»Tun?«
»Soweit ich weiß, befindet sich eine Delegation des Cassius auf dem Weg zu uns. Sie werden uns um Schiffe und Versorgung bitten, um Rom im Kampf gegen Syrien zu unterstützen.«
»Das entspräche seiner Dreistigkeit. Er hat den Vater meines Sohnes ermordet - und nun sucht er bei mir Hilfe?«
»Es könnte ratsam sein, ihm nachzugeben.«
Kleopatra bedachte ihn mit einem so eisigen Blick, daß er die Augen niederschlug.
»Es ist weder ratsam noch ehrenhaft.«
»Aber wenn wir uns weigern und Cassius sich als siegreich erweist...«, murmelte er unter Zusammennahme allen Mutes.
»Wenn er sich als siegreich erweist, mein Lieber, wird es egal sein, ob wir sein Ersuchen nun mißachtet haben oder nicht. Er will uns ohnehin zu Knechten machen - wir können nur wählen, ob wir ihm dabei freiwillig folgen oder nicht. Ich hätte eigentlich gedacht, dies wäre offenkundig. Zu unserer nächsten Zusammenkunft bringt bitte Euer Gehirn wieder mit.«
Die anderen schauten betreten zu Boden. Kein Wunder, daß die Königin sich Feinde macht, dachte Apollodoros, sie spricht aus, was andere nur denken. Vielleicht unterrichtet man eine Königin nicht in den gefälligen Redensarten, mit denen die Menschen sich gemeinhin belügen. Dennoch sollte sie nicht so gnadenlos sein. Der dioiketes ist nur ein Höfling, der nach dem einfachen Vorteil trachtet. Das macht ihn zwangsläufig kurzsichtig und dumm.
»Gibt es sonst noch etwas?« fragte Kleopatra Apollodoros.
»Noch ein paar Einzelheiten. Ihr findet sie in meinem Bericht.«
»Dann danke ich dir abermals für deine Dienste«, antwortete Kleopatra. Danach war er entlassen. Gut, daß ich nicht zu ihren Schreibern und Ministern gehöre, dachte Apollodoros im Hinausgehen. Ich liefe zu häufig Gefahr, ihr eins hinter die Ohren zu geben, wenn sie es nicht anders verdient.
Doch dann wiederum gestand er sich ein, daß er seine Königin genau so haben wollte, wie sie war, und keinen Deut anders.
TEIL III
Wozu verfolgen wir mit Macht in kurzer Lebenszeit so viele Ziele? Wozu in Länder, glühend unter fremder Sonne, wechseln über wir? Wer, der aus der Heimat fortzog, ist auch sich selbst entronnen?
Horaz, Oden XVI
1
DER ÄGYPTISCHE MONAT MECHEIR IM JAHRE 43 VOR CHRISTI GEBURT
Oh, diese Anmaßung der Römer, dachte Kleopatra. Da kommt dieser Mann hereinstolziert, als ob er seine Truppen inspizierte. Nun, mein Bester, noch gehört euch Alexandria nicht.
Sie schaute ihm von ihrem Thron aus entgegen. Die Lederstreifen seiner Rüstung klatschten ihm gegen die Schenkel, während er den Audienzsaal mit seinen Schritten durchmaß. Auf seinem Brustpanzer prangten Szenen eines ruhmreichen römischen Sieges. Seine Nase glich dem Schnabel eines Habichts, die schwarzen Augen glitzerten wie die einer Krähe.
Kleopatra musterte ihn stumm. Sie wartete, bis er anfing, sich unbehaglich zu fühlen. Er wußte, daß ihm das Protokoll das Wort verbot, solange sie ihn nicht zur Kenntnis nahm. Sollte er ruhig noch ein wenig zappeln.
Endlich gab sie das erforderliche Zeichen.
»Ich überbringe Euch die Grüße des Generals Gajus Cassius Longinus, Majestät. Er bittet um die sofortige Bereitstellung der Flotte aus Antiochia.«
Die sofortige Bereitstellung? Was fiel ihm ein, eine solche Sprache zu führen?
»Damit Ihr in Rhodos einfallen könnt?« erkundigte sie sich freundlich. Rhodos war ein vorzüglicher Stützpunkt für einen Angriff auf Ägypten.
