Antonius stellte fest, daß ihm der Sinn weder nach Nahrung noch nach den Getränken stand. Ich will dich. Er war nicht in der Lage, den Blick von Kleopatra abzuwenden, konnte nur an das denken, was sie ihm zugeraunt hatte. Doch sie behandelte ihn mit der gleichen Liebenswürdigkeit wie die anderen Abendgäste. Es war, als habe er die Verlockung nur geträumt.
Nicht einmal während des Festmahls bot sich Antonius die Gelegenheit, mit Kleopatra unter vier Augen zu reden. Sie scherzte mit seinen Offizieren und mit den Stadtvätern, die ihr offenbar schon zu Füßen lagen und sie mit artigen Schmeicheleien überhäuften - bis auf Quintus Dellius. Der ruhte auf seiner Bank und taxierte sie stumm mit solch kaltem Interesse, als sei sie eine der Tempeldirnen der Stadt.
Nachdem das Mahl beendet war, führte Kleopatra ihre Gäste an Deck. Draußen war die Nacht hereingebrochen. Rufe der Verzückung wurden laut, als die Gäste zu der Takelage aufschauten. Über ihnen schaukelten unzählige Laternchen an dünnen Seidenstricken, die den Aufbau des Schiffes wie das Dach eines verwunschenen Schlosses schimmern ließen.
»Ich schenke Euch, meine lieben Gäste, den goldenen Diwan, auf dem Ihr geruht habt«, verkündete Kleopatra. »Zudem die goldenen Teller und Pokale, von denen Ihr gespeist und aus denen Ihr getrunken habt. Meine Diener werden Euch mit Fackeln nach Hause geleiten und die Geschenke tragen.«
Die Gäste klatschten in die Hände und brachen in erstauntes Gemurmel aus.
Als sich alle verabschiedeten, neigte sich Antonius zu Kleopatras Ohr. »Meine Herrin«, sagte er. »Ich hatte auf die Möglichkeit eines privateren Zusammenseins gehofft. Es gibt einiges zu erörtern.«
Die dunklen Augen schauten amüsiert und verwundert. Du kleines Biest, dachte Antonius.
»Wir werden noch genügend Zeit dafür haben, mein Herr«, entgegnete Kleopatra. »An diesem Abend haben wir Euren Triumph über Brutus gefeiert. Laßt uns das nicht mit störenden Gedanken an Staat und Politik verderben.«
Davon ist auch nicht die Rede gewesen, dachte Antonius. Und das weiß sie ganz genau. Die Worte klangen immer noch in seinem Ohr. Ich will dich.
»Dennoch liegt mir an einem Moment, wo Eure Gesellschaft mir allein gehört«, beharrte er.
»Es war eine lange Reise, und ich bin müde«, erwiderte Kleopatra. »Vielleicht am morgigen Tag.« Danach schenkte sie ihm ein aufreizendes Lächeln, das ihn die ganze schlaflose Nacht über verfolgte. Und als er die Augen in den frühen Morgenstunden endlich schloß, träumte er von Ägypten.
Ich will dich.
9
Zu Antonius' Bankett, das am folgenden Abend stattfand, ging Kleopatra nicht als Venus, sondern in einem smaragdgrünen chiton aus sidonischer Seide, der an der Schulter mit einer Perlenspange gehalten wurde. Sie ließ sich in einer Sänfte mit zugezogenen Vorhängen tragen. Die nubische Leibwache lief ihr mit Fackeln voraus.
Zu den vielen Gründen, aus denen die Soldaten Antonius verehrten, gehörte, daß er seine Mahlzeiten häufig mit ihnen in ihrem Speisesaal einnahm. Wie es aussah, wollte er auch für Kleopatra keine Ausnahme machen. Das Gebäude, in dem die Soldaten aßen, war vor ihrer Ankunft eine der großen Markthallen gewesen. Auch jetzt hing darin noch der Geruch von Gewürzen, Gemüse, Abfall und Fisch. Es war ein langgestreckter Steinbau, dessen gewölbte Decke von drei Säulenreihen getragen wurde.
Antonius hat zwar versucht, die Halle ein wenig herzurichten, dachte Kleopatra, während ihre Blicke über die bestickten syrischen Wandteppiche und die verzierten bronzenen Lampenständer glitten, doch sie sieht immer noch aus wie ein leergeräumtes Lager.
Auf einem Podest neben dem Eingang spielten Musikanten; ihre Klänge verloren sich allerdings in dem lauten Stimmengewirr. Als Kleopatra vortrat, setzten jedoch Fanfaren ein, und die Gespräche verstummten.
Bei der Mehrzahl der Anwesenden handelte es sich um Soldaten, die ihrem Rang nach an langen Tischreihen saßen. In der Mitte des Saals standen zwölf Ruhebänke für Antonius, seine obersten Befehlshaber und deren Gäste.
