»Der Weg führt zu den verlorenen Standarten des Crassus. Ich hole sie mir zurück, ebenso wie die gefangenen Legionäre. Die Schande wird getilgt!« Crassus war einer von Pompejus'
Kampfgefährten gewesen, der den Krieg gegen Parthien geführt hatte. Kleopatra war damals sechzehn Jahre alt gewesen. Er war in Charran in Medien getötet worden. Seine Soldaten waren gefallen oder in Gefangenschaft geraten.
»Und wenn du dabei umkommst?«
»Dann werde ich nicht so groß wie Alexander sein, denn er hat den Krieg geführt und ist dabei nicht umgekommen.«
Was sollte das alles? Mußte er sich denn immer noch mehr beweisen? »Ich verstehe dich nicht.«
»Parthien können wir beide regieren«, sagte er. Seine Augen leuchteten, als hätte er eine Vision. »Rom ist zu weit entfernt davon, als daß es sich einmischen könnte. Es wird mein Legat für unseren Sohn. Laut Gesetz erbt er nichts von dem, was mir in Rom gehört. Doch ich kann ihm ein eigenes Imperium schaffen... «
Er hielt jäh inne und preßte die Hände an die Schläfen. »Was ist mit dir?« fragte sie besorgt und fürchtete bereits, daß die Götter erneut bei ihm Einzug halten würden.
»Diese Kopfschmerzen«, sagte er. Er war kalkweiß geworden. Sein Gesicht wirkte eingefallen.
»Caesarion kann alles erben«, flüsterte sie, »ohne daß Caesar nach Parthien zieht.«
»Du hast die Menschen an den Lupercalien erlebt. Ich fürchte, es wird nicht möglich sein.«
Kleopatra spürte, wie der Zorn in ihr aufwallte. Wieviel länger sollten sie noch warten? Die Römer wurden zu Helden, wenn sie in die Fremde zogen, doch wenn sie zurückkehrten, verwandelten sie sich zu Kindern, die die Schelte der Mutter fürchteten.
»Ich kann nicht König sein«, sprach er weiter. »Doch ich kann Könige ernennen.«
»Du bist bereits König, es fehlt allein der Name. Du hast selbst gesagt, daß die Republik tot ist. Sie ist unnatürlich. Menschen wollen geführt werden, und dazu sind Könige da. Du hast keine Krone geerbt, doch du wurdest als König geboren.«
»Parthien gibt uns, was wir wünschen.«
»Ich habe bereits, was ich wünsche. Ägypten lebt im Frieden, ist unabhängig und stark. Ich brauche kein Parthien.«
»Aber du brauchst mich.«
Es war hoffnungslos. Warum konnte er es nicht einsehen? »Ich biete dir Stützpunkte, an denen du deine Truppen sammeln und dich ausruhen kannst. Mehr jedoch nicht.«
»Das reicht nicht. Ich brauche Vorräte, Ausrüstung und Reiterei.«
»Ich soll dir Männer und Geld geben, damit du deinen Träumen nachjagen kannst? Was ist denn mit meinen Träumen?«
»Ohne Rom - ohne mich - sind das Sklaventräume.« Sie starrte ihn an. Die Wahrheit! Endlich hatte er sie ausgesprochen. Sie war nur sein Werkzeug. Das wollte er ihr damit zu verstehen geben.
Vielleicht hatte er sich von dem Geschwätz im Forum beeinflussen lassen. Mardian hatte ihr erzählt, daß die Menschen glaubten, sie würde ihn beherrschen. Doch sie hatte ihn nirgendwo hingeführt, wo er nicht selbst auch hingewollt hatte.
»Wenn ich die Krone jetzt nähme«, sagte er besänftigend, »und zöge nach Parthien - was würde dann geschehen? Es gibt Mitglieder des Senats, die mir nicht gewogen sind, Männer, deren Einfluß ich nicht unterschätzen darf. In den drei Jahren, in denen ich fort bin, könnte ich die Krone niemals bewahren.«
»Dann ziehe nicht fort.«
»Wenn ich es nicht tue, fehlen mir die Stimmen des Volkes, die ich brauche.«
»Was sollst du denn noch alles tun? Mit oder ohne Parthien -Rom wird sich dir nicht widersetzen.«
»Ich muß Parthien erobern. Ich will nicht, daß Alexander mein Leben überschattet. Ich will so sein wie er!«
Das also ist der Kern des Problems, dachte Kleopatra. Es quält ihn, den Vergleich zu ziehen. Vielleicht zweifelt er selbst an seinem Recht zum Königtum, ehe er nicht in Babylon war.
