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Erst als es aussah, als ob das Mädchen erschöpft zusammenbräche, ließ Antonius von ihr ab, und sie konnte entkommen. Die Männer protestierten lautstark, doch sie war in Sicherheit, und es galt, nach einem neuen Opfer Ausschau zu halten.

Doch dann geschah etwas, das der Pöbel nicht erwartet hatte, etwas, das nichts zu tun hatte mit dunklen Begierden und uralten Riten.

Kleopatra wußte nicht, ob Antonius die Krone bereits in der Hand gehabt hatte, als er in das Forum kam, oder man sie ihm auf ein verabredetes Zeichen hin übergeben hatte. Plötzlich sprang er jedoch auf die Rostra und schwang das glänzende königliche Diadem. Man hörte, wie die Menge die Luft anhielt. Antonius trat vor Caesar. Auf dem Platz herrschte Grabesstille.

»Bei Jupiter«, hörte Kleopatra Brutus hinter sich murmeln. »Was hat dieser Narr nun wieder ausgeheckt?« Antonius hatte sich auf ein Knie vor Caesar niedergelassen und reichte das Diadem zu ihm empor. »Caesar«, rief er so laut, daß Kleopatra es bis zu ihrem Platz auf den Tempelstufen hören konnte, »ich überreiche Euch dieses Diadem im Namen des römischen Volkes. Ihr sollt die Krone tragen und Eures Volkes König sein!«

Unter den Senatoren wurden Äußerungen der Entrüstung laut. Die Menge war wie versteinert. Jeder wartete auf Caesars Reaktion. Mit einemmal wurden einzelne Stimmen laut, die riefen, er solle die Krone nehmen. Vielleicht waren sie aber auch von Caesar oder Antonius bezahlt worden, denn alle anderen blieben stumm.

Caesar Lippen kräuselten sich vor Wut und Enttäuschung. Kleopatra wußte, worauf er gehofft hatte. Er hatte gewollt, daß das Volk in einen Beifallssturm ausbrach, denn danach hätte er sagen können, daß er die Krone habe nehmen müssen, weil das Volk ihn dazu gezwungen hätte.

Statt dessen streckte er die Hand aus... und schob das Diadem beiseite.

Antonius wirkte überrascht. »Caesar, dies ist Eure Krone!« rief er erneut. »Das Volk wünscht Euch zum König.«

Caesar ließ den Blick über die Menge schweifen. Eisiges Schweigen. Das Volk hatte entschieden.

Nimm sie, dachte Kleopatra. Nimm sie, und mach der Sache ein Ende. Die Krone steht dir zu. Wer wagt es denn, dir Einhalt zu gebieten?

Dennoch wußte sie, daß sein Instinkt richtig war. Er konnte vielleicht ohne die Unterstützung des Senats vorgehen, auch ohne den Auftrag des Volkes, aber er konnte sich nicht beiden zugleich widersetzen.

Oder handelte es sich wieder um eine seiner Finten? Wollte er die Senatsväter womöglich nur in Sicherheit wiegen und sie glauben machen, daß er den Thron nicht anstrebte, um sie nachher hinterrücks zu überfallen? War es nur eine Taktik, eines seiner Manöver? Kleopatra wußte, daß er ihr darauf nie eine Antwort geben würde.

Antonius hielt Caesar das Diadem ein drittes Mal hin, doch Caesar hatte seinen Entschluß gefaßt. Er erhob sich und stieß die Krone fort. »Jupiter ist der König Roms«, verkündete er. »Nehmt die Krone und setzt sie auf sein Haupt in seinem Tempel.«

Die Menge brach in tosenden Beifall aus. Als Antonius sich mit dem Diadem in der Hand an allen vorbei zum Jupitertempel drängte, war es Kleopatra, als habe man ihr das Herz aus dem Leib gerissen. Julius hatte befunden, daß die Zeit noch nicht reif war. Die Gelegenheit war vertan. Einen Moment lang hatte die Zukunft Ägyptens in der Waagschale geschwebt, doch dann hatte das Schicksal sich gegen sie entschieden.

Als Kleopatra sich erhob, merkte sie, daß sie zitterte. Da Caesar sie nicht zu sich bat, bestieg sie ihre Sänfte und ließ sich nach Hause tragen. Sie versuchte sich einzureden, daß sie zu ungeduldig sei und daß Caesars Entscheidung richtig gewesen war. Hatte er zuletzt nicht auch Pothinos besiegt? Und würde er nicht schließlich auch hier triumphieren?

