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Kleopatra bedachte Marcus Antonius mit einem niederschmetternden Blick, und er hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. »Wenn Ihr meinen Verstand beleidigt, gehe ich wieder.«

Er wandte den Blick nicht von ihr ab. Ihre Augen, geschminkt mit dicken Malachitstrichen, schienen ihn zu durchdringen. Ein aufregendes Wesen, mit einer betörenden Mischung aus levantinischem und makedonischem Blut. Ihre Mutter sei Syrerin gewesen, hatte man ihm erzählt. Als er ihren langen, schön geschwungenen Hals betrachtete, überkam ihn die Lust, hineinzubeißen. Das war der Grund, weshalb man Frauen aus der Politik verbannte. Sie machten es einem zu schwer, sich auf das Nächstliegende zu konzentrieren.

»Der alte Knabe hat seine Entscheidung getroffen«, sagte er. »Und wer bin ich, daß ich einen Gott rechten könnte?«

»Wünscht Ihr seinen Tod, Marcus Antonius?«

Solche Gespräche sollte man nicht führen, dachte er, wenn einem der Kopf vom Wein des Vorabends hämmert, wenn sich der Magen noch hebt und sich der Mund so pelzig anfühlt wie ein Kamel. »Ich würde sein Leben mit meinem schützen, Majestät.«

»Und wenn ein anderer seinen Tod wünscht? Wer wäre der mächtigste Mann in Rom, wenn Caesar stürbe?« Ihr Lächeln war bitter. Sie kannten beide die Antwort auf diese Frage.

»Ihr verkennt mich«, sagte er. »Ich besitze zwar weder den Verstand eines Marcus Brutus noch die Redegewandtheit eines Cicero, doch wenn ich mein Wort gebe, besitzt es Gültigkeit. Ich habe geschworen, daß ich Caesars Leben mit meinem schütze, und diesen Schwur breche ich nicht.«

In Kleopatras Lächeln lag Schwermut. Sie glaubt mir, dachte Antonius. Und sie tut gut daran, denn es ist mir ernst. »Nicht alle Männer sind derart ehrenhaft«, erwiderte sie.

»Ich habe viele Fehler, wie ihr zweifellos wißt, doch sie sind von geringer Art. Ich trinke zuviel, verliebe mich in jede Frau, spiele und schulde halb Rom ein Vermögen. Aber ich würde nie einen Mann hintergehen.«

Sie studierte ihn, als wäre er ein seltsames Tier, das sie noch nie zuvor gesehen hatte. »Marcus Antonius, wie konntet Ihr in Rom so hoch aufsteigen?«

»Ich bin unwiderstehlich«, sagte er grinsend.

Eine bemerkenswerte Frau, ging es Antonius durch den Kopf, nachdem sie ihn verlassen hatte. Ich möchte mit ihr ins Bett gehen, sehen, was sie da macht. Sie soll ja mit Feuereifer bei der Sache sein, wenn man den Gerüchten Glauben schenkt. Obwohl ich der Meinung bin, daß mehr dahintersteckt als nur die scharfe kleine Zunge und das hübsche Hinterteil. Ihr Verstand ähnelt dem Fulvias, doch ist sie ohne deren bissige Verachtung für die Lage eines Mannes. Ich mag ihren Mut.

Außerdem denkt sie wie ein Mann. Was mehr ist, als man von unserem Senat behaupten kann.

Caesar könnte recht haben. Sie wäre eine recht passable Königin. Doch dazu wird es nie kommen. Nicht in Rom.

Auch im Winter unternahmen sie lange Spaziergänge in den Gärten. Es war ein einfaches Vergnügen, das beiden Freude machte.

Die Kälte war beißend. Die Zweige entlang der dunklen Zypressenallee hingen tief unter der Last des Schnees, die Brunnen waren vereist. Ein marmorner Athlet stand vorgebeugt, um seinen Diskus über die nackten braunen Hecken zu werfen, der kalte Leib war mit Reif überzogen. Die Statue eines geflügelten Merkurs sah aus, als hätte ein böser Eisgott sie erstarren lassen.

Selbst Caesar hatte sich in einen dicken Pelzmantel gehüllt. Der graue Himmel und der weiße Garten verliehen seinem Gesicht eine besondere Blässe.

»Du siehst müde aus«, sagte sie.

»Wahrscheinlich bin ich das auch. Es ist nicht leicht, Rom zu regieren.«

»Weil es auf diese Weise unregierbar ist.«

»Da könntest du recht haben.«

»Ich würde ein neues Rom errichten.«

Die Vorstellung schien ihn zu erheitern. »Und wie würdest du dieses neue Rom gestalten, Kätzchen?« Sein Ton war neckend.

