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Alexander glich bereits seinem Vater. Es war ein gesunder, kräftiger Junge mit einem Kopf voller Locken. Die kleine Kleopatra war zierlicher, dunkler, mit olivfarbener Haut. Kleopatra kniete neben dem Bettchen nieder, betrachtete das kaum merkliche Heben und Senken der winzigen Brust und das herzförmige Mündchen. Eine Tochter, eine Frau wie ich. Die nächste Isis.

Wie wirst du mit dieser Männerwelt fertig werden? fragte sie stumm. Mir hat sie immer nur Schmerz bereitet. Männer sind treulos, rücksichtslos und selbstsüchtig. Sie trinken zuviel und lieben zuwenig.

Einer deiner Brüder ist ein Caesar, dein Zwilling ein Antonius. Ich werde euch voreinander schützen. Ich werde nicht zulassen, daß ihr euch Böses tut, wie es bei mir und meinen Geschwistern der Fall war. Ich werde mir etwas einfallen lassen, das euch allen etwas gewährt.

Schlaf gut, meine Kleine. Ich hole deinen Vater bald zu uns zurück.

Die Albaner Berge, außerhalb Roms

Meine Schwester ist ein entzückendes Geschöpf, dachte Octavian. Octavias helle Haare lagen in Flechten über dem Kopf und waren im Nacken hochgesteckt. Sie hoben den langen Hals hervor und wirkten im Sonnenlicht golden, ganz zauberhaft. Vielleicht wußten die ägyptischen Hundesöhne doch, was sie taten, wenn sie ihre Schwestern heirateten. Ich weiß nicht, ob ich etwas dagegen hätte.

An diesem Tag war Octavia in eine elegante, golddurchwirkte Stola aus himmelblauer Seide gehüllt. An den Ohren funkelten Perlen, um den Hals lag eine Kette aus Saphiren, an den Händen glitzerten goldene Armbänder und Ringe. Sie hatte einen kleinen Schirm aufgeklappt, der sie vor der Sonne schützte, und verströmte den teuren Geruch eines zimtgetränkten Duftwassers. Sie saßen auf der Terrasse von Octavians Haus in den Albaner Bergen mit Blick über den Albaner See. Inzwischen war es Herbst geworden, und die Blätter der Bäume färbten sich golden. Die Luft war warm und schwer, und die Olivenhaine und Weinberge, die sich auf den Hängen zu ihren Füßen erstreckten, leuchteten in satten Erntefarben.

»Wie lange bist du jetzt schon verwitwet?« fragte Octavian.

»Beinahe zwei Jahre, Bruder.«

Octavian gab ein paar bedauernde Schnalzlaute von sich. So lange schon? Ihr verstorbener Mann Marcellus war einer seiner Stabsoffiziere gewesen; er war bei Philippi gefallen.

Sehr anständig von ihm, denn man wußte nie, wann man einmal eine heiratsfähige Schwester nötig hatte.

Nach diesem ruhmreichen Tod hatte Octavian die Vormundschaft über Octavia übernommen. Seitdem lebte sie unter seinem Dach. Er war froh, daß er Maecenas' Rat befolgt und sie nicht gleich wieder verheiratet hatte.

»Fehlt dir die Gesellschaft eines Gemahls?« fragte er Octavia. Ihm schien, daß es nur einen Grund gab, warum einer Frau von Octavias Rang ein Mann fehlen könne, doch im Falle seiner Schwester bezweifelte er selbst diesen. Sie wirkte kalt wie ein Fisch.

»Ich möchte das Andenken meines Gemahls nicht beflecken, indem ich schlecht von ihm rede«, antwortete Octavia nach einigem Nachdenken. »Doch es wäre falsch zu sagen, daß er mir fehlt.«

Octavian lächelte. »Aber gewiß sehnst du dich doch nach Kindern.«

»Hast du eine Ehe für mich geplant?«

»Vielleicht.« Hochgeborene Frauen konnte man in drei Gruppen aufteilen, dachte Octavian. Eine, die mit Gladiatoren ins Bett stieg, eine, die mit jedem ins Bett stieg, und eine, die zu Hause blieb. Octavia, die Götter mögen sie segnen, gehörte zu der letzten. Sie war nie eins der Gladiatorenliebchen gewesen, hatte die Stickerei wohlgeölten Muskeln und wildem Bettgerangel vorgezogen. Es hatte weder Tempeltreffen gegeben noch Verhältnisse mit Senatoren. Selbst Caesar hatte sie nicht bekommen, was auf dem Palatin noch immer große Verwunderung hervorrief.

»Ich finde, du hast Marcellus lange genug betrauert.«

Octavia schwieg. Ihre Augen waren so grau und kühl wie Schiefer. Octavian wußte selten, was sich in ihrem Inneren abspielte.