»Der Zweck ist ohne Bedeutung.«
Kleopatra stellte sich vor, wie sie diesen aufgeblasenen Ziegenbock öffentlich auspeitschen ließ, und brachte ein Lächeln zustande. Dann wartete sie, bis sie ihren Zorn unter Kontrolle hatte. »Wir wären Euch gern zu Diensten, doch die Umstände erlauben es leider nicht.«
Er wirkte überrascht. »Majestät?«
»Ich weiß nicht, ob Ihr die üblen Gerüche bemerkt habt, als Ihr die Stadt betratet. Wir verbrennen unsere Leichen. In Alexandria wütet die Pest, es ist abscheulich. Die Haut wird schwarz und platzt wie bei überreifen Feigen. Viele meiner Schiffsbauer sind tot, andere sind geflüchtet. Halbfertige Schiffe verrotten in den Werften von Rhakotis, und der Rest meiner Flotte ist nach Zypern gesegelt, wo Euer Herr, wenn ich nicht irre, bereits ohne meine Erlaubnis von ihr Besitz ergriffen hat.«
Die Wahrheit war, daß Serapion, der Statthalter von Zypern, die Schiffe Cassius kampflos überlassen hatte - ein weiterer Verräter. Kleopatra hatte Serapion selbst auf diesen Posten gesetzt. Einen Vorwurf machte sie sich daraus jedoch nicht. In Alexandria war ein Verbündeter nicht mehr als eine Schlange, der man zeitweilig den Rücken zukehrt.
»Mein General hatte gehofft, daß Ihr ihm Treue bekundet.«
»Ich habe ihm Treue bekundet, indem ich ihm die Legionen sandte, die Caesar zu meinem Schutz in Alexandria ließ.«
Er lächelte höhnisch. »Und wir hatten bereits befürchtet, sie wären für Dolabella gedacht. Aber lassen wir das. Sie unterstellten sich freudig dem Imperator Cassius, als sie Syrien erreichten.«
»Es sind römische Soldaten, was schert mich ihr Tun?«
Seine Miene wurde grimmig. Wahrscheinlich hatte er sich an den Höfen von Pontos und Bithynien daran gewöhnt, daß man sich vor ihm krümmte. »Was ist mit Nachschub? Kann der Imperator hier mit Eurer Unterstützung rechnen? Oder mangelt es Ägypten neuerlich auch an Getreide?«
»Freilich. Der Nil hat uns enttäuscht, die Speicher sind leer. Mein Volk hat die Wahl zwischen Hungersnot und Pest. Meint Ihr nicht, daß eher wir um Hilfe bitten sollten?«
»Mein Imperator wird zürnen.«
»Nicht doch, Ihr werdet es ihm ja erklären. Wir würden ihm gern helfen, doch schaut Euch um in der Stadt. Ihr werdet unsere Not erkennen.«
Als er wieder fort war, beugte Kleopatra sich zu Mardian vor und fragte leise: »Hat er es geglaubt?«
»Vielleicht sollten wir ihn in eine der Leichengruben werfen, um ihn zu überzeugen«, flüsterte dieser zurück.
Der dioiketes trat zu ihr. »Majestät«, murmelte er.
Oh, du alte griechische Unke, dachte Kleopatra, du glaubst es natürlich wieder besser zu wissen. »Ja, Bruder?«
»Das war vielleicht ein Fehler.«
Kleopatra stieß innerlich einen Seufzer aus. Dolabella wurde in Laodicea belagert, wohingegen Cassius bereits über vierzehn Legionen besaß, acht weitere waren in Syrien und Bithynien zu ihm übergelaufen. Nach den Worten ihrer Kundschafter war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Laodicea fiel.
Was konnte sie denn anderes tun, als Neutralität vorzutäuschen? Von den Streitparteien, die in Rom um die Macht kämpften, verkörperte lediglich Antonius die Hoffnung, Ägypten vor dem Zugriff der Römer zu retten, und er schien zur Zeit am wenigsten in der Lage zu sein, sich durchzusetzen.
Das alles hatte sie Caesar zu verdanken. Sie konnte sich weder an seinen Mördern rächen, noch konnte sie sich und ihren Sohn vor ihnen schützen. Und dann noch dieser schlaue kleine Neffe. Eine Woche lang hatte Antonius durchgehalten und sich als tapferer Held erwiesen, bis er der Verlockung des Weinkrugs abermals erlegen war.
Die Verquickung von Trauer, Zorn und Furcht hatte Kleopatra zermürbt, doch sie würde nicht aufgeben. Sie würde einen Weg finden. Sie würde zu Isis beten und ihr Opfer bringen. Vielleicht würde die Göttin danach den Sternen befehlen, Kleopatras Schicksal zum Guten zu wenden.
Kleopatra lag in ihrer marmornen Badewanne und genoß das seidige Wasser auf ihrer Haut. Iras hatte dem Bad ein duftendes Öl beigegeben, das sich in sanften Regenbogenfarben verlief und ihre Brüste mit winzigen Tropfen betupfte. Sie berührte eine ihrer dunklen Brustwarzen mit der Fingerspitze, sanft, so wie Julius es getan hatte. Wie sehr er ihr fehlte. Die Sehnsucht nach seiner Umarmung hatte sich als bohrender Schmerz in ihr eingegraben, der nicht zu weichen schien.