»Vielleicht werden dir meine Ideen nicht gefallen.« »Selbst wenn sie mir nicht gefallen, sind sie in der Regel unterhaltsam.«

»Nun, als erstes würde ich dich zum König machen.«

»Natürlich. Und du würdest meine Gemahlin.«

»Königin von Rom. Richtig. Danach würde ich diese lächerlichen Greise aus dem Senat auf ihr Altenteil schicken, wo sie in Ruhe vor sich hinsabbern und vertrotteln könnten.«

»Aha.«

»Statt dessen würden unsere Erlasse von Verwaltern und Beamten durchgesetzt, so wie bei uns in Alexandria.«

»Du möchtest, daß das Reich von deinen verweichlichten Griechen geführt wird?«

Sie überhörte seinen Spott. »Der König und die Königin würden das Reich führen. Der Hof gehorcht nur ihren Befehlen. Jedenfalls wären mir meine verweichlichten Griechen, wie du sie nennst, lieber als deine schnöden Großgrundbesitzer, die nur das tun, was ihnen zur Bereicherung dient. Haben sie eigentlich jemals etwas bewirkt, was Rom dienlich war?«

»Du hast gerade einige der ehrwürdigsten Familien dieser Stadt beleidigt«, sagte er mit gespielter Entrüstung. »Aber leider hast du recht«, setzte er hinzu.

»Natürlich habe ich recht. Du hast beispielsweise unzählige Legionäre, denen man für ihre Dienste Landschenkungen versprochen hat. So ist es doch, oder?«

Er nickte widerstrebend.

»Das alleinige Anliegen der guten Senatsbürger ist es aber, ihnen dieses Land vorzuenthalten und statt dessen lieber das eigene Landgut zu erweitern. Letztendlich bedeutet das, daß der Senat gegen die Legionäre kämpft.«

»Ich bin zu demselben Schluß gekommen.«

»Diese großartige Republik hat für das Land bisher nichts weiter ausgerichtet, als Anlaß für die nächsten Bürgerkriege zu schaffen. Wenn du nichts unternimmst, werden die Mauern Roms von innen gestürzt.«

Er lächelte bedrückt. »Cicero träfe der Schlag, wenn er uns so reden hörte.« Er hielt den Blick auf den Boden gerichtet. Ein einziger Krokus hatte die Frostdecke mit seinem grünen Schößling durchbrochen.

»Ich hätte noch einen zweiten Vorschlag.«

»Ich höre dir zu, Kätzchen.«

»Ich würde Rom nicht von Rom aus regieren.«

Er zog die Augenbrauen in die Höhe. Er wirkte belustigt, verärgert und interessiert.

»Es liegt zu weit vom Meer entfernt, was den Handel betrifft. Die Straßen sind eng, schmutzig und schnell voller Hochwasser. Die Stadt ist überfüllt, heruntergekommen und anfällig für Seuchen. Außerdem stinkt der Fluß.«

»Und wo wäre deiner Meinung nach die Hauptstadt Roms, wenn nicht in Rom?«

»In Alexandria.«

Er legte den Kopf in den Nacken und lachte lauthals auf. Welch eine Ungeheuerlichkeit!

»Alexandria sieht wenigstens aus wie eine Hauptstadt. Es hat Paläste und breite Straßen. Und, falls es dir noch nicht aufgefallen ist, es befindet sich im Herzen des Römischen Reiches, wohingegen Rom nur am Rande liegt. Es ist zudem näher an Tarsos, Ephesos, Antiochia und den wichtigsten Handelsstraßen nach Indien und Arabien. Nur ein Bauer vom Land würde dein Rom für eine Hauptstadt halten.«

»Rom hat Tradition.«

»Pah! Ihr wißt doch gar nicht, was das ist. Euer Land ist ja kaum siebenhundert Jahre alt. Ägypten dagegen zählt die Geschichte in Tausenden von Jahren.«

Er blieb stehen. Ihn fröstelte selbst in dem dicken Mantel. »Ich kann dir nicht widersprechen, Kätzchen, denn all das habe ich selbst bereits bedacht.«

»Rom braucht einen König, Julius. Es braucht dich.« Nicht, daß mich Rom etwas scherte, dachte sie. Selbst wenn es niederbrennen und jeden seiner Bürger zu Asche verwandeln würde, wäre es mir gleich. Doch darum geht es nicht.

»Wir werden sehen, was wir tun können«, sagte er.

»Wann?«

»Das ist kein Wagenrennen, Kätzchen. Es ist wie in einem Krieg. Geduld und Strategie zählen mehr als Geschwindigkeit. Wir trachten danach, die mächtigsten Männer Roms zu entmachten. Das ist kein leichtes Unterfangen.«