nicht enttäuscht.
13
DER MONAT FEBRUARIUS NACH DEM RÖMISCHEN KALENDER IM JAHRE 44 VOR CHRISTI GEBURT
Rom lag hinter ihm. Die aufragenden insulae und der Gestank der Tiberwerften, die rumpelnden Fuhrwerke, das Gedränge unzähliger Leiber. Er ritt vorbei an den kühn geschwungenen Aquädukten, die die Stadt versorgten, über die Appische Straße, wo Schafherden über die Pflastersteine zogen, durch winterbraune Felder zu dem Haus von Marcus Antonius, das sich inmitten stiller, weißer Gärten befand.
Apollodoros entdeckte die Überreste des Gelages, zerbrochene Amphoren, die im taubenetzten Gras lagen. Er erkannte das Spalier aus Zweigen und Farn, das als Zeichen der Initiation gedient hatte. In den Tempelruinen hatte der Schnee Pfützen auf den Marmorböden gebildet. Im Inneren sah er die Statue einer Venus, die umgestürzt neben dem Sockel lag. Von irgendwo aus den Wäldern drang der einsame Schrei einer Krähe an sein Ohr. Hier und da fanden sich Kleidungsstücke, Fetzen einer Tunika neben den Ascheresten eines Feuers. Er wollte bereits umkehren, doch der Bussard, der hoch über den Pappeln seine Kreise zog, führte ihn weiter. Und so fand er sie, neben einem Bach hinter den Ruinen, nackt und auf dem Rücken liegend. Blut war ihr aus Nase und Mund geronnen. Ihr Körper war kalt wie Alabaster, blaß und schön auch im Tod.
Er erkannte sie wieder. Eine der Mänaden, die mit dem dionysischen Gefolge zu Antonius' Orgie gekommen war. Einfach nur eins der Mädchen.
Apollodoros schlug hastig den Rückweg ein. Er berührte das Amulett an seinem Hals, das den bösen Blick abwehrte. Etwas Furchtbares lauerte in diesem klaren, kalten Morgen. Ein Schatten huschte über die blasse Sonne. Der Geruch der Erde, der Gestank der Fäulnis grub sich in ihm ein.
Caesar, so hatte es den Anschein, wollte die ganze Welt mit seinen Händen formen. Seine Krankheit hatte ihn abermals heimgesucht, er wirkte abgezehrt und erschöpft, doch die Zeichen seiner Sterblichkeit schienen ihn nur noch zu härterer Arbeit anzutreiben.
Täglich entwickelte er neue Pläne, wollte eine neue Straße über den Apennin bauen, einen Hafen in Ostia errichten, Siedler nach Karthago entsenden, den Isthmus von Korinth durchstoßen, die Angelegenheiten Syriens regeln, eine neue Bibliothek für das Capitol in Auftrag geben. Er peitschte ein Gesetz durch den Senat, das jedermann, außer den Bauhandwerkern, in der Zeit zwischen Morgen- und Abenddämmerung die Zufahrt in die Stadt verbot, um so die verstopften Straßen aufzulösen.
Der Senat überhäufte ihn mit Titeln - bis auf den einen natürlich. Sie ernannten ihn zum Pater Patriae, zum Vater des Vaterlandes. Er erhielt einen goldenen Sessel im Senat, der jedoch nicht als Thron gelten durfte. Man stellte seine Statue im Capitol neben den sieben alten Königen Roms auf und erklärte seine Person als unantastbar. Jeder Senator hatte zu schwören, daß er ihn mit seinem Leben schützen würde.
Letzteres hätte komisch wirken können, wenn Caesar es nicht ernst genommen hätte. Der Mann, der zuvor keinen Schritt ohne seine vierundzwanzig Liktoren und eine Zenturie handverlesener Soldaten unternommen hatte, der Mann, über den Cicero einst geklagt hatte, daß er einen Besuch in eine militärische Operation verwandelte, derselbe Mann entließ nun seine Spanische Leibgarde und bewegte sich unbewaffnet zwischen dem Forum und seinem Haus, lediglich begleitet von einer Handvoll Sklaven und einigen wenigen Beamten.
Vielleicht wollten die Senatsväter ihn beschwichtigen mit den Ehren, die sie ihm bezeugten, doch sie zeitigten das Gegenteil. Sie bestärkten Caesar in seiner Maßlosigkeit. Der Kritik wohlhabender, einflußreicher Kreise, deren Macht er beschneiden wollte, ließ er freien Lauf, ohne ihr entgegenzutreten. Er erhöhte die Anzahl der Senatoren um die Hälfte, um dergestalt neue Machtverhältnisse zu schaffen, wobei erschwerend hinzukam, daß etliche der frischgebackenen Senatoren Gallier waren, Ausländer in langen Hosen anstelle der toga virilis. Für die boni, die braven Senatsbürger, die dem Überkommenen verhaftet waren, bedeutete dies das Ende der Welt. Caesar ging eindeutig zu weit.