Die Gedanken an Antonius hielten sie wach.
Ihre Finger fuhren an ihrem Körper entlang, zwischen die Schenkel. Sie rieb sich sanft, befeuchtete die Finger mit der Zunge und ließ sie zwischen die seidigen Lippen gleiten. Sie stöhnte leise und bäumte sich auf, berührte sich, wie Julius es getan hatte.
Früher am Tag hatte sie einen Brief von Antonius erhalten.
An Ihre erlauchte Majestät, Kleopatra, Königin von Ägypten.
Wir senden Euch Grüße aus Rom und teilen Euch unsere Vermählung mit Octavia mit, ein Ereignis, das Rom mit