Sie holte tief Luft. »Wenn du gehen mußt, dann mache mich zu deiner Königin. Laß mich Rom regieren, während du fort bist.«
Er schaute sie fassungslos an. »Eine Fremde als Herrscherin über Rom? Dein Leben wäre verwirkt, sobald ich einen Fuß aus der Stadt gesetzt hätte, selbst wenn ich närrisch genug wäre, deinem Ansinnen nachzugeben.«
»Heirate mich.«
Er setzte sich auf und faßte sich abermals an die Schläfen. Die Knöchel traten weiß hervor.
Er wird den Krieg nicht überleben, dachte Kleopatra. Caesar stirbt, aber nicht auf dem Schlachtfeld. Die Fallkrankheit wird ihn hinwegraffen.
Sie spürte, wie sie mit einemmal die Kraft verließ. Es war zwecklos. Sie hatte ihn ohne Unterlaß angefleht, aber es hatte immer Ausflüchte gegeben. Parthien, Calpurnia, der feindselige Senat. Der große Caesar, so berühmt für die Schnelligkeit und Entschlossenheit seines Handelns, ließ sich von Ängsten lahmen.
»Wenn ich aus Parthien zurückkehre, wird mich ganz Rom als Gott feiern«, sagte er. »Dann können wir tun, was wir wollen, und niemand wird sich uns widersetzen.«
»Laß sie sich doch widersetzen. Schon jetzt kann dir niemand Einhalt gebieten.«
»Du verstehst es einfach nicht. Rom hat seit vierhundert Jahren keinen König mehr.«
Er hatte recht. Sie verstand es nicht. Einen Thron mit einem zweiten zu verbinden, das ergab für sie Sinn. Warum sollte Rom sich gegen etwas wehren, was der übrigen Welt nur natürlich erschien?
»Was ist mit Calpurnia? Warum läßt du dich nicht von ihr scheiden? Soll das auch warten, bis du zurück aus Parthien kommst?«
Er wurde ärgerlich, wie immer, wenn man seine Beschlüsse in Frage stellte, wenn man ihn zu Erklärungen zwang. »Was für einen Unterschied macht das? Ich kann dich nicht heiraten, ehe sich meine Situation in Rom geändert hat.«
»Und wenn sie sich ändert?«
»Dann werde ich Calpurnia verlassen, obwohl es mir nicht leicht sein wird. Calpurnia war über vierzehn Jahre hinweg eine gute und treue Ehefrau, wenngleich ich selten in Rom war, um mich ihr zu widmen. Da sie unfruchtbar ist, wird sie keinen neuen Gefährten finden.«
»Da sie unfruchtbar ist, kannst du dich von ihr scheiden lassen, wann immer du willst.«
»Calpurnia ist eine römische Dame, und du hast kein Recht, mir Vorschriften zu machen.«
Natürlich, trotz ihrer Mängel war Calpurnia immer noch Römerin, wohingegen sie, obgleich sie ihm einen Sohn geschenkt hatte, immer noch eine peregrina, eine Fremde, war.
»Zudem«, sagte er, »gibt es nicht nur in meinem Leben Hindernisse.«
»Du redest von meinem Bruder.«
»Ich kann dich nicht heiraten, solange du verheiratet bist.«
»Es war dein Wunsch.«
»Damals hatte ich meine Gründe. Außerdem ist geschehen, was geschehen ist. Doch wenn es an der Zeit ist, solltest du auch deine Situation überdenken.«
»Er ist noch ein Junge.«
»Aber eines Tages ist er ein Mann. Er hat Anspruch auf deinen Thron. Denk darüber nach, Kätzchen!«
Sie erinnerte sich daran, wie sie seine Entschlossenheit bewundert hatte, als er Ptolemaios in den Tod schickte.
Würde sie sein können wie Caesar, wenn alles auf dem Spiel stand?
17
Apollodoros war noch immer der gleiche. Er schlug die Augen nicht nieder, wie es andere in ihrer Gegenwart taten, sondern musterte sie mit dem gewohnten Blick leichter Belustigung.
Kleopatra hatte ihn zum letzten Mal an jenem Tag gesehen, als er sie in den Lochias-Palast schmuggelte. Er war Zeuge ihrer Furcht gewesen, hatte sie elend erlebt und krank. Sie spürte einen Anflug von Befangenheit, den sie jedoch gleich wieder unterdrückte. Damals hatte Mardian ihn ausgewählt -und auch dieses Mal war es Mardians Idee gewesen, Apollodoros abermals mit einer heiklen Aufgabe zu betrauen.
»Mein treuer Apollodoros«, sagte Kleopatra. »Wie geht es dir?«