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Ahenobarbus glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Wie konnte es einem der Triumvirn gleich sein, was in Rom geschah?

Unter den Gästen hatte sich mittlerweile erwartungsvolle Stille breitgemacht. Ahenobarbus' Blick richtete sich auf das Theaterrund unter ihm. Über dem Tempel hing ein großer runder Mond, der die Palmen zu schwarzen Silhouetten erstarren ließ. Dazwischen schimmerten weiße Marmorsäulen wie Knochen. Das Rot des Tempelsockels wurde von der Dunkelheit verschluckt, so daß es aussah, als schwebe er über der Erde.

Ahenobarbus fühlte sich unwohl zwischen den dicht gedrängt sitzenden Gästen, dem Schweiß ihrer Körper und der erdrückenden Luft, die getränkt war vom Rauch der harzigen Fackeln.

Er sah, wie etwa vierzig Priesterinnen aus einem seltsamen dreiseitigen Gebäude schritten. Sie hatten sich hölzerne Phalli um die Taille gegürtet. Widerwärtig.

»Jetzt kommt das beste von allem«, flüstere Dellius ihm zu. Ahenobarbus wunderte es nicht, daß dieser ewige Kriecher die Vorlieben seines Herrn teilte. »Das sind die Hohenpriesterinnen des Tempels. Wenn du eine von ihnen für die Nacht kaufen möchtest, kostet es dich eine Mine aus reinem Gold.«

Eine Mine aus reinem Gold? Damit konnte man die Kriegskosten einer Kohorte für ein ganzes Jahr bestreiten!

Insgeheim gab Ahenobarbus zu, daß die Frauen tatsächlich recht reizvoll waren - trotz dieses unpassenden Taillenschmucks. Sie waren vollkommen unbekleidet, die Leiber eingeölt und glänzend. Dann fingen sie an zu tanzen, einen merkwürdigen Tanz. Es war, als befänden sie sich in Trance oder stünden unter dem Einfluß eines verbotenen Elixiers.

Ahenobarbus spürte, daß ihm der Schweiß ausbrach.

Die Trommeln wurden schneller und lauter. Einer der Frauen wurde eine seltsam geformte Kupferflasche gereicht, deren Inhalt sie trank.

»Was soll das?« fragte Ahenobarbus Dellius leise.

»Das Ritual findet einmal im Monat statt«, antwortete Dellius, die Stimme rauh vor Erregung. »Ich war schon zweimal dabei. Diese Frau dort wird heute der Göttin geopfert.«

»Sie hat die tödliche Dosis eines Liebestranks zu sich genommen«, ergänzte Sisyphus mit funkelnden Augen. »Da sie weiß, daß sie sterben wird, nimmt sie an nichts mehr Anstoß. Sie wird alles mit sich machen lassen.«

»Was meinst du mit >alles<?«

»Warte es ab.«

Ahenobarbus war viele Male im Circus gewesen, hatte mit angesehen, wie Männer und Frauen von wilden Tieren zerstückelt wurden, wie man sie verstümmelt und schreiend aus der Arena schleifte, nachdem sie halb zu Tode getrampelt worden waren. Er hatte geglaubt, daß er Gewalt in jeder Form kannte. Doch was sich nun vor seinen Augen abspielte, erschütterte ihn bis ins Mark.

Die Priesterinnen trugen die Frau, die man als Opfer bestimmt hatte, zu einem Steinaltar in der Mitte des Platzes und legten sie dort ausgestreckt nieder. Danach ergriffen sie die Holzphalli und penetrierten das Opfer auf zweifache Art, ein qualvolles Ritual aus Blut und Gewalt. Die Schreie des Opfers, halb Wahnsinn, halb Raserei, hallten durch die Nacht und reichten bis zum Altar der Aphrodite. Als es dem Ende zuging, schlossen die Priesterinnen einen Kreis um das Opfer, das sich in Zuckungen wand. Ob es zuletzt der Liebestrank war, der die Erlösung brachte, oder die Wunden ihres Körpers, hätte niemand zu sagen gewußt.

Ahenobarbus merkte, daß er für eine Weile die Luft angehalten hatte. Seine Kleidung stank nach Schweiß. Er sah zu Marcus Antonius hinüber. Auch auf dessen Stirn perlte der Schweiß, und in seinen Augen glomm ein dunkles Feuer.

Oh, edler Antonius, was ist nur mit dir geschehen? stöhnte Ahenobarbus innerlich. Er wußte, daß Antonius sich auf die Riten des Dionysos eingelassen hatte. Es war ein Geheimnis, das man sich in Rom zwar nur hinter vorgehaltener Hand weitererzählte, aber letzten Endes doch immer nur als Verirrung abtat. Nun schien es jedoch, als habe sich Antonius auf den düsteren Pfaden der Leidenschaft in einem Dickicht verirrt, und als sei es den Ägyptern mitsamt ihrer lasterhaften Königin gelungen, ihn in den Wahnsinn zu treiben.

