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Kleopatra war mit Wachstafel und Stylus beschäftigt, eine Reihe Schriftrollen lag ausgebreitet vor ihr. Die frische Meerbrise, getränkt vom Duft des Jasmins, der in den Gärten blühte, bauschte die Vorhänge ihres Gemachs und ließ die Ölleuchten auf dem Messingständer flackern.

Wieder und wieder hatte sie die Zahlen überprüft, die ihr die strategioi geliefert hatten. Demnach waren die Getreidevorräte in den Silos am Hafen bedenklich zusammengeschrumpft, obwohl sie in der Regel ausreichten, um nicht nur Ägypten, sondern den halben Mittelmeerraum zu versorgen. In diesem Jahr würden jedoch Tausende ihres Volkes den Tod finden, da konnte sie so oft und so lange auf die Zahlen in den Hauptbüchern starren, wie sie wollte.

Mardian wartete nicht auf die Erlaubnis zu reden. »Majestät«, keuchte er, »Ihr seid in Gefahr!«

Kleopatra legte den Stylus nieder. Ein Blick auf sein Gesicht, und sie wußte Bescheid. Es war also eingetreten. Sie hörte die Stimme ihres Vaters, vernahm wieder das Zischen der Schlangen in der Kerkerzelle von vordem. Jeder Palast birgt Schlangen, doppelt so giftig wie diese.

»Pothinos?«

Er nickte. »Achillas konnte überredet werden, ihn zu unterstützen.«

Sie sprang auf und lief zum Türbogen. Die beiden makedonischen Posten, die Nacht für Nacht vor ihrem Gemach Wache standen, waren verschwunden. Die leeren Gänge starrten ihr höhnisch entgegen.

»Ihr habt keine Freunde mehr in Alexandria, Majestät. Außer mir und Eurem Leibarzt, Olympos. Und ich fürchte, keiner von uns beiden weiß mit einem Schwert umzugehen.«

Sie und Mardian hatten sich schon seit Monaten auf diesen Augenblick vorbereitet, seit dem Tag, an dem Kleopatra die beiden Römer in Ketten nach Syrien geschickt hatte. Wie stolz und anmaßend sie gewesen war, als sie dachte, sie könne Pothinos und seine Gefährten übertrumpfen. Wie töricht!

Abermals hörte sie die Stimme ihres Vaters: Ich habe dich gewarnt.

Mardian hatte Geld und Schmuck den Nil hinauf nach Theben und Philae im Oberen Ägypten geschmuggelt. Die Priester waren ihm behilflich gewesen. Noch hatte sie nicht ganz Ägypten gegen sich. Der Besuch in Hermonthis und die Weihe des heiligen Stiers waren nicht umsonst gewesen.

Kleopatra hielt sich vor Augen, daß es nicht das erste Mal war, daß ein Mitglied des Hauses Ptolemaios um den Thron kämpfen mußte. Auch ihr Vater hatte Jahre im Exil zugebracht. Erst Pompejus hatte ihm zu seinem Recht zurückverholfen. Der Gedanke vermochte sie dennoch nicht zu trösten.

Sie bezwang den Drang, sich auf den Diwan zu werfen und zu weinen. So führen sich Kinder auf, ermahnte sie sich. Und doch - nun war sie wieder an dem Punkt, an dem sie sich befunden hatte, als ihr Vater starb. Achtzehn Jahre alt und ohne Freunde. Die Nacht fühlte sich plötzlich so kalt an wie ein Grab. Am liebsten hätte sie sich in die hinterste Ecke verkrochen und den Kopf in den Armen geborgen.

»Wir müssen sofort los, noch heute nacht«, stieß Mardian hervor, die Stimme fistelnd vor Aufregung. »Eure Henker sind bereits unterwegs.«

Ich bin doch nur ein Mädchen, dachte sie. Wie hochmütig, wie dumm, daß ich annahm, ich könne diese Männer aus eigener Kraft besiegen.

»Majestät?«

Sie riß sich von ihren Gedanken los und fahndete tief in ihrem Inneren nach dem Mut und der Entschlossenheit, die sie jetzt brauchte. Wie eine Spielerin, die ihr Geld verloren hat und nun in der Börse kramt, um auf die eine Goldmünze zu stoßen, mit der sie abermals setzen kann.

»Das Boot ist zum Ablegen bereit«, sagte Mardian.

Sie wußte nicht, ob sie ihrer Stimme trauen konnte, deshalb nickte sie nur wortlos und hastete an ihm vorbei. Die Kehle war ihr so eng, daß sie kaum atmen konnte, und um ihre Brust hatte sich ein eisernes Band gelegt. Die Zukunft lag so dunkel und bedrohlich vor ihr wie das Meer am Fuße der Palaststufen. Doch jetzt war keine Zeit, darüber nachzugrübeln. Du mußt dich retten. Einen Schritt schneller sein als die Schlangen mit ihrem Gift.

