Antonius wanderte wie ein gefangenes Tier in dem Raum auf und ab, trank aus seinem Pokal und schleuderte ihn plötzlich in einem Wutanfall an die Wand. Der Wein sickerte rot wie Blut auf den Boden.
Kleopatra ließ ihn nicht aus den Augen. Die Welt hat dich wieder auf Trab gebracht, dachte sie. Jetzt ist keine Zeit mehr zu verlieren. Laß dich von mir leiten, und ich zeige dir einen Zipfel von Caesars Traum. Dann kannst du all das sein, was jener gewesen wäre, hätte man ihn nicht getötet. Danach werden wir sehen, ob du tatsächlich Herkules bist oder nur ein Mann mit Löwenfell und Keule.
»Ich kann Octavian noch nicht einmal der Schuld bezichtigen«, hörte sie Antonius sagen. »Fulvia hat die Legionen gegen ihn aufgestellt. Bei Jupiter, sie hat sich sogar eigene Münzen prägen lassen. Welche gesetzliche Handhabe besäße ich, gegen Octavian vorzugehen?«
Gesetzliche Handhabe? dachte sie. Welche gesetzliche Handhabe besaß denn Caesar, als er gegen Pompejus vorging? Bauern richten sich nach dem Gesetz, Könige machen sich die Gesetze selbst. »Jetzt hat Octavian dich da, wo er dich immer haben wollte.«
»O nein, das ist allein Fulvias Werk. Sie hat es getan, weil ich nach Alexandria ging, anstatt nach Rom zurückzukehren.«
»Dann laß dich endlich von ihr scheiden. Sie nützt dir nichts! Im Gegenteil, sie richtet nur Schaden an. Ich kann dir fünfzig Legionen kaufen und zudem eine Flotte. Hebe dich mit mir in die Höhe! Heirate mich, und ich biete dir die Welt.«
So - nun hatte sie es ihm noch einmal angeboten, die große, einmalige Gelegenheit, die Welt zu beherrschen.
Antonius zögerte. »Ich habe einen Pakt mit Octavian und Lepidus geschlossen, ich habe mein Wort gegeben. Was soll Rom von mir denken, wenn ich dagegen verstoße? Wir haben lange genug unter dem Bruderkrieg gelitten.«
»Ein Reich kann nicht von zwei Männern regiert werden, und von dreien schon gar nicht. Die Macht muß bei einer Person liegen. Das weißt du auch. Der Pakt war gut, als es galt, Zeit zu gewinnen und Brutus und Cassius loszuwerden.«
Antonius nagte an seiner Unterlippe.
Kleopatra spürte, wie sich das Kind in ihr regte. Ihre Brüste waren bereits voller und runder geworden. Antonius hatte noch nichts bemerkt. Sie hatte geschwiegen, wollte es ihm nicht sagen - noch nicht. Erst sollte er sich beweisen.
»Wenn du ihn nicht vernichtest«, sagte sie, »vernichtet er dich.«
Sein Blick wurde hart. Er wußte, daß sie recht behalten würde, doch er wollte es nicht hören.
Was ist bloß mit ihm los? fragte sich Kleopatra. Er kann doch sein Leben nicht auf der Ruhebank verbringen, mit einer Frau auf dem Schoß und dem Weinkrug in der Hand! Irgendwann kommt immer die Zeit, wo man wieder aufstehen und seiner Pflicht nachkommen muß.
Dieser besorgte Ausdruck auf seinem Gesicht! Sie konnte es nicht fassen, daß er die Gelegenheit, die sie ihm bot, nicht beim Schöpf ergriff. »Ich kann mein Wort nicht brechen«, sagte er.
19
Auf der Terrasse brannten die Fackeln. Kleopatra hatte die Arme über der Brust verschränkt und schaute über das Meer. Ihr Gesicht lag halb im Dunkeln, über die andere Hälfte zuckte der Widerschein des Lichts.
Antonius trat aus dem Gemach. Er trug die Rüstung des römischen Imperators mit emailliertem Brustschild und purpurrotem Umhang. Das griechische Gewand war der Tunika gewichen, die weichen Sandalen halbhoch geschnürten Stiefeln.
»Mein Täubchen«, murmelte er.
Kleopatra blieb stumm. Sie wollte nicht, daß er den Zorn aus ihrer Stimme hörte.
»Beim ersten Licht breche ich auf«, sagte er.