Perusia in Italien

Lucius dachte, er müsse sich jeden Moment übergeben.

Der Mann war nackt und in Ketten. Fulvia stand über ihm, das Messer hoch erhoben, Arme, Hände und Gewand blutbesudelt. Der Mann zuckte schwach, seiner Kehle entrang sich ein hoher, pfeifender Ton. Sein Bauch war aufgeschlitzt, und in der Luft lag der Gestank fauliger Verwesung.

Lucius spürte, wie ihm das Blut aus den Wangen wich. Er schwankte. Die beiden Wachen sandten ihm flehentliche Blicke zu.

»Fulvia...«, hub er an.

»Das ist einer von Octavians Spitzeln«, zischte sie.

»Bist du wahnsinnig?«

»Die ganze Stadt ist voll davon.«

Lucius machte ein paar Schritte auf sie zu. Näher heran wagte er sich nicht. Wer wußte schon, auf wen sie das Messer als nächstes richten würde? Ihre Augen loderten wild.

Lucius zwang sich, den Blick von dem Gefolterten abzuwenden. Er begann zu würgen. Selbst die Wachen wirkten elend.

»Warum hast du das getan?«

»Was ist mit euch los?« kreischte sie. »Ihr wollt Männer sein? Könnt Ihr keinen Krieg vertragen?«

»Was du tust, ist kein Krieg. Wer ist dieser Mann?«

»Er hat sich als Zenturio der Marslegion zu erkennen gegeben«, begann einer der Wachen. »Doch ehe wir...«

»Mach dem hier ein Ende«, befahl Lucius. Der Soldat trat vor und durchtrennte dem Gefangenen mit einem geschickten Hieb die Kehle. Der Mann bäumte sich noch einmal auf, danach fiel er in sich zusammen.

Fulvia schäumte vor Wut, doch Lucius wartete nicht, bis sie ihre Sprache wiederfand und über ihn herfallen konnte. Er hatte einen Entschluß gefaßt. Er würde allem ein Ende machen.

17

Octavian rümpfte verächtlich die Nase. Dieser Wicht sollte der Bruder von Marcus Antonius sein? Er sah aus wie ein Strolch, roch nach Wein und rußigem Rauch, und auf Gewand und Rüstung befanden sich eigentümliche Flecken.

Octavian bemühte sich, sein Gesicht in teilnahmsvolle Falten zu legen, während er sich die Geschichte anhörte, die sein Besucher vortrug. Fulvia habe ihn zum Aufstand verleitet, gestand er gerade, und ihn hernach zum Handlanger unvorstellbarer Greueltaten gemacht.

»Die Männer weigern sich, ihren Befehlen zu folgen«, sagte Lucius. »Sie stehen kurz vor der Meuterei.«

»Das kommt davon, wenn man Frauen gestattet, sich in die Politik einzumischen«, entgegnete Octavian. »Es ist für uns alle eine wichtige Lehre.«

»Garantiert Ihr mir, Gnade walten zu lassen, wenn wir uns ergeben?«

Du bist gar nicht in der Lage, mit mir zu verhandeln, dachte Octavian. Der Fall der Garnison ist nur eine Frage der Zeit. »Bin ich nicht Caesars Sohn?« gab er lächelnd zur Antwort.

Wenige Tage später verließ Lucius Perusia, um seinen neuen Posten als Prokonsul von Spanien anzutreten, am äußersten Rand der römischen Welt, kurz vor dem Absturz ins Nichts.

Als er mit einer Truppe von Octavians Reiterei frühmorgens die Stadt verließ, entdeckte er, daß seine Offiziere am Wegrand an den Bäumen hingen. Er ritt unter der langen Leichenreihe her und hörte das häßliche Krächzen der Krähen. Als er hochschaute, sah er, daß sie den Toten die Augen aushackten. Er erinnerte sich an Octavians Ausspruch: Bin ich nicht Caesars Sohn? Das ist also das Ausmaß seiner Gnade, dachte Lucius. Gut, daß ich Rom hinter mir lasse.

DIE KALENDEN DES MARTIUS NACH DEM RÖMISCHEN KALENDER BEZIEHUNGSWEISE DER ÄGYPTISCHE MONAT TYBI

In Alexandria

Weiße Blumen säumten die Ufer des Sees Mareotis, die Mandelbäume um den Lochias-Palast standen in voller Blüte, und in den Gärten summten Bienen und Insekten.