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Davon - und von dem anderen Geheimnis.

Sie schleppte sich zu der nächsten Kabine, in der Antiochos auf seinem Bett lag. Eingefallen wie ein Greis, das Gesicht grau. Ein stickiger, enger Raum, in dem sich die Sklaven hilflos aneinanderdrängten. Der Gestank von altem Erbrochenem ließ Kleopatra abermals würgen, der Schweiß trieb ihr aus den Poren und überzog ihre Haut mit einer feuchtkalten Schicht. Der Raum neigte sich seitwärts, und Mardians Arm schoß vor, um sie aufzufangen.

Olympos saß am Bett. Er schaute auf, als er Kleopatra sah.

Sein Gesicht war ernst.

»Hinaus«, befahl Kleopatra mit einem ungeduldigen Wink in die Runde. Die Sklaven huschten fort.

»Wie geht es ihm?« fragte sie leise.

Olympos schüttelte den Kopf und schwieg.

Antiochos murmelte etwas im Schlaf. Er roch nach Verfall. Sie konnte sehen, wie sich die Form seines Schädels unter der Haut abzeichnete.

»Ich muß ihn füttern«, sagte Olympos. »Doch er behält nichts bei sich, sondern spuckt Blut. Ich fürchte, es ist die Lungenfäule. Er ist zu lange in Rom gewesen.«

»Ich will nicht, daß er so leidet«, entgegnete sie. »Wie weit sind wir von Alexandria entfernt?«

»Wir segeln noch zwei Tage.«

Sie legte die Hand auf ihren Bauch. Das ständige Erbrechen hatte etwas in ihrem Leib zerrissen. An diesem Morgen hatte sie geblutet.

»Seid Ihr wohlauf, Majestät?« erkundigte sich Olympos.

Das Kind, dachte sie flehentlich. Bitte, laß mich nicht noch den letzten Teil von ihm verlieren. Laß mir wenigstens sein Kind! Doch vielleicht war es der Wunsch der Göttin, ein Leben zu opfern.

Mit einemmal begann sich der Raum zu drehen. Kleopatra tastete nach der Wand, doch ein neuerliches Senken des Schiffes ließ sie in die Leere greifen. Ein Aufschlag, dann barmherzige Finsternis, die sie mit sich in den tiefen, stillen Abgrund des Vergessens führte.

Auf dem Palatin, in Rom

Fulvia hatte sich in aller Frühe erhoben und die Sklaven aufgescheucht, die sich nun, mit Eimern, Tüchern und Besen bewaffnet, daran machten, die Böden zu säubern. Nach dem Gelage der vergangenen Nacht hatte es im Haus ausgesehen wie in einem Schweinestall. Im Speiseraum lagen Hummerschalen und Schweineschwarten auf dem Boden, und das peristylium war übersät mit zerbrochenen Amphoren. Selbst auf dem Boden des Fischteichs, den die Sklaven hinter vorgehaltener Hand als vomitorium bezeichneten, fand man noch Reste von Scherben.

Der neue Herr über Rom lag rücklings ausgebreitet auf einer der Ruhebänke und schnarchte laut und vernehmlich vor sich hin, ungeachtet des Lärms, der um ihn herum veranstaltet wurde. Fulvia roch Wein, abgestandenen Schweiß und den Duft billiger Frauen. Sie hoffte, daß ihr Mann letztere ausschließlich zum Vergnügen der Gäste eingeladen hatte, denn sollte sie je entdecken, daß er sie in ihrem eigenen Haus betrog, würde sie ihm die Haut bei lebendigem Leib abziehen.

Sie hielt nach der Vase Ausschau, die ihr Vater ihr aus Palmyra mitgebracht hatte. Sie fehlte, ebenso wie die Marmorbüste des Pompejus. Wie es aussah, hatte der Herr Roms sie entweder seinen Gästen geschenkt oder beim Würfelspiel verloren.

»Mach die Augen auf!« schrie sie Antonius an, packte ihn bei den Schultern und zerrte ihn unter größter Anstrengung von seinem Lager. Antonius rollte auf den Fußboden. Fulvia griff nach dem Wasserkrug und goß ihm den Inhalt über den Kopf. Da brüllte er wie ein Stier und setzte sich auf. »Na, hast du dich letzte Nacht gut amüsiert?« Antonius fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Seine Augen waren noch verquollen vom Schlaf und glichen kleinen roten Beeren.

»So führst du dich also auf, während Octavian sich als der neue Herr Roms ausgibt!«

»Fulvia!« Es klang wie ein Fluch.

»Du bist ein Schwein.«

»Die Nacht... ist einfach zu kurz.«

»Hast du die Vase meines Vaters verschenkt?«

Er blinzelte so verdutzt, als hätte sie ihn auf aramäisch oder ägyptisch angesprochen.

