»Ich habe getan, was Ihr befahlt. Ich habe die letzten drei Monate in Diensten des Antonius zugebracht.«
»Hat er dich gut behandelt?«
»So gut, wie ein Mann seinen Sklaven nun einmal behandelt. Er hat mich gar nicht wahrgenommen. Ich hingegen kenne ihn gut.«
»Und?«
»Was wünscht Eure Majestät zu wissen?«
»In einem deiner Berichte erwähntest du, daß er sich eines Abends allein mit Cassius und Brutus getroffen hat. Worüber haben sie geredet?«
»Ich konnte kaum etwas verstehen. Sie verstummten, sobald ich den Raum betrat. Es sind vorsichtige Männer. Oder vielleicht sollte ich sie besser furchtsam nennen.«
»Du hast demnach nicht gehört, daß Antonius Schlechtes über Caesar redete?« »Nein. Beim Abschied schienen sie kühl, doch mehr war nicht zu erkennen.«
»Hast du ihn überhaupt jemals über Caesar reden hören?«
»Ja. Im vertrauten Kreis nennt er ihn den alten Knaben, und hin und wieder macht er auch einen Scherz, was Caesar und Euch betrifft - jedoch nur unter Freunden.«
»Welcher Art sind diese Scherze?«
»In der Art, daß er Caesar das exotische Nachtmahl neide, das dieser abends verzehre. Vor den gröberen Spaßen möchte ich Euch verschonen.«
»Sehr feinfühlig von dir, Apollodoros.«
»Verächtlich äußert Antonius sich lediglich über seine Frau, jedoch nicht ohne Grund. Fulvia ist eine Giftnatter, ein Weib, dem die Rute gebührt, wenn Ihr mich fragt. Sie hat mich zweimal geschlagen. Ich mußte mir vor Augen halten, daß ich in Euren Diensten bin, sonst hätte sie es gebüßt.«
»Ich werde es dir vergelten.«
»Das hat Mardian bereits getan.« Er zögerte. »Da wäre jedoch noch etwas anderes.«
»Sprich!«
»Es geschah nach einem seiner Feste auf dem Land. Man hatte ein Ritual nach Art des Bacchus veranstaltet. Eine Schar junger Männer und Frauen waren zusammengekommen, und es sind Dinge geschehen, die ich vor Euch nicht wiederholen mag. Der Wein floß in Strömen, soviel sei gesagt, und schließlich ließ man der Natur freien Lauf.«
»Eine Orgie?«
»Ja, Majestät. Sie führten sich auf wie hitzige Tiere.«
Kleopatra unterdrückte ein Lächeln. Apollodoros versuchte offensichtlich, sie auf versteckte Art herauszufordern. »Es liegt, wie du schon sagtest, wohl tatsächlich in unserer Natur«, erwiderte sie.
»Am folgenden Morgen fand ich eins der Mädchen tot im Wald.«
Sie beugte sich erschrocken vor. »Tot, sagst du?«
»Erwürgt, wie es den Anschein hatte.«
»Glaubst du, daß es Antonius war?«
Apollodoros schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nie gewalttätig erlebt, Majestät, selbst wenn er sinnlos betrunken war, was häufig genug vorkommt. Dennoch möchte ich Euch vor ihm und seinesgleichen warnen. Wenn ein Römer dem Dionysos folgt, führt es in den Wahn. Antonius kann man trauen, doch nicht dem Gott, zu dem er betet.«
Nachdem Apollodoros gegangen war, dachte Kleopatra über seine Worte nach. Antonius war offenbar nicht so einfältig, wie sie geglaubt hatte. Doch konnte man überhaupt Caesars Gefolgsmann werden, wenn man nicht auch eine dunkle, zerstörerische Seite in seiner Seele besaß? Ihr Vater war wie viele Griechen Alexandrias ein Anhänger des Dionysos gewesen. Genaugenommen hatten die Ptolemaier den Gott erst in Ägypten eingeführt und ihn der Bevölkerung nahegebracht, indem sie ihn mit dem ägyptischen Osiris zu einer Gestalt verschmolzen, die sie Serapis nannten.
Für ihren Vater war dieser Gott Zuflucht geworden, die Anbetung eine Form des Vergessens - doch ihr Vater war auch ein schwacher Mensch gewesen. Die Römer hingegen suchten im Rausch die Erhöhung, wähnten sich göttlich im Trunk.
Was war es bei Antonius, das ihn dem Wein zuführte? Krankte auch er an einer Schwäche, trotz seiner Muskeln und dem kriegerischen Mut?
18
Auf dem Weinlaub lag noch der Rauhreif, und auf dem ruhigen Brunnenwasser trieb Eis, doch an den Pfirsich- und Kirschbäumen zeigten sich schon erste zarte Knospen. Die ersten Märztage waren vorüber, und die Truppen, die Caesar nach Parthien begleiten würden, sammelten sich auf dem Marsfeld.
