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In der Zwischenzeit hatte Sextus, der Sohn des Pompejus, dem der Senat die Flotte versprochen hatte, die Herrschaft auf dem Meer übernommen und blockierte als Seeräuber die Wege nach Rom. In Italien wurde gehungert, und die Menschen gaben Octavian die Schuld.

Der junge Caesar, lachte Antonius im Kreis seiner Freunde, war doch nicht so schlau, wie er geglaubt hatte. Nun, der Happen, den er sich abgebissen hatte, sollte ihm ruhig noch eine Weile im Halse steckenbleiben.

Die Beute stand dem Sieger zu. Ein Mann, der im Bett gelegen hatte, während die Schlachten geschlagen wurden, konnte dem Kriegshelden nichts mehr befehlen. Spanien und Sardinien wollte Antonius Octavian gern überlassen. Er, der Mann, der sich noch vor zwei Jahren in den Alpen verkrochen hatte, erhielt Gallien und das Reich des Ostens. Dort wollte er sich einträglichen und vergnüglichen Geschäften widmen, während Octavian sich mit Italien und seinen Problemen herumschlagen konnte.

Oh, richtig, Lepidus bekam die afrikanischen Provinzen. Antonius war es dort zu heiß - und zu sandig.

Antonius' Einzug in die Gebiete des Ostens glich einer Fahrt im Triumphwagen. Überall feierte man ihn als den allmächtigen Sieger, als Erretter, als neuen Dionysos, als Gott des Weines, der Feste und des Friedens.

In Ephesos thronte er auf einem rebenbekränzten Wagen, vor ihm tanzten spärlich bekleidete Bacchantinnen, hinter ihm zogen junge Männer, die als Satyr und Pan verkleidet waren. Ihnen folgten die Musikanten des dionysischen Bundes, die auf Harfen, Flöten und Schalmeien spielten. Die Menschen spendeten ihm jubelnd Beifall und grüßten ihn als Huldreichen, als Freudenspender.

Alles war so, wie Antonius es sich immer erträumt hatte. Und wie er es, so fand er, auch verdient hatte.

6

Der Winter stand ganz im Zeichen des Freudenspenders.

Antonius versammelte die besten Tänzer und Schauspieler des Ostens um sich, die standhaftesten Zecher und die berühmtesten Dirnen. Seine Hofhaltung glich einem Gelage, der Krieger in ihm ruhte aus. Der Wein, die Frauen, die Huldigungen wirkten nach der langen dunklen Nacht der Proskriptionen, der vergifteten Welt des Senats und der Metzelei bei Philippi wie Balsam für seine Seele.

Verschwommenes Sonnenlicht wurde durch die grünen Blätter der großen Götterlaube gefiltert. Efeu und Wein umrankten die Streben wie verschlungene Glieder, die Säulen glichen Bacchantenstäben. Antonius hatte dieses Bauwerk in Auftrag gegeben, es war seine Höhle, die Höhle des Dionysos.

In ihrem Innern entfalteten sich Tätigkeiten, die der Ekstase galten. Ecstasos, wie die Griechen es nannten. Die Seele befreit von den Schranken des Geistes, die Suche nach den Göttern mittels fleischlicher Liebe und Wein.

Unter dem Gitterwerk aus grünen Zweigen konnte Antonius sich den Zügellosigkeiten hingeben, die das sittsame Rom verbot. Hier lachte und trank er, umgeben von seinem Künstlervolk und Sisyphus, dem Zwerg. Er trug einen Efeukranz auf dem Haupt, und sein Pokal wurde nie leer. Mänaden in hauchdünnen Gewändern tanzten zu Flöten- und Harfenklängen und haschten sich trunkene Satyrn, mit denen sie in den Hainen verschwanden.

Dort sah man im verborgenen sich windende Leiber, Körper ohne Gesichter oder Namen, die aufeinander glitten und zuckten wie Schlangen in einem Nest. Eine braune Hand schloß sich um eine pralle weiße Brust, eine andere fuhr über Schenkel, Münder und Hände, emsig wie Bienen, vielfältige Formen der Lust allein um der Lust willen.

Antonius vergrub den Kopf im Schoß eines jungen Mädchens, dessen Mund sich einem anderen entgegenreckte. Als er dieses Spiels überdrüssig wurde, wandte er seine Aufmerksamkeit dem nächsten Paar zu und überließ sich dessen Händen und Zungen. Es machte keinen Unterschied, ob es sich dabei um Mann oder Frau handelte, er suchte allein den rosigen feuchten Ort und die Schwellungen des Fleisches.