Eine kleine Barke lag auf dem Wasser. Charmion und Iras kletterten hinter ihr hinein. Mardian hatte Sklaven herbeigerufen, die den Schmuck und die Truhen mit ihren Gewändern an Bord hievten.

Geräuschlos glitten sie unter dem Heptastadion her in den Hafen der Glücklichen Wiederkehr und durch den Kanal unter dem schlafenden Rhakotisviertel in den See Mareotis. Dort stiegen sie um in eine Dhau, die sie den Nil hoch nach Theben und in Sicherheit bringen würde.

Bei ihrem letzten Besuch der chora war sie als Göttin gekommen, in der königlichen Barke, im Schatten seidener Baldachine, umwedelt von Pfauenfedern. Nun kehrte sie als verängstigtes Mädchen zurück, mit dem Gestank des Brackwassers in der Nase, das Gesicht verschleiert und unter Deck kauernd wie eine Übeltäterin.

5

DER MONAT SEPTEMBRIS NACH DEM RÖMISCHEN KALENDER IM JAHRE 48 VOR CHRISTI GEBURT

Caesar beobachtete, wie die Galeere längsseits des Flaggschiffes anlegte. Ein Fettsack wurde an Deck gehievt, bemalt und parfümiert wie eine damaszenische Hure, unterwürfig wie ein Sklave, der Gnade erfleht. Hinter ihm ragten zwei nubische Sklaven auf, halbnackt, die schwarze Haut schweißglänzend.

Der Name des Gesandten lautete Theodotos. Der schwarze Strandstreifen sah aus, als hätte man ihn mit zittrigen Händen gemalt. Um ihn herum das Klatschen der Wellen, die sich an der Schiffswand brachen, die heftige Brise, die den Fackelschein zucken ließ. Nervöse Soldaten, die sich am Deck versammelten, wachsam, Verrat witternd, die Gesichter im Schatten der Helme.

»Ich grüße Euch, edler Julius Caesar«, verkündete der Bote mit hoher schriller Stimme. »Im Namen des Regentschaftsrates heißen wir Euch willkommen in Ägypten, als Gast des großen Ptolemaios XIII., König von Ägypten, Herrscher der zwei Länder.«

Caesar ließ die Hand auf dem Heft seines Schwerts ruhen und schwieg. Seine Blicke wanderten zu dem Weidenkorb, den einer der Nubier in den Armen hielt.

»Wir überbringen Euch ein Geschenk, edler Feldherr.« Caesar machte eine knappe Kopfbewegung, in der Zustimmung lag. Einer der Nubier stellte den Korb auf den Boden und entnahm ihm einen in Tuch gewickelten Gegenstand. Die Stoffbahnen waren weiß, mit bräunlichen Flecken.

Sein Gefährte rollte einen kleinen Teppich aus. Sie legten den Gegenstand darauf und rollten die Stoffbahnen ab. Unter der ersten befand sich eine zweite, die ebenfalls dunkel verfärbt war. Sie nahmen sie ab und enthüllten einen menschlichen Kopf.

Den Kopf hatte man bereits vor einer Weile von seinem Besitzer getrennt, er war fast unkenntlich geworden. Das Fleisch war schwarz und stank wie ein Faß Tintenfisch in der Sonne. Die Gabe wurde Caesar auf einem Silbertablett überreicht. Theodotos, der sich ein parfümiertes Taschentuch vor die Nase preßte, trat auf ihn zu und hielt ihm einen Siegelring entgegen. Caesar erkannte ihn. Er gehörte Pompejus.

»Du fette Kröte, was hast du getan?« brach es aus ihm heraus.

Theodotos schrak zurück, als habe man ihn geohrfeigt. »Er hat die Friedliebenden beleidigt«, begehrte er auf. »Die Schwester unseres Königs hat sich mit ihm zusammengetan, ihn mit Schiffen und Soldaten versorgt. Wir haben es für Euch getan.«

»Für mich?«

»Tote beißen nicht«, kam es von Theodotos.

So war das also. Sie hatten geglaubt, sie würden ihm eine Freude bereiten. Dieser elende Hund vor ihm warf ihm affektierte Blicke zu und erwartete eine Belobigung dafür, daß sie einen Römer hingemetzelt hatten. Caesar stürzte vor und packte ihn bei der Kehle. Allein dem Einschreiten seiner

Hauptleute war es zu verdanken, daß er ihn nicht auf der Stelle erwürgte.

6