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Es war, als habe Mardian ihre Worte nicht vernommen. »Habt Ihr das befohlen, Majestät?«

Sie erschrak und spürte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg.

»Wie kannst du es wagen, mir dergleichen zu unterstellen?«

»Ich kenne Euch von klein auf, Majestät. Ich habe immer gewußt, daß es so kommen würde.« Er schüttelte den Kopf. »Der arme Antiochos. Wäre er in eine andere Familie geboren worden, wäre er für niemanden eine Gefahr gewesen.«

Kleopatra schwieg. Dachte Mardian denn, es wäre ihr leichtgefallen? Sie hatte es für Ägypten getan - und für Caesarion. »Ich hatte keine Wahl«, sagte sie.

»Das weiß ich, Majestät«, entgegnete Mardian bekümmert. Danach machte er kehrt und entfernte sich mit schwerfälligem Schritt.

24

Er wurde in den Palast geführt, durch die übermannshohen Pforten, über Böden aus Onyx und Alabaster, die wie Glasseen schimmerten. Jeder Raum war angefüllt mit erlesenen Kostbarkeiten: ziselierte Metalltische aus Damaskus, Lampenständer aus nubischem Silber, ägyptische Götterstatuen aus Porphyr und Basalt, prächtig geknüpfte Teppiche aus Indien, hohe griechische Vasen, Tische aus Zitronenholz, die von Elefantenzähnen getragen wurden. Nichts davon erinnerte mehr an die Umstände ihrer ersten Begegnung, damals in dem schmutzigen Zelt am Rande der Wüste Sinai, vor dessen Eingang zottige Kamele lagerten.

Nur an ihrer Art hatte sich nichts geändert, stellte er zufrieden fest. Hochmütig wie eh und je. Da es sich um eine inoffizielle Zusammenkunft handelte, hatte Kleopatra auf königliches Gepränge verzichtet. Sie lag auf einer der Ruhebänke und war in eine Schriftrolle vertieft. Als ihr seine Gegenwart gemeldet wurde, schaute sie so ungehalten auf, als habe ein Bettler gewagt, sie zu stören.

Nur der engste Kreis war anwesend, ihre Ratgeber, ihr dioiketes, Mardian und Charmion natürlich, und Diomedes, ihr Schreiber. Der dioiketes maß ihn mit feindseligen Blicken, wahrscheinlich mochte er keine Sizilianer. Diese engstirnigen, kleinlichen Griechen!

Apollodoros ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Er diente Kleopatra zuverlässig und gern. Dank der königlichen Protektion blühten seine Geschäfte, die wiederum eine perfekte Tarnung abgaben für das Netz an Kundschaftern und Spitzeln, das er in Rom und andernorts unterhielt. Abgesehen davon war die Entlohnung mehr als angemessen.

»Apollodoros«, grüßte Kleopatra.

Ihre Blicke trafen sich. Es gab nur wenige Menschen, die sie so zu Gesicht bekamen - ohne die prächtige Robe, ohne Juwelenschmuck, ohne sorgsam frisiertes Haar und bar jeder Schminke. Sie trug einen schlichten chiton, der in der Taille gegürtet war, und hatte glatte Goldreifen an Arm- und Fußgelenken. Das schwarze Haar lag ihr in einem Knoten im Nacken. Dennoch waren ihre Reize unverkennbar, die olivfarbene Haut, die dunklen Augen, die dem Gegenüber bis auf den Grund des Herzens zu sehen schienen, der geschmeidige Körper, der Duft von Lotusöl, der sie umwehte. Verführerisch und unnahbar zugleich.

Versuche gar nicht erst, mich einzuschüchtern, dachte Apollodoros. Ich habe dich wie einen Sack auf der Schulter geschleppt, meine Liebe. Du schuldest mir einiges - vergiß das nie!

»Was gibt es Neues aus Rom?« erkundigte sich Kleopatra.

»Es handelt sich um Geheimberichte, die erst heute eingetroffen sind.«

»Und was steht darin?«

»Was Ihr vorausgesagt habt, Majestät. Die Stadt versinkt im Chaos. Es gibt einen Aufstand nach dem anderen. Der Pöbel tut, was ihm beliebt, die Armee greift nicht ein, da sie selbst in Unordnung ist. Entgegen der allgemeinen Erwartung ist Octavian in Rom geblieben, um nach der Macht zu greifen.

Dagegen wehrt sich Marcus Antonius und bedient sich dabei der Hilfe Ciceros. Im Senat jedoch hetzt Cicero gegen Antonius und redet von der Wiederherstellung der Republik mit Octavian als Imperator.«

»Aber dafür ist Octavian doch noch viel zu jung«, warf der dioiketes ein.