»Was ist los?«

»Die Vase, die mir mein Vater geschenkt hat - sie hat ein Vermögen gekostet.«

Er wußte offenbar immer noch nicht, wovon sie redete. Es war zwecklos. Er erinnerte sich nie an etwas, das er während seiner berühmt-berüchtigten Komitien tat.

»Du stinkst. Außerdem solltest du längst auf dem Weg in den Senat sein.«

»Um Ciceros ellenlangen Reden über die öffentliche Moral zuzuhören?« Antonius gab den Versuch auf, aufrecht sitzen zu bleiben, und ließ sich zurück auf den Boden sinken.

»Aber Octavian wird dasein.«

»Dieses Bübchen!«

»Dieses Bübchen hat mittlerweile Caesars Legionen hinter sich.«

»Ich bekomme Kopfschmerzen von deinem Geschwätz.«

Fulvia stubste ihn mit dem Fuß in die Seite. Antonius gab ein Stöhnen von sich und versuchte, ihr auszuweichen.

»Mach, daß du auf die Beine kommst! Begreifst du nicht, was du anrichtest? Caesar ist tot. Du mußt der nächste Caesar werden.«

»Laß mich in Frieden.«

»Steh auf!«

Fulvia traktierte ihn so lange mit den Füßen, bis er sich taumelnd aufrichtete. Dann schickte sie ihn zu seinem tonsore und befahl den Sklaven, ihm eine frische Toga herbeizuschaffen. Sie hätte sich das Purpurgewand selbst umgelegt, wenn sie statt seiner in den Senat gekonnt hätte. Dieser schwerfällige Esel wollte nicht begreifen, daß Octavian eine Bedrohung darstellte. Ob Bübchen oder nicht - Octavian war berechnend. Warum sah Antonius das nicht ein? Jetzt, wo die erste Gefahr vorüber war, hatte er außer seinem Vergnügen wieder einmal nichts im Sinn.

Aber wenn er glaubte, sie würde zusehen, wie der alte Schlendrian wieder Einzug hielt, hatte er sich geirrt. Sie würde ihn schon noch zum Herrn über Rom machen - selbst wenn sie dafür zur Peitsche greifen müßte.

23

Die Öllampen in Kleopatras Gemächern brannten noch, lange nachdem der Mond über der Insel Pharos aufgegangen war. Sie arbeitete bis weit in die Nacht hinein, umgeben von Truhen und Kästen, in denen sich die Papyrusrollen stapelten: kopierte Erlasse, Korrespondenzen, Aufstellungen und Berichte.

Es gab so viel zu tun! Die strategoi hatten die Instandhaltung der Kanäle vernachlässigt, während sie fort war, und nun waren etliche davon versandet. Wenn sie keine Hilfsmaßnahmen ergriff, drohte die Gefahr einer neuerlichen Hungersnot.

Kleopatra legte den Stylus mit einem Seufzer nieder. Sie ließ die Blicke über die vertrauten Gegenstände ihres Gemachs schweifen und hing eine Weile ihren Gedanken nach. Es war gut, daß sie so viele Pflichten hatte, besser, als die Zeit mit Grübeln zu vertun und sich der Trauer anheimzugeben.

Oft wurde sie morgens vom Lärm aus dem Hafen geweckt, den Gesängen der Priester, die aus dem königlichen Tempel zu ihr drangen, den Wellen, die an die Felsen klatschten, dem Rascheln des Windes in den Bäumen. Dann kam es vor, daß sie die Glieder reckte und es genoß, zu Hause zu sein, der dunklen Höhle Roms entronnen.

Doch wenn ihre Hand über die leere Bettseite strich, sickerte das Ausmaß ihres Verlustes in ihr Bewußtsein zurück. Dann wußte sie, daß es keine Umarmungen mehr gab, keine Gespräche, keine Pläne - daß all dies unwiderruflich vorbei war. In solchen Augenblicken hatte sie auch den blutigen Klumpen wieder vor Augen, den sie in der Kabine ausgestoßen hatte -das, was von dem Kind übriggeblieben war -, Caesars zweitem Sohn. Nur die Sorgen waren beständig geblieben, das Bangen um ihre Sicherheit und um Caesarions Zukunft. Wenn sie sich dann genug gegrämt und schließlich die Fruchtlosigkeit ihrer Gedanken erkannt hatte, zwang sie sich aufzustehen, um Ablenkung in ihren Pflichten zu suchen. Nach ihrer Ankunft in Alexandria hatte sie eine Woche im Bett verbracht, geschwächt von dem Blutverlust und elend vor Kummer und Leid. Sie hatte die Nahrung verweigert, bis Olympos ihr warmen Wein und Kräuterelixiere einflößte, mit deren Hilfe sie allmählich wieder zu Kräften kam. Sobald sie die ersten Anzeichen der Genesung verspürt hatte, stürzte sie sich zur Verwunderung aller in die Arbeit. Du bist die Königin von Ägypten, hatte sie sich ermahnt. In der Politik ist für Trauer kein Platz.