Alle Hälse reckten sich, um die große Königin zu betrachten -die Göttin, die in der Stadt in aller Munde war.
Die nubische Leibwache schritt vor Kleopatra in den Saal. Unter ihrem Gefolge waren Diomedes und Mardian.
Antonius kam ihr entgegen. Er trug den scharlachroten Umhang der Römer, der mit einer Spange aus Bronze über einer Wolltunika gerafft wurde. Kleopatra fand, daß er einen etwas gefaßteren Eindruck machte als am Vorabend, wo er sie wie ein Bauer angestiert hatte.
Wenn sie ehrlich war, mußte sie sogar zugeben, daß er nach wie vor gut aussah. Sie erinnerte sich an das Gerede in Rom, wonach römischen Frauen die Sinne schwanden, wenn sie ihn nur sahen. Was den Verstand betraf, konnte er es mit ihr natürlich nicht aufnehmen, und mit Caesar schon gar nicht. Doch das spielte im Moment keine Rolle. Er war Römer und gehörte zu den drei mächtigsten Männern der Welt.
Kleopatra wußte, was ihm bei ihrem Anblick durch den Kopf spukte. Zum einen spekulierte er auf die nächste rasche Eroberung, wie bei der Gemahlin des Herodes, und darüber hinaus lockte es ihn, endlich das zu kosten, was Caesar vor ihm geschmeckt hatte.
Wahrscheinlich wäre ihm nie der Gedanke gekommen, daß sie an eine ganz andere Art der Verführung dachte.
Nachdem sie die ersten Höflichkeiten ausgetauscht hatten, wandte Antonius sich den Versammelten zu und begrüßte sie noch einmal offiziell als Ehrengast des Abends.
»Wir freuen uns, die Königin von Ägypten willkommen zu heißen, die über das Meer zu uns gereist ist. Wir hoffen, daß sie sich in diesem bescheidenen Quartier wohl fühlt, das wir ihr zu Ehren ein wenig königlich zu gestalten versucht haben.«
Als Kleopatra sich niedergelassen hatte, lebten die Stimmen wieder auf. Sie ruhte neben Marcus Antonius. Er stierte schon wieder, doch sie tat, als bemerke sie es nicht, und behandelte ihn freundlich - wie es das Protokoll verlangte.
Nach einer Weile wurden die Mahlzeiten aufgetragen.
»Fraß«, hörte Kleopatra Mardian sagen, jedoch so leise, daß nur sie es verstand. Es schien, als habe Antonius sich gedacht, er könne ohnehin nicht mit ihrem Bankett wetteifern, und statt dessen entschieden, den Abend bewußt spartanisch zu halten. Das Essen bestand aus einfach gebratenen Zicklein und wurde auf Holztellern serviert. Der Wein, dem eifrig zugesprochen wurde, war vom Besten.
Antonius hatte seinen Zwerg Sisyphus bei sich. Es war ein abstoßender Bursche mit einem viel zu großen Gesicht und einem häßlichen keckernden Lachen. Antonius schien ihn jedoch unterhaltsam zu finden.
»Die Königin muß sehr beeindruckt sein von Eurem Gastmahl«, sagte er feixend zu Antonius. »Ihr habt ihr armseliges Bankett in den Schatten gestellt. Werdet Ihr ihr später auch den Teller und den Becher schenken?«
Antonius schaute zu Kleopatra und lächelte verlegen. »Die Königin kann sie mitnehmen oder ihren Dienern befehlen, auf dem Markt ein ganzes Dutzend davon zu kaufen. Der Preis wäre in etwa derselbe.«
»Wo bleiben überhaupt die Rosenblüten?« rief Sisyphus mit gespielter Entrüstung. »Der Wind, der durch die Ritzen zieht, muß sie fortgepustet haben. Ich werde die Dienstboten tadeln müssen.«
Kleopatra beschloß, die Peinlichkeit der Situation aufzuheben. »Wenn Euer Herr mich übertroffen hätte, wäre ich beschämt«, sagte sie, »denn ich brauchte sechs ganze Monate zur Vorbereitung unseres Treffens.«
»Dennoch hätte der Imperator sich ein wenig mehr Mühe geben können«, ließ sich einer der Generäle vernehmen. »Ich fürchte nur, als Gott hat er alle Hände voll zu tun.«
Antonius zuckte mit den Schultern und lachte gutmütig. Es schien ihn nicht zu stören, daß seine Männer sich über ihn lustig machten. »Laßt nur«, erwiderte er. »Wenn Octavian schon der Sohn eines Gottes ist, muß ich ihn eben übertrumpfen.«