16

Ein wunderschönes Haus, doch es mangelte tatsächlich an Einrichtung. Ihre Majestät hatte recht gehabt. Es sah leer aus. Er mußte mit der Spielerei aufhören.

Ein kalter Luftzug ließ die Türen erzittern und die Lampenlichter aufflackern. In den Zimmerecken waren Kohlebecken aufgestellt worden, doch sie machten die Kälte lediglich etwas erträglich. Brutus und Cassius hatten sich auf den Ruhebänken ausgestreckt und wärmten sich mit ein paar Schlucken heißen Würzweins.

»Wie es scheint, plant Caesar schon wieder die nächste Heldentat. Er macht jetzt ernst mit Parthien«, begann Brutus.

»Er bezeichnet es als den krönenden Abschluß seines Lebens«, spöttelte Cassius.

Brutus sah Antonius an. »Ich frage mich nur, was in der Zeit aus Rom werden soll.«

Antonius tat, als wisse er nichts von dem Gerede, das in den Bädern kursierte. »Was meinst du damit?«

»Nun, Caesar besitzt immerhin die absolute Macht. Er ist Diktator des Volkes, Imperator der Armee und Pontifex Maximus der Priester. Alles geschieht nur auf sein Geheiß. Ohne ihn ist Rom hilflos. Will er diese Macht etwa abgeben, ehe er die Stadt verläßt?«

»Er hat mir gegenüber nichts in der Art verlauten lassen.«

»Vielleicht wird er dir die Geschäfte übertragen.«

»Vielleicht. Doch wenn Caesar nach Parthien zieht, würde ich eigentlich gern mit ihm ziehen.«

»Er wird zwei oder gar drei Jahre fort sein. Was soll in der Zeit aus Rom werden?«

Worauf wollen die beiden hinaus? fragte sich Antonius. Wenn mich nicht alles täuscht, verfolgen sie ganz bestimmte Absichten. Doch Caesar verraten können sie nicht. Cassius verdankt ihm sein Leben, und wenn man den Gerüchten Glauben schenkt, ist Brutus sogar sein Sohn. Außerdem hat er ihnen, obwohl sie seine Feinde waren, zu hohen Ämtern verholfen.

Dennoch mißtraute Antonius ihnen. Männer, die ihr Leben mit Denken zubrachten, konnten sich alles mögliche einreden. Wenn man ihm die Wahl ließe zwischen Geist oder Ehrgefühl, würde er sich für letzteres entscheiden.

Ein Diener trat ein, um die Öllampen nachzufüllen. Cassius und Brutus verstummten. Überall in Rom lauerten Spitzel. Selbst den Dienstboten war nicht zu trauen.

Nachdem der Mann wieder verschwunden war, begann Antonius erneut: »Was soll's? Ihr wißt ja, wie der alte Knabe ist. Er macht letztendlich doch, was er will.«

»Und gerade das lieben wir so an ihm«, ergänzte Cassius.

»Doch wir liebten ihn noch mehr, wenn er sich nicht wie der König von Rom aufführen würde«, setzte Brutus hinzu.

»Wie meinst du das?«

»Wenn er sich noch mehr Denkmäler setzt, werden die Wagen bald nicht mehr durch die Stadt kommen. Außerdem sollte ihm vielleicht jemand sagen, daß man das Triumphgewand auch einmal ablegen kann, und sei es nur, um es waschen zu lassen.«

»Er hat sich die Ehren, die er besitzt, reichlich verdient.«

»Das Gerede über sein Königtum beunruhigt dich demnach nicht, Marcus Antonius?«

»Nein, tut es nicht«, erwiderte Antonius. »Diktator oder König, wo ist da schon der Unterschied? Caesar ist Caesar. Mir ist es lieber, wenn er Rom regiert als die Schar alter Weiber aus dem Senat.«

Cassius antwortete mit einem frostigen Lächeln. Brutus schwieg. Antonius schenkte sich erneut Wein nach, und das Gespräch wandte sich anderen Themen zu.

Sie lagen beieinander und schauten durch die Fenster zu, wie die Nebel durch die Pinien zogen und der Mond das erste blasse Licht verstrahlte.

»Du bist also entschlossen? Du ziehst gegen Parthien?«

»Parthien ist mein Schicksal.«

»Ich flehe dich an, noch einmal darüber nachzudenken. Parthien ist nicht wie Afrika oder Gallien. Es liegt zu weit von Rom entfernt. Der Weg führt ins Verderben.«