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Antonius schien einmal tief Luft zu holen und schrie dann auf, anders als Julius. Julius hatte es sich nie gestattet, die Kontrolle über sich zu verlieren, er hatte seinen Höhepunkt schweigend erreicht. Als Antonius sich erschöpft hatte, stieg die Trauer in Kleopatra hoch und breitete sich wie glühende Lava in ihr aus. Sie begann zu weinen. Antonius versuchte sie zu trösten, hielt sie in den Armen und strich ihr über die Haare. Er war von ihrem Gefühlsausbruch ebenso überrascht wie sie, und genau wie sie stand er ihm hilflos gegenüber.

Sie standen zusammen an Deck und sahen zu, wie das erste Tageslicht über den Osthimmel kroch. In der Takelage hingen immer noch die Laternchen. Vor einigen Tagen waren sie Antonius wie Sterne vorgekommen, jetzt erkannte er, daß es nur einfache Tonlichter waren. Es war eine Illusion gewesen, sonst nichts, dachte er. Genau wie das Leben. Man schuf Träume und Ängste aus schlichter Materie und bezeichnete sie nachher als wahr, so wie Dionysos und Aphrodite.

»Komm nach Alexandria«, sagte Kleopatra.

Antonius hatte damit gerechnet, daß sie ihn darum bitten würde. Die Versuchung war groß. »Es geht nicht«, antwortete er. »In Judäa gibt es Schwierigkeiten zwischen Herodes und den Makkabäern, außerdem verbreiten sich Gerüchte, daß die Parther vorhaben, in Syrien einzufallen. Mein Platz ist hier.«

»Parthien kann noch bis zum Sommer warten, und in Judäa wird es ohnehin nie ruhig. Der Winter in Tarsos ist kalt, in Alexandria hingegen ist er mild. Ich werde mir tausend kleine Zerstreuungen für dich ausdenken.«

Antonius schwieg. Er spürte, daß er innerlich anfing zu wanken.

»Du hast doch gerade erst einen Krieg beendet, und nun willst du gleich in den nächsten ziehen? Gibt es denn keine Pause für Dionysos den Freudenspender?«

Kleopatra hörte, wie er seufzte. »Du hast recht, ich bin müde.«

»Du und dein Stab, Ihr werdet im Palast meine Gäste sein. Du wirst in dem Bett schlafen, das Caesar gehörte.«

Caesar. Wie oft hatte jener ihn einen großen Jungen gescholten. Vielleicht hatte er recht gehabt, der alte Knabe. Er war wie ein Junge, ihm machten die Ferien mehr Spaß als die Schule.

»Komm nach Ägypten«, wiederholte Kleopatra. »Alexandria wird dir zu Füßen liegen.«

»Nein«, erwiderte Antonius. »Es ist ausgeschlossen. Bitte mich nicht noch einmal, es kann nicht sein. Zum letzten Maclass="underline" nein.«

12 ln Alexandria

Antonius kam an einem kalten blauen Tag zu Beginn des Winters. Zu seinen Ehren war das Sonnentor mit Girlanden bekränzt, die Kanopische Straße blitzblank, und von den Palastmauern erschollen die Fanfaren. Man hatte ihm eine Ehrengarde entgegengesandt, die ihn auf dem Weg in die Stadt begleitete.

Die Straßen wurden von neugierigen Menschen gesäumt. Als die Schaulustigen sahen, daß Antonius nicht in der Toga des römischen Magistrats erschien, sondern in der einfachen Chlamys der Griechen, brandete stürmischer Beifall auf.

Und schon hat er den Pöbel gewonnen, dachte Kleopatra, die den Zug vom Palast aus beobachtete. Wenn sie wüßten, wieviel er trinken kann, würden sie rasen vor Glück.

Antonius stürzte sich auf Alexandria wie ein Mensch, der nach langer Fahrt zurückgekehrt ist in das Reich seiner Väter, und die alte Stadt öffnete ihm dankbar die Arme und nahm ihn auf. Hier war endlich ein Mann, der sich das Kostüm des Dionysos nicht nur umlegte, sondern der ihn verkörperte und die Rolle mit Leben füllte.

Die schwere Toga, das Sinnbild römischer Macht, hatte Antonius zusammengefaltet und zum Überwintern mit der

Rüstung in eine Eichentruhe gepackt. Statt ihrer trug er griechische Gewänder mit weichen Sandalen aus attischem Leder.

Er bewegte sich ohne Leibwache und begab sich jeden Tag zum Museion, wo er - und sei es auch nur, um Kleopatra zu gefallen - den Gelehrten zuhörte. Er ließ sich die große Bibliothek zeigen, stieg nachts mit auf die Dächer, um mehr über die Astronomie zu lernen, und sah den Ärzten zu, wie sie den menschlichen Körper anhand geöffneter Verbrecherleichen studierten. Er lauschte sogar einer dreistündigen Vorlesung über die Grundlagen der Philosophie.

