Antonius sah, daß sie vor wütender Erregung bebte. Erstaunlich, dachte er. Sie muß tatsächlich etwas für den alten Knaben empfunden haben.
Endlich war er überzeugt und wußte, wem er glauben konnte. Auf Octavians Worte würde er sich hinfort nicht mehr verlassen. Dieser Giftzwerg! Na ja, eigentlich hätte er es selbst besser wissen müssen.
Er atmete auf. Er brauchte Kleopatra derzeit genauso wie sie ihn und wollte nicht, daß früherer Verrat ihr Bündnis überschattete.
Die Augen mit den schwarz geschminkten Rändern brannten sich in seine Seele.
»Ihr habt bei Eurer Ankunft in Tarsos, als ich an Bord Eures Schiffes trat, etwas zu mir gesagt.«
»Ach ja?« Die Augen blickten nun unschuldig und erstaunt.
Er hielt ihrem Blick stand und senkte die Stimme. »Ihr sagtet, Ihr wolltet mich.«
»Vielleicht habe ich mich nach den Berichten über Glaphyra und Mariamne besonnen. Vielleicht will ich nicht mit Sklavinnen und Mänaden auf einer Stufe stehen.«
»Ihr wißt, daß es keine Frau auf der Welt gibt, die sich mit Kleopatra messen kann.«
Kleopatra lächelte. »Im Gegensatz zu Euch habe ich erst einmal im Leben geliebt, aber mir ist dennoch klar, daß ein Mann weiß, mit welchen Worten er eine Frau gewinnen kann.«
Antonius grinste. »Da mögt Ihr recht haben.«
Kleopatra nippte an ihrem Rosenwasser und beobachtete ihn über den Rand des Bechers hinweg. »Doch darüber wünschte ich nicht zu reden. Mir liegen politische Dinge am Herzen. Ihr wollt meine Hilfe im Kampf gegen Parthien.«
Sie lachte schallend, als sie die Überraschung auf seinem Gesicht erkannte. Antonius stellte fest, daß sie wie eine lieblichere Fulvia war - ebenso gewitzt, ebenso raffiniert und ihm immer einen Schritt voraus. »Ich möchte vor allem wissen, was Ihr dafür von mir verlangt«, antwortete er nach einer Weile.
»Ich habe etliche Forderungen. Eine davon wird nicht verhandelt.«
»Und die wäre?«
Sie sagte es ihm.
Ephesos in Kleinasien
Der Artemis- oder Dianatempel, wie ihn die Römer nannten, war in der ganzen Welt berühmt. Ihn zierten hohe Säulengänge mit goldenen Statuen der Jagdgöttin und ihren Nymphen und Faunen. Eine der Wände schmückte ein gewaltiges Gemälde, das Diana und Alexander zeigte. Wie Isis und Aphrodite war sie die Göttin der Frauen, doch im Unterschied zu jenen besaß sie auch eine zerstörerische Seite.
Der Tempel mit seinen umliegenden Hügeln und Wäldern hatte in der Vergangenheit häufig Flüchtlingen Asyl gewährt -von entlaufenen Sklaven bis hin zu Dieben und Bettlern -, die sich inzwischen auf dem Tempelgelände niedergelassen hatten. Die meisten von ihnen fristeten ihr Dasein als Verkäufer unechter Silberstatuen, als Taschendiebe oder Dirnen für die Pilger, die aus ganz Asien herbeiströmten.
Arsinoe lebte hier seit der Errettung vor Caesars Henkersknechten. Als Priesterin des Tempels galt sie hinfort als unantastbar. Inzwischen hatte sie eine Gefolgschaft aus enttäuschten alexandrinischen Höflingen um sich geschart, die Kleopatra aus den unterschiedlichsten Gründen grollten. Hier und da weilten auch Besucher aus Zypern unter ihren Gästen, Gesandte des Statthalters Serapion, dem eine Zukunft als ihr dioiketes vorschwebte - für den Tag ihrer Rückkehr als Königin von Ägypten.
An diesem Nachmittag hatte sich Arsinoe aus der brütenden Hitze der Innenhöfe in die kühleren Nischen des Altarraums zurückgezogen, um zu beten. Das Dunkel des Heiligtums wurde nur von einigen Öllämpchen erhellt. Vor ihr ragte die Göttin auf, der die Sanftheit der Isis ebensosehr fehlte wie die Erotik der Aphrodite. Diana trug ein einfaches Jagdkleid, stand stramm wie ein Wachmann und hielt Pfeil und Bogen in der Hand.
