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»Ich wünschte, Ihr ginget achtsamer vor«, sagte er tadelnd.

»Mein Begleiter bei diesen >Ausflügen<, wie du ihn nennst, hat einmal zwei Gladiatoren hochgestemmt, eine Leistung, die ich bisher bei keinem anderen sah. Es gibt nichts zu befürchten, wenn ich bei Marcus Antonius bin. Es ist, als wäre die makedonische Wache mit mir.«

»Es ziemt sich nicht für die Königin von Ägypten, sich derart aufzuführen.«

»Deshalb geht sie verkleidet.«

»Es spricht sich aber herum.«

»Es ist eine Sache, über etwas zu reden, und eine andere, etwas zu sehen. Du hast immer noch viel zu lernen, Mardian.«

»Ich verstehe nicht, was Ihr damit zu erreichen glaubt«, beharrte er.

Kleopatra schob die Schriftrollen zur Seite und schaute ihn an. »Die Krone von Rom und Ägypten für meinen Sohn, sonst gar nichts.«

»Wie soll das angehen?«

»Es wird einen nächsten Caesar geben«, erwiderte Kleopatra vielsagend und wandte die Aufmerksamkeit wieder den Schriftrollen zu.

Mardian wollte etwas entgegnen, besann sich jedoch eines Besseren. Er verstand ihre Beweggründe nicht. Dürstete es sie insgeheim nach Vergnügen? Sollte dieser unbesonnene Römer ihr zuletzt doch zum Seelengefährten geworden sein? Unwahrscheinlich. Glaubte sie, sich Antonius gefügig zu machen, indem sie ihm Alexandria als Garten der Lüste bot?

Oder folgte sie seinen Launen, auf daß er sie als Gegenstück zur züchtigen römischen Frau betrachtete?

Nun, wie auch immer ihre Gründe aussehen mochten - er hoffte, daß sie sich nicht verrechnet hatte. Wenn sie auf einen nächsten Caesar wartete, war Antonius der falsche Mann. Aus einem Hundefell ließ sich kein Seidenteppich weben. Antonius hatte in Alexandria zur Zeit alles, was er ersehnte. Doch wie stand es mit seiner Fähigkeit, Gewonnenes zu erhalten? Besaß er dazu die Umsicht und Entschlossenheit?

Antonius war wie ein Kind. Er wollte sein Spielzeug, doch den Preis dafür kannte er nicht.

»Nein... nein... weg da! Hier kommt Caesarion! Das ist das Schiff von Caesarion!«

Der Dreiruderer rammte den kleinen Segler und ließ ihn kentern.

Caesarion kicherte und hieb mit der Faust nach dem Holzschiff.

»Du solltest besser damit umgehen«, schalt Kleopatra nachsichtig. »Apollodoros hat stundenlang an den Schiffchen gebastelt.«

»Das ist mir gleich«, krähte Caesarion. »Ich bin ein berühmter Admiral.«

»Dann mußt du dich erst recht in acht nehmen«, sagte Kleopatra. »Auch ein berühmter Admiral muß mit Stürmen rechnen.«

Sie schnipste ihm ein paar Tropfen Wasser ins Gesicht. Der Junge schaute sie überrascht an. Dann jauchzte er auf und bespritzte sie mit beiden Händen. Nach kürzester Zeit befand sich auf dem Fußboden mehr Wasser als in der Marmorwanne.

Kleopatra winkte Charmion fort und griff selbst nach dem Handtuch. Während sie Caesarion abrubbelte, wurde ihr wieder einmal schmerzhaft bewußt, wie sehr der Junge seinem Vater glich. Die gleichen Gesichtszüge, die gleichen Augen. In anderen Dingen wiederum, dachte sie mit einem Anflug von

Ärger, ähnelt er ihm nicht im geringsten. Es kam oft vor, daß sie nach Wesenszügen forschte, die sie an Caesar erinnern sollten, und statt dessen nichts anderes entdeckte als ein wildes, verwöhntes Kind.

Caesarion hatte aufgehört zu lachen und schaute sie an. »Wer ist der Mann, mit dem du immer zusammen bist?« fragte er.

»Sprichst du von Marcus Antonius?«

»Hast du ihn lieb?«

Kleopatra betrachtete ihn erstaunt. Wie ernst das kleine Gesicht mit einemmal geworden war.

»Gehst du mit ihm fort?« fragte Caesarion weiter.

»Natürlich nicht. Ich bleibe bei dir.«

»Du bist aber nie bei mir. Du bist immer bei ihm.«

Er war eifersüchtig. Kleopatra seufzte. Gleichgültig was sie tat, Caesarion verlangte nach mehr. Vielleicht lag es daran, daß ihm ein Vater fehlte, der sich um ihn kümmerte. Für sie war der Tag häufig zu kurz. Die Staatsgeschäfte nahmen sie in Anspruch, Antonius' Bedürfnisse wollten befriedigt, der Unterricht ihres Sohnes mußte beaufsichtigt werden.