Dann jedoch wurde der Junge in ihm dieser Anstrengungen müde, und Antonius verbrachte abermals einen Großteil seiner Zeit bei abendlichen Banketten und Gelagen. Schon bald glich sein Leben wieder einem nicht enden wollenden Kreislauf an Ausschweifung und Vergnügen, und eines Tages gründete er einen eigenen Bund - die Amimetobioi, der Bund der Freunde des Lebens.

Die Mitglieder dieses Bundes setzten sich aus der ersten Gesellschaft Alexandrias zusammen, aus den Freunden des Hofes, reichen Kaufleuten und Bankiers aus dem Brucheionviertel. Jeden Abend fand bei einem von ihnen eine commissatio statt, ein Gelage, bei dem man sich zu überbieten suchte, was die Opulenz des Essens, die Erlesenheit der Weine und das Ausgefallene der Unterhaltung betraf.

Als die Reihe schließlich an Antonius war, verkündete Kleopatra zu seiner großen Freude, daß sie ein Bankett für zehn Millionen Sesterzen ausrichten wolle, das teuerste und ausgefallenste der Geschichte.

Es waren lediglich drei Dutzend Gäste geladen, doch die aufgetürmten Köstlichkeiten hätten für sehr viel mehr Menschen gereicht. Auf den goldenen Platten lagen Fasane aus Samos, Rebhühner aus Phrygien, gebratene Kraniche aus Milos, Zicklein aus Ambrakia, Thunfisch aus Chalcedon, Austern aus Tarent, Stör aus Rhodos, damaszenische Äpfel, in kleinen Holzgittern geschmort, in Honig eingelegte Feigen aus Parthien, geröstete Eicheln aus Spanien und gedünstete Weintrauben aus dem königlichen Anbau Ägyptens. Die Gäste aßen bis zur Völle, wobei es etliche Römer unter ihnen gab, die nach ihrer Sitte Emetika nahmen, den Magen leerten und anschließend weitertafelten.

Nachdem das Bankett beendet war und die goldenen Teller und Becher hinausgetragen worden waren, wandte sich Antonius an Kleopatra. Er schien nicht betrunken zu sein, obwohl er so viel Falernerwein zu sich genommen hatte, daß andere Menschen an seiner Stelle längst ohnmächtig gewesen wären. Obwohl das Mahl von großer Pracht und Herrlichkeit gewesen sei, verkündete er, und die Unterhaltungskünstlerinnen zweifellos entzückend waren, addiere es sich bisher noch nicht einmal auf hunderttausend Sesterzen. Er gab zu, daß es sich dabei zwar bereits um eine fürstliche Summe handele, doch sie reiche nicht an die, die sie genannt habe. Niemand, setzte er hinzu, würde es schaffen, zehn Millionen Sesterzen für ein Bankett auszugeben.

»Es ist noch nicht zu Ende«, antwortete Kleopatra und winkte ihren Mundschenk zu sich. »Bring mir einen Becher mit Essig«, trug sie ihm auf.

Kleopatra trug eine riesige Perle aus dem Roten Meer an jedem Ohr. Bereits einer dieser Ohrringe kostete mehr als ein Vermögen. Die Gäste sahen mit Entsetzen zu, wie sie einen von ihnen abnahm, die Perle aus der Fassung brach und sie in den Becher mit Essig warf, den man ihr gereicht hatte.

Sie schwenkte die Flüssigkeit eine Weile im Kreis und schaute danach in den Becher. Die Perle schimmerte ihr vom Boden aus entgegen. »Diese Perle hat etwa fünf Millionen Sesterzen gekostet«, rief sie ihren Gästen zu. »Der Essig beginnt schon, sie aufzulösen. Ihr werdet gleich Zeugen sein, wie ich den teuersten Wein der Welt trinke.« Sie setzte den Becher an die Lippen, trank ihn leer und schnitt eine Grimasse.

Die anderen stießen hörbar den Atem aus. Gewiß hatte niemand geglaubt, daß sie es wirklich wagen würde.

Kleopatra stülpte den leeren Becher um. Die Perle war verschwunden.

»Bring mir jetzt einen guten Tropfen!« befahl sie darauf ihrem Mundschenk. »So hoch der Preis des letzten war, sein Geschmack war höchst abscheulich.«

Anschließend nahm sie den zweiten Ohrring ab. »Möchtet Ihr, daß ich auch diesen trinke?« fragte sie die Gäste.

Antonius legte ihr die Hand auf den Arm. »Bitte nicht, meine Liebe. Das würden wir nicht verkraften. Du hast uns alle überzeugt.«