»Gut.«
»Zuerst ziehe ich nach Syrien und kümmere mich um die Parther, danach widme ich mich den Problemen Italiens.«
»Ich habe dir gesagt, wie sie zu lösen sind.«
»Wenn alles erledigt ist, komme ich zurück.«
»Das sagst du jetzt.«
»Ich meine es ernst.« Er hielt inne. Man muß ihn sich nur anschauen, dachte sie wütend. Er sieht aus wie Caesarion, wenn ich ihn gescholten habe. Was ich ihm geboten habe, war ihm nicht genug, denn ich zähle weniger als die Pflicht gegenüber Rom. Ich habe ihm jedes Vergnügen bereitet, habe ihm die Stadt zu Füßen gelegt und ihm meinen Körper geschenkt. Glaubt er denn, eine ägyptische Königin gäbe sich einfach bedingungslos hin? Habe ich denn nicht Grund, tödlich beleidigt zu sein?
»Keinen Kuß, bevor ich gehe?« fragte er.
»Den hebe ich für deine Rückkehr auf«, entgegnete sie mit abgewandtem Gesicht. Er schien sich unbehaglich zu fühlen und trat von einem Fuß auf den anderen. Dann schickte er sich zum Gehen an.
In diesem Augenblick kochte ihr Zorn über. »Alles kannst du haben, Marcus Antonius! Gemeinsam sind wir mehr als Rom.« »Ich komme wieder«; war das einzige, was er darauf antwortete.
TEIL IV
Cupido und Dionysos sind zwei der gewaltigsten Götter, denn sie können die Seele ergreifen und sie so weit in den Wahnsinn treiben, daß sie die Zügel verliert.
Achilles Tatius
1
Athen in Griechenland
Diese Giftnatter.
Antonius konnte Fulvias Anblick kaum ertragen. Perusia hatte sie um zehn Jahre altern lassen. Sie hatte sich die Haare mit Henna gefärbt, nach der germanischen Mode, doch das milderte nicht die Falten, die sich seit ihrer letzten Begegnung um ihren grausamen Mund gebildet hatten. Ihre Augen waren stumpf wie Blei, ihr Gesicht grau wie Basalt.
Es war jedoch weniger ihr Äußeres, das Antonius schaudern ließ, sondern die Erinnerung an das, was sie getan hatte. Diese Schlange, diese Xanthippe hatte sich in sein Leben eingeschaltet. Wenn es sich dabei um sein Liebesleben gehandelt hätte, hätte er das noch verstanden - aber nein, sie hatte sich in sein politisches Leben gemischt!
Munatius Plancus, der Speichellecker, stand hinter ihr und machte ein beschämtes Gesicht, anders als Fulvia, die ihn anfunkelte, als sei alles seine Schuld.
Das Anwesen lag auf einer Anhöhe, von der aus man einen Blick über das Meer hatte. Auf dem Boden in der Mitte des Raumes war eine Nillandschaft mit Flußpferd und Krokodil abgebildet. Ausgerechnet, dachte Antonius. Sie hatten auf beiden Seiten Stellung bezogen, zwischen ihnen schlängelte sich der Fluß, das Sinnbild seiner Sünden. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn Fulvia das Mosaik selbst in Auftrag gegeben hätte.
»Wer hätte das gedacht?« sagte Fulvia endlich mit beißendem Hohn. »Der Krieger kehrt zurück. Hattest du einen angenehmen Winter?«
Ihre Unverfrorenheit verschlug ihm einen Moment lang die Sprache. »Das gleiche könnte ich dich fragen«, erwiderte er.
»Du hast gesoffen und gehurt«, zischte sie.
«... was nichts ist im Vergleich zu deinen Taten. Ich habe dich nur einige Monate allein gelassen, und schon hast du Italien an den Rand des Bürgerkriegs geführt.«
»Ich habe es für dich getan. Kannst du das auch von dir behaupten?«
Antonius warf Plancus einen Blick zu, der daraufhin verlegen fortsah. Antonius hätte ihn am liebsten gepackt und ins Meer geschleudert. »Hast du sie in diesem Wahnsinn unterstützt?« fragte er.
Plancus' Adamsapfel hüpfte wie ein Korken auf den Wellen auf und ab. »Mein Herr...«, stammelte er und verstummte.
Antonius richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Fulvia. »Am meisten verwundert mich deine Dummheit.«
»Es wäre nicht geschehen, wenn du nach Rom gekommen wärest, anstatt deine Rute im Orient zu schwingen.«
Antonius starrte sie an. Wo hatte sie solche Ausdrücke gelernt? Sie hatte eindeutig zu lange unter Soldaten gelebt.