Caesar kam in Mantel und Rüstung. Er war in Begleitung seiner Befehlshaber, Antonius, Decimus und Marcus Lepidus. Sie hatten die Truppen auf dem Marsfeld inspiziert. Caesar war blaß und wirkte müde.
Er stieg von seinem Pferd. Kleopatra erwartete ihn unter dem Eingangsportal, zusammen mit Mardian und weiteren Vertrauten. Sie hatten sich in dicke Pelzmäntel gehüllt, um sich gegen die Kälte zu schützen.
»Ich bin gekommen, um Lebewohl zu sagen«, begann Caesar.
»Wann brichst du auf?«
»In drei Tagen.«
So bald. Nun gab es kein Hoffen mehr.
Seit ihrem letzten Gespräch war ihre Beziehung angespannt. In den vergangenen Wochen hatten sie sich kaum gesehen. Die nächtlichen Besuche waren selten geworden. Caesars Gedanken richteten sich ganz auf den Feldzug gegen Parthien. Kleopatra hatte sich damit abgefunden. Nachdem sie Caesar nicht von seinem Kurs hatte abbringen können, war sie gewappnet und rechnete damit, erneut verraten zu werden. Man wußte schließlich nie, welches Spiel Caesar spielte. Wenn man ihn nicht überzeugen konnte, die Interessen seines einzigen Sohnes zu wahren - wußte man dann, was er tun würde, wenn er aus Parthien zurückkäme?
Wenn er zurückkäme.
»Was wirst du nun tun?« fragte Caesar.
»Ich kehre nach Ägypten zurück, sobald das Wetter es erlaubt.«
Er nickte, schien erleichtert. »Das wäre klug. Hier hast du Feinde.«
»Ich flüchte nicht vor Römern, ich kehre zu meinen Pflichten zurück.« Immer die gleiche Überheblichkeit. Als ob das Geschehen in Rom das Maß aller Dinge sei. »Ich werde Isis um deine sichere Rückkehr bitten.«
Caesar ging nicht darauf ein. Statt dessen murmelte er: »Vielleicht erfüllt sich unser Traum, bevor ich gehe.«
Kleopatra starrte ihn an, wagte kaum zu atmen. Er hatte ihre Hoffnungen so viele Male zerstört. »Was willst du damit sagen?«
Er lächelte matt. »Ehe ich losziehe, wird der Senat das Sibyllinische Orakel erörtern. Ich denke, daß man mich am Ende der Debatte zum König macht.«
War das wieder eines seiner Spiele? Warum hatte er denn nicht früher etwas davon verlauten lassen? »Ist es gewiß?«
Caesar zuckte die Achseln. »Nichts ist gewiß. Marcus Antonius sagte jedoch, daß die nötige Zahl der Senatoren für diesen Plan gewonnen werden konnte. Er hat sie bestochen, und die, die nicht käuflich waren, bedroht.«
»Dann wirst du König von Rom?«
Er wich ihrem Blick aus. »Es könnte einen Kompromiß geben.«
Oh, natürlich. Ihr geliebter Julius. Es gab immer irgendeinen Kuhhandel. »Einen Kompromiß?«
»Ich werde zwar König, doch nicht der von Rom. Statt dessen gewährt man mir die Teile des Reiches, die außerhalb Italiens liegen. Ich könnte eine Königin meiner Wahl heiraten, den Hauptsitz der Monarchie nach Alexandria verlegen, und Caesarion wäre für dieses Reich mein Erbe.«
Einen Moment lang war Kleopatra wie versteinert. »Ohne Rom wird dein Sohn nie sicher sein - nichts wird sich ändern!« begehrte sie schließlich auf.
»Für mich wird sich etwas ändern«, erwiderte er kalt.
»Läßt du dich dann auch von Calpurnia scheiden?«
»Das wird nicht vonnöten sein. Sie bleibt die kinderlose Frau des römischen Diktators. Du wirst meine Königin.«
Kleopatra erkannte die Absicht, die sich dahinter verbarg. Wie immer hatte er sich das Beste herausgepickt. Falls der Senat seinen Wünschen entsprach, würde er die Ehe mit ihr als politischen Schritt rechtfertigen, als geschicktes Taktieren seinerseits. Dagegen würde auch das Volk nichts einzuwenden haben, denn die Einverleibung Ägyptens, samt königlichem Haus und prall gefüllter Schatztruhe, wäre jedem recht. Damit besäße Caesar endlich alles - einschließlich der Liebe seines Volkes. Er hatte sie nicht verraten, sondern nur seine Schachfiguren verstellt.