Sie schlang die Arme um Caesarion und drückte ihn an sich, doch Caesarion blieb unnachgiebig und stemmte sich gegen ihre Brust.

Sieh einer an, dachte Kleopatra. Diese Eigenschaft hat er in jeden Fall von seinem Vater geerbt.

»Ich werde dich nie verlassen«, flüsterte sie. »Du bist mein ein und alles. Alles, was ich tue, tue ich für dich.«

Alexandria war ganz anders als Rom. Die bunten Farben, das Gewirr der Sprachen, breite Straßen mit Säulengängen anstatt düsterer enger Gassen, weiße Gebäude und Paläste anstelle der trostlosen römischen Ziegelmauern. In dieser Stadt fühlt man sich lebendig, dachte Antonius - und daher verstand er nicht, wieso sich jedermann mit dem Tod beschäftigte.

Kleopatras Bauhandwerker waren mit dem Mausoleum beschäftigt, das sie sich neben dem Isistempel auf der Landzunge von Lochias errichten ließ. Gewaltige Säulen aus rotem Porphyr wurden vor dem Eingang in die Höhe gezurrt, für die Zwischenräume hatte sie marmorne Sphingen geplant, an denen die Steinmetze zur Zeit arbeiteten. Anschließend würde man den Bau durch ein zweites Stockwerk ergänzen.

Antonius ließ den Blick über die nackten oder nur mit einem Lendenschurz bekleideten Sklaven schweifen, die über die Baustelle eilten. Von überall her klang Gehämmer, dazwischen ertönten die knallenden Peitschen der Aufseher. Er schüttelte den Kopf. »Diese Obsession in bezug auf den Tod ist mir unbegreiflich«, sagte er an Kleopatra gewandt.

»Es ist keine Obsession, Marcus, wenn man das Unvermeidbare ins Auge faßt. Die Tatsache, daß wir etwas nicht wünschen, heißt nicht, daß es nicht geschieht.«

»Aber du bist doch noch so jung.«

»Ich bin Königin, und meine Geschwister sind bereits tot. Unter den hohen Familien Ägyptens ist Jugend kein Schutz vor dem Tod. Ist dir das noch nicht aufgefallen?«

Antonius zuckte die Achseln. »Nein«, erwiderte er. Diese Ägypter! Wohin man auch ging, stolperte man über Grabstätten mit mumifizierten Leichen oder Läden, in denen die Einbalsamierer ihrer Arbeit nachgingen. Wenn er wüßte, daß seine Zeit gekommen wäre, würde er sich in sein Schwert stürzen, ohne Bedenken. Er würde dem Tod nicht mehr Aufmerksamkeit schenken als der Sonne am Horizont. Dessen war er sich vollkommen sicher.

15

Perusia in Italien

Octavian fröstelte in seinem Mantel, während er zusah, wie die Stadt brannte. Es verschaffte ihm auf grausame Art Befriedigung, die Folgen des Aufstands zu beobachten. Er hatte nie ernsthaft vorgehabt, die Festung zu stürmen, die als natürliche Schutzburg oben auf den Bergen thronte. Er hätte gewartet, bis sie von allein herausgekommen wären.

Bei den Göttern, es war ekelhaft kalt. Der Boden war gefroren und mit einer dicken Schneedecke überzogen. Die Belagerung hatte den ganzen Winter in Anspruch genommen, und Octavian hatte die meiste Zeit über fiebernd im Zelt gelegen, während seine Männer die Wälle mit Steinen bombardierten und die Wasserläufe unterbrachen, die die Zisternen speisten. Fulvia und ihre Anhänger würden über kurz oder lang aufgeben müssen.

Obgleich es Mitte März war, schnitt der Nordwind noch immer durch die Berge und trieb die Feuer jenseits der Mauern an. Früher am Tag hatten ihm seine Kundschafter mitgeteilt, daß sich die ersten Soldatentrupps drinnen betranken und mit dem Plündern begonnen hatten. Gegenwärtig versuchten etliche von ihnen, sich an ihren Kameraden vorbei nach draußen zu stehlen, um sich seinem Heer anzuschließen. Wie es aussah, hatten sie dabei weitere Gebäude in Brand gesetzt. Seine Befehlshaber hatten angreifen wollen, doch Octavian hatte ihnen befohlen zu warten. Ein Kampf war nicht vonnöten. Schon oft hatte er erlebt, daß sich die Gegner gegenseitig an die Gurgel gingen. So würde es auch bei Fulvia und Lucius sein.