Schemenhaft nahm er wahr, daß eine junge Syrerin, die Haut braun wie Molasse, das Hinterteil rund und fest wie ein Pfirsich, sich hingebungsvoll einem der Dionysosjünger widmete und dieser sie bei den Hüften packte, sie auf den Bauch drehte und sie von hinten nahm.

Antonius spürte, wie er die Erde, den Körper, den Geist verließ; seine Welt dehnte sich aus und wurde nur noch von sinnlichen Gefühlen bestimmt. Er trieb auf den Wogen der Lust, bis sie sich zu Schmerz verwandelte, und weiter, bis sich seine Seele erhob, aufstieg und eins wurde mit dem Himmel über dem grünen Dach. Bis er eins war mit den Göttern.

»Quintus Dellius, Majestät. Ich überbringe die erlauchtesten Grüße meines Herrn, Marcus Antonius.«

Kleopatra erinnerte sich an sein falsches Lächeln aus der Zeit, als er noch Caesars Bote war. Ein aufgeputzter Mensch, dessen Augen noch listiger glitzerten als die der Schlange. Natürlich hatte sie ihn erst einmal endlos lange warten lassen. Wie bei seinem ersten Besuch glitten seine Blicke verstohlen in die Runde, bis sie auf der Statue des Dionysos haften blieben, die mit einem Pantherfell bekleidet war und eine Kithara hielt. Vielleicht hatte er gedacht, daß sein Herr der einzige Anbeter Dionysos' war.

Kleopatra trug einen zarten goldenen chiton und ein goldenes Diadem aus verschlungenen Reifen, die hinter dem Kopf in einen Knoten mündeten.

Mardian beugte sich zu ihr vor und wisperte ihr in Ägyptisch ins Ohr: »Ich kenne diesen Menschen. Erst war er Dolabellas Mann, kurz vor Laodicea lief er dann zu Cassius über, und bei Philippi hat er sich Antonius an die Fersen geheftet.« »Zuverlässig wie der Wind.«

»Nach dem er sein Fähnchen hängt, wie die meisten Römer, die wir kennen.« Kleopatra wandte ihre Aufmerksamkeit dem Gesandten zu. »Nun, Dellius?« fragte sie.

»Ich überbringe Grüße an Ihre erhabene Majestät von meinem Herrn Antonius, des weiteren einen Brief meines Herrn. Er wünscht, daß Ihr ihn lest.« Er hielt Kleopatra eine Schriftrolle entgegen, die von einem der Kammerherren ergriffen und danach an sie weitergereicht wurde. Sie überflog die Zeilen. An die erlauchte und große Königin von Ägypten, und so weiter und so fort... Der Herr Antonius ersuchte sie um das Vergnügen ihrer Gesellschaft an seinem Hof in Tarsos. »Tarsos«, sagte sie.

»Meinen Herrn Antonius drängt es, Euch zu sehen, um die frühere Freundschaft zu erneuern. Zudem möchte er erfahren, aus welchem Grund Ihr Eure Flotte Cassius überlassen und diesen mit vier Legionen gegen Dolabella unterstützt habt.«

Welch eine Unverschämtheit! Sie erinnerte sich an den Herrn Antonius, wie er betrunken durch Caesars Haus getorkelt war und wie er bei den Lupercalien halbnackt die februa schwang. Und nun befahl der nämliche sie zu sich, als sei sie einer seiner Zenturionen.

»Ein römischer Magistrat wünscht die Königin von Ägypten zu befragen?«

»Er meint sich zu erinnern, daß Ihr früher Freunde wart, und sucht eine Erklärung für die widersprüchlichen Taten.«

Auch Kleopatra wünschte Marcus Antonius dringend zu sehen. Sie hielt ihn weiterhin für den einzigen Freund, den sie in Rom besaß. Doch sie würde ihm nicht als Bittstellerin begegnen, die um Nachsicht für eingebildete Vergehen bat. Und in einen Teppich würde sie sich dieses Mal auch nicht rollen lassen. »Ihr dürft Eurem Herrn Antonius ausrichten, daß ich sein Ersuchen bedenke.«

Quintus Dellius lächelte. Es war natürlich kein Ersuchen, sondern ein Befehl, doch er war ein zu erfahrener Diplomat, um sie darauf hinzuweisen. »Ich werde ihn Eure Antwort wissen lassen«, sagte er.

»Ich danke Euch, Quintus Dellius. Mögen die Götter Euch eine sichere Rückfahrt gewähren.«