»Es wäre eine gute Ehe, sie entspräche der Schwester eines römischen Triumvirn. Ich denke an Marcus Antonius.«

Nicht die leiseste Regung, weder Interesse noch Abscheu, wobei er letzteres von einer Frau ihrer Bildung generell nicht erwartete.

»Ist dabei nicht auch Fulvias Meinung von Bedeutung?« erkundigte Octavia sich höflich.

»Nicht mehr. Sie ist tot.« Octavia betrachtete ihn forschend. Octavian hob die Hände in gespieltem Entsetzen. »Ich habe nichts damit zu tun, Schwester, obwohl der Verdacht besteht, daß sie vergiftet wurde. Das ist jedoch nicht meine Art.«

»Wo ist es geschehen?«

»In Athen. Zur Bestattung bringt man sie hierher zurück. Die Griechen wollten sie nicht begraben, aus Furcht, daß sie ihnen die Ernte verdirbt.«

»Das ist eine sehr grausame Bemerkung.«

»Ich sage nur, was jeder denkt. Du willst mir doch nicht die Wahrheit zum Vorwurf machen.«

Sie maß ihn mit unergründlichen Blicken. »Weiß Marcus Antonius von deiner Idee?« fragte sie.

»Noch nicht. Doch da sie dazu dient, Rom Sicherheit und Ruhe zu gewähren, wird er ihren Vorteil erkennen.«

Octavia seufzte. »Ich habe keinen Einwand.«

Und wenn, dachte Octavian, würde es keine Rolle spielen. »Gut, ich werde mich um alles weitere kümmern.«

In Alexandria

Kleopatra war wieder einmal früher zu ihren Pflichten zurückgekehrt, als die Ärzte es für ratsam hielten. Sie hatte ihnen die Fellachenfrauen vor Augen gehalten, die ihre Kinder während der Arbeit auf dem Feld gebaren. Und außerdem, hatte sie noch hinzugesetzt, gibt es Wichtigeres zu tun, als im Bett zu liegen und ranzig schmeckendes Gebräu zu trinken.

Es war zu Beginn des neuen ägyptischen Jahres, die Kalenden des Septembris, wie die Römer die Zeit nannten, in der der Nil anstieg. Zumindest hoffte man das in Alexandria.

Kleopatra saß mit ihren Ministern zusammen und studierte die Berichte ihrer Bezirksverwalter. Sie lauschte gerade den Ausführungen Diomedes' über den Bestand der Getreidespeicher, als Mardian unangemeldet hereinplatzte. Seine Miene verhieß nichts Gutes. Kleopatra machte sich auf das Schlimmste gefaßt.

»Laßt uns allein!« befahl sie den anderen.

Die Blicke der Minister huschten neugierig über Mardians Gesicht, ehe sie den Raum verließen. Eine derartige Unterbrechung verbreitet sich wie ein Lauffeuer im Palast, dachte Kleopatra. Erst stellt man Mutmaßungen an, danach werden Gerüchte laut.

Kleopatra holte tief Luft. Was würde es dieses Mal sein? Ein Aufstand in Oberägypten? Hatte es etwas mit Antonius zu tun? War sein Schiff im Sturm zerschellt? War er Octavian im Kampf unterlegen?

Mardian bebte wie ein Sklave, den man beim Küchendiebstahl erwischt hat. Es mußte etwas wahrhaft Verhängnisvolles eingetreten sein.

Kleopatra atmete noch einmal tief durch. »Ist Antonius tot?« fragte sie.

Der Eunuch schüttelte verneinend den Kopf, die weichen Hängebacken zitterten. »Nein, Majestät, er lebt.«

»Was ist es dann? Hat man uns überfallen?«

»Er hat mit Octavian Frieden geschlossen.«

Kleopatra spürte, wie ihr das Blut aus den Wangen wich. »Wieder?«

»Sie haben das Triumvirat in Brindisi erneuert und auf einen Bürgerkrieg verzichtet.«

Nun gut, das war zwar eine Enttäuschung, erklärte jedoch weder die Blässe seines Gesichts noch das Flattern seiner Hände. Innerlich hatte sie ohnehin gewußt, daß der edle Antonius trotz ihres Drängens nicht kämpfen würde. Caesar hätte natürlich nicht gezögert, doch Antonius war nicht Caesar.

»Womit hältst du zurück?«

»Der Friede hatte einen Preis.«

Eine Ahnung tauchte in ihr auf und schnürte ihr den Magen zu.

»Er wird Octavians Schwester heiraten.« Nachdem er es gesagt hatte, wich Mardian zurück, als fürchte er sich vor einem Wutausbruch der Königin. Doch Kleopatra starrte ihn nur an.