Arsinoe lag tief versunken auf den Knien, als die Soldaten kamen. Sie polterten über die Schwelle, stießen Priester wie Priesterinnen zur Seite, packten Arsinoe bei den Haaren und zerrten die Schreiende hinaus in die helle Säulenhalle vor dem Tempel. Dort riß man ihr die Hände auf den Rücken, während einer der Zenturionen ausholte und ihr mit einem gezielten Schlag den Kopf abtrennte. Der Blutbach ergoß sich über die Tempelstufen bis auf den Boden, wo er sich in dunklen Lachen sammelte.
Haß war das nicht, noch nicht einmal Krieg. Nur praktisches Denken und Politik.
Kein Mensch war unantastbar. Das hätte Arsinoe von Caesar lernen sollen.
11
In Tarsos
Dieses Mal gab es keine Cupidos, keine Nymphen und keinen Rosenteppich. Statt glitzernder Laternchen leuchtete ein schmaler Mond. Es gab weder Harfen noch Flöten, nur die Wellen des Meeres schlugen gegen den Rumpf des großen Schiffs.
Charmion führte Antonius wortlos unter Deck in Kleopatras Gemach und schloß die Tür hinter ihm zu.
Im schwachen Schein der Öllampen erkannte Antonius ein Bett, das mit Leopardenfellen bedeckt und von einem hauchdünnen Seidenvorhang umgeben war. Die Luft war von süßem Weihrauch durchdrungen.
»Ich will dich«, hörte er eine Stimme flüstern.
Fünf Tage war es her, seit sie diese Worte zum ersten Mal ausgesprochen hatte, fünf Tage lang hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Nein, länger schon. Er wartete schon, seit er sie zum ersten Mal in Caesars Haus gesehen hatte.
Sie lag unter einem Tuch, ein Schatten, eine Verlockung in der Dunkelheit. Antonius ließ seinen roten Umhang zu Boden gleiten, schlüpfte aus seiner Tunika und schob den Vorhang zur Seite.
Kleopatra lachte kehlig. »Wie ich sehe, hast du den berühmten Zauberstab mitgebracht.«
Für den Bruchteil eines Moments stieß ihn die Bemerkung ab. Doch dann dachte er daran, daß er nun die Frau hinter der königlichen Maske sehen würde, genau wie sie den Mann hinter dem Gott.
Er zog das Tuch zurück. In den vergangenen Monaten hatte er so viele Körper besessen - so viele Frauen. Diese hier würde er jedoch nie vergessen. Sie war nicht nur eine Frau, sondern bedeutete Ägypten, war die Frau Caesars. Eine glorreiche Eroberung, an deren Ende er jedoch Gnade walten lassen wollte.
Sein Atem war anders - er roch anders, männlicher, eine Mischung aus Leder, Schweiß und Wein.
Sie öffnete die Lippen, und er küßte sie. Sie hatte ihn sich grob vorgestellt und erwartet, er nähme sie wie ein Soldat, doch dann stellte er sich als überraschend zärtlich und sanft heraus. Seine Lippen fuhren sacht über ihr Gesicht bis zu ihrem Ohrläppchen, an dem er liebevoll knabberte. Hübsche Kunststückchen hat er gelernt, dachte sie.
Danach wanderten seine Lippen über ihre Kehle zu ihren Brüsten, fanden ihre Brustwarzen, die sich ihm dunkel und hart entgegenreckten. Er saugte an ihnen. »Du bist wunderschön, Kätzchen«, flüsterte er.
»Nenn mich nicht so«, fuhr sie ihn an.
Antonius hielt überrascht inne, doch sie krallte die Hände in seine Haare und zog seinen Kopf wieder hinab auf ihre Brüste. Er hatte etwas in ihr wiedererweckt, das seit Caesars Tod in ihr geschlummert hatte.
Er wollte noch eine Weile mit ihr spielen, doch sie riß ihn an sich, schlang die Beine um ihn und wölbte sich ihm entgegen. Widerstandslos glitt er in sie hinein.
Sei nicht sanft heute nacht, flehte Kleopatra im stillen. Sei wild wie ein Gladiator. Sie bäumte sich auf, wollte die Begierde gestillt haben, suchte Erlösung. Doch es half nichts. Es war, als wolle sie einen Traum erneuern, Erinnertes wiederholen. Sie konnte den Gipfelpunkt nicht erreichen. Antonius schwitzte und keuchte. Kleopatra wand sich unter ihm, ihre Muskeln schmerzten. Antonius hielt ihr Stöhnen für Vergnügen und bewegte sich schneller, heftiger.
Kleopatra wußte, sie würde es nicht schaffen. Sie täuschte einen Moment der Ekstase vor und ließ sich dann zurücksinken. Anschließend lag sie ermattet, enttäuscht und verwirrt unter ihm.