»Bei allem Respekt«, unterbrach ihn Mardian, »das hat Pothinos auch von unserer Königin gesagt, als ihr Vater starb.«

»Und seht, wie es ihm ergangen ist«, warf Apollodoros ein. Kleopatra betrachtete ihn mit regloser Miene. Apollodoros befürchtete bereits, er habe sie beleidigt. Dann breitete sich jedoch ein vergnügtes Lächeln auf ihrem Gesicht aus, und sie sagte: »Den Kopf darf man in einer Krise nicht verlieren, nicht wahr, Apollodoros?«

»So ist es, Majestät.« Er grinste.

»Entschuldige bitte, daß wir dich unterbrochen haben. Fahre fort.«

»Cicero hat Antonius beschuldigt, Staatsgelder veruntreut und Caesars Siegel zur Fälschung von Urkunden benutzt zu haben, die ihm und seinen Freunden Vorteile verschafften.«

»Und? Trifft das zu?«

»Jawohl, Majestät. Antonius macht keinen Hehl daraus. Ihn stört jedoch, daß Cicero es zum Skandal erhebt.«

»Wird es zu einem Krieg kommen?« fragte Mardian.

»Daran besteht kein Zweifel. Antonius kämpft bereits gegen einen der Caesarmörder, Decimus Brutus, der gegenwärtig Statthalter des zisalpinischen Galliens ist. Der Senat hat Octavian beauftragt, Decimus mit Caesars Legionen zu Hilfe zu eilen.«

»Der Senat unterstützt einen Mann, der zu Caesars Mördern gehört?« fragte Kleopatra, die Stimme beinahe erstickt vor Zorn.

Apollodoros zuckte die Achseln. »Es bleibt ihm nichts anderes übrig, wenn er Antonius in die Schranken weisen will. Es ist eine Frage der Politik.«

»Und die Legionen?« wollte Diomedes wissen.

»Octavian wurde von Caesar zum Nachfolger bestimmt, daher sind die Soldaten auf seiner Seite. Er verfügt über die Vierte und die Marslegion, und bei beiden handelt es sich um Veteranen. Darüber hinaus besitzt er eine Legion aus Freiwilligen und eine weitere, die sein Freund Agrippa ihm in Etrurien ausgehoben hat.«

»Ihr wollt damit doch wohl nicht andeuten, daß Marcus Antonius diesen Krieg verlieren wird!« warf der dioiketes ein.

Wieder zuckte Apollodoros die Achseln. Wie sollte er das? Er war kein Militärexperte.

Diomedes schüttelte den Kopf. »Warum unterstützt man denn diesen Octavian?«

»Oh, das ist ganz einfach«, erklärte Kleopatra. »Cicero unterstützt ihn, weil er dessen Legionen benötigt. Zweifellos glaubt er, daß er ihn wieder los wird, sobald Antonius besiegt ist. Er wird sich vorgaukeln, daß er danach seine heißgeliebte Republik zurückerhält.«

»Ob Caesar gewußt hat, was er mit seinem Testament anrichtet?« murmelte Mardian vor sich hin.

Kleopatra rang sich ein dünnes Lächeln ab. »Er tat, was er für richtig hielt.«

»Im engeren Kreis verkündet Cicero, daß er >den Jungen< unter Kontrolle hat«, sagte Apollodoros.

»Er irrt sich«, entgegnete Kleopatra. »Octavian wird nicht nach seiner Pfeife tanzen.«

Die Umstehenden sahen sie fragend an.

»Cicero und die Senatoren sind so mit ihrer eigenen Bedeutsamkeit befaßt, daß ihnen das Nächstliegende entgeht«, fuhr sie fort. »Cicero selbst ist ein alter Mann, um ihn muß Octavian sich nicht mehr lange sorgen. Die Armee greift Octavian nicht an, weil er Caesars Namen trägt, und genau das ist das Problem von Marcus Antonius, der die Caesarmörder strafen will. Wenn Octavian klug ist, oder zumindest kluge Berater hat, wird er die Parteien gegeneinander ausspielen und warten, bis etwas Gras über die Sache gewachsen ist. Danach wird er der Held des Tages sein.«

Ihre Zuhörer brüteten stumm vor sich hin. Wenn die Königin recht behielt, bedeutete das Unheil für Alexandria, denn solange ihr Sohn lebte, gäbe es keinen Frieden im Land. Für Kleopatra bliebe Caesarion Caesars Erbe.

»Und was sollen wir nun tun?« begann der dioiketes nach einer Weile.