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»Fühlt Ihr Euch unwohl, Majestät?«

Kleopatra sank auf das Sofa nieder. Die Beine versagten ihr mit einemmal den Dienst.

Sie dachte immer noch, es könne gar nicht sein, daß Caesar wahrhaftig tot sei. Sie hatte ihn für unverletzlich gehalten, trotz der Falten, die sein Gesicht zerfurchten, trotz der Fallsucht, die ihn gezeichnet hatte. Sie glaubte auch jetzt noch, daß er jeden Moment durch die Tür marschiert käme, mit Berichten in der Hand, Befehle erteilend. Sie sah das Gesicht vor sich, das ihr aus schwierigen Zeiten vertraut war, erschöpft und ungeduldig, so als strapaziere die bloße Gegenwart gewöhnlicher Menschen seine Geduld bereits über die Maßen.

Nun, von all diesen Problemen war er jetzt befreit. In einem kurzen Augenblick hatte die Erde angehalten - und danach hatte sich alles verändert.

»Marcus Antonius, ich danke Euch, daß Ihr mir die Nachricht überbracht habt. Ich werde nie vergessen, daß Ihr als Freund erschienen seid.«

Er verneigte sich. »Majestät.«

Dann ging er, und sie saß lange Zeit allein, schaute über die Gärten, beobachtete den Wind, der an den Ästen rüttelte, die Blitze, die sich in die römischen Hügel bohrten. Eine Träne rann ihr über die Wange. Das überraschte sie. Sie hätte nie geglaubt, daß sie einmal um einen Römer weinen würde.

Als Marcus Antonius Caesars Haus betrat, hatte Calpurnia die tragische Kunde bereits vernommen. Einer ihrer Diener war vom Forum aus zu ihr gelaufen, um ihr die Nachricht zu überbringen. Sie war leichenblaß, und ihre Augen waren vom Weinen gerötet.

Marcus Antonius stand vor ihr und trat von einem Fuß auf den anderen. Er wollte es hinter sich bringen. Später war noch genug Zeit, den alten Knaben zu beweinen. Jetzt gab es Wichtigeres zu erledigen.

»Ich habe es ihm gesagt«, wiederholte Calpurnia ein über das andere Mal. »Ich habe ihm gesagt, er soll vorsichtig sein. Es konnte ja nicht anders kommen.«

»Sie haben ihn verraten, Calpurnia.«

»Wie denn auch nicht? Was hat er denn erwartet?« Sie hatte ihre Morgentoilette noch nicht beendet. Es war das erste Mal, daß Marcus Antonius sie ohne Schmuck und Schminke sah.

Das Haar hing ihr wirr um den Kopf - eine alte Frau. »Wahrscheinlich bist du zuerst zu seiner Hure gerannt.«

»Kleopatra wurde benachrichtigt.«

»Und? Gewiß hat sie sich die Augen aus dem Kopf geweint.«

Antonius holte tief Luft. Er hatte Calpurnia nie gemocht und hatte nicht erwartet, daß sie die Nachricht mit Würde trug. Wie es den Anschein hatte, enttäuschte sie ihn nicht.

»Warst du dabei?«

»Glaubst du, ich lebte noch, wenn ich mich zwischen ihn und die Mörder hätte werfen können?«

In ihrem Blick blitzte ein Anflug von Verständnis auf. »Nein, Marcus. Sicherlich nicht. Ich weiß, du hast ihn geliebt - auf deine Art.«

»Wir können morgen um Caesar trauern«, lenkte Antonius ab, da er nicht Zeuge ihrer Gefühle werden wollte. »Heute gilt es, Dinge zu regeln, die Rom vor seinen Mördern bewahrt.«

Calpurnia preßte die Lippen zusammen. »Also gehen wir gleich zum Geschäftlichen über?« fragte sie.

»Die beste Rache ist, Brutus und seine Freunde daran zu hindern, die Früchte ihrer Tat zu ernten.«

Calpurnia nickte stumm. Ihr Schmerz war echt, stellte Antonius verwundert fest. Er hätte nie gedacht, daß sie Caesar geliebt hatte.

»Hast du sein Testament?« fragte er.

Sie schien zu zögern. »Mein Vater hat es von den Vestalinnen bekommen, als er die Nachricht erfuhr.«

»Hast du es geöffnet?«

Sie nickte.

»Ich muß es lesen, Calpurnia.«

Sie verließ das Zimmer und kam wenige Augenblicke später mit zwei Schriftrollen zurück, die sie vor ihm auf den Tisch warf. »Sieh selbst, was er getan hat.«

Zwei Testamente? Antonius setzte sich nieder und entrollte den ersten Bogen. Darauf war Octavian als Haupterbe des Vermögens eingesetzt. Dadurch würde der Junge als Caesars angenommener Sohn gelten und wäre berechtigt, Caesars Namen zu führen.

»Ich hätte ihm einen eigenen Sohn schenken müssen«, murmelte Calpurnia. »Nun bekommt dieser Schwächling alles.«

»Was steht in dem anderen Papier?« fragte Antonius und hielt das zweite Testament hoch.

Calpurnias Gesicht war grau geworden. »Lies!« drängte sie ihn.

Es war zwei Jahre nach dem anderen Schriftstück datiert. Der Inhalt war ungeheuerlich. Danach erbte Octavian zwar immer noch einen Teil des Vermögens, doch der Großteil ging an den Sohn über, den Caesar mit Kleopatra gezeugt hatte. Es gestattete dem Kind, Caesars Namen zu tragen, und beinhaltete die offizielle Anerkennung der Vaterschaft. Die Auswirkungen dieser Verfügung waren schlechthin unvorstellbar.

»Es ist ungesetzlich«, sagte Antonius.

»Unmoralisch wäre wohl das bessere Wort, doch wie soll ich einen Begriff wie Moral mit Caesar in Verbindung bringen?«

»Der alte Knabe muß von Sinnen gewesen sein, als er das niederschrieb.«

»Er erkennt den Bastard an. Vor aller Welt. Nicht allein, daß er durch alle Betten Roms gestiegen ist, nein, diese Sache hier muß er auch noch an die große Glocke hängen, als gäbe es Grund, stolz darauf zu sein.«

Antonius schüttelte den Kopf. Gerade Caesar hätte sehr wohl wissen müssen, daß es gegen das Gesetz verstieß, römisches Vermögen einem Fremden zu vererben. So etwas wurde nicht anerkannt. Doch falls der Inhalt dieses Testaments an die Öffentlichkeit drang, würde es jedem Nachfolger Caesars die Herrschaft erschweren. Caesarion würde wie eine anhaltende Gewitterwolke am Himmel drohen. Der einzige Ausweg für den nächsten Imperator läge darin, den Jungen zu ermorden - und wohl auch dessen Mutter.

»Wir müssen entscheiden, welches dieser beiden Testamente dem Senat vorgelegt wird«, sagte Antonius, obwohl es nur eine Antwort darauf gab.

Calpurnia starrte ihn entgeistert an. Antonius war überrascht, daß ihr dieser Gedanke nicht selbst gekommen war.

»Du meinst - wir könnten eins davon vernichten?«

»Nur dann werden wir ruhig schlafen können, meine Liebe. Abgesehen davon ist nur die erste Fassung gültig. Die andere verstößt gegen das Gesetz. Ihr Einfluß wäre allenfalls politischer Natur.«

Er wandte die Aufmerksamkeit wieder den beiden Dokumenten zu. Seinen lieben Freund, Marcus Antonius, hatte Caesar bei der Abfassung offenbar ganz vergessen. Dieser abgefeimte Gauner und Verräter! Wer weiß, ob ich den Dolch nicht auch gezückt hätte, hätte ich davon gewußt, ging es Antonius durch den Kopf.

Am liebsten hätte er beide Testamente vernichtet, doch für eins mußte er sich entscheiden. Wenn er es sich recht überlegte, zählte Octavian nicht. Er würde das Geld nehmen und es mit seinen holden Knaben durchbringen. Mit Octavian würde er fertig. Vielleicht war das sogar Caesars Absicht gewesen. Dieser elende Schurke und Verbrecher.

Antonius zog eine der Kerzen näher. Kurz darauf lag Caesars Testament als verbranntes Häufchen Asche auf dem Tisch. Antonius fuhr mit der Hand darüber und fegte es auf den Boden. »So - damit wäre Octavian Caesars Erbe. Es wird ihm Freude bereiten.«

»Er wird seine Freude irgendwo reinstecken, wie es seine Art ist.«

Antonius mochte es nicht, wenn Frauen derbe Anspielungen machten, aber Calpurnia war dafür bekannt. Wieso hatte Caesar es nur so lange mit ihr ausgehalten? Ihr politischer Nutzen war längst verbraucht.

»Ich nehme Caesars Testament mit und auch seine anderen Unterlagen.«

»Du willst seine Staatspapiere?«

»Es ist mein Recht und meine Pflicht als der alleinige, rechtmäßig amtierende Konsul.« Antonius hatte zwar keine Ahnung, ob das zutraf, nahm jedoch an, daß Calpurnias Kenntnisse des römischen Rechts nicht ausreichten, um ihm zu widersprechen.

Während Calpurnia den Raum verließ, um Caesars Papiere zu holen, betrachtete Antonius die verkohlten Reste zu seinen Füßen. Was hatte der alte Knabe sich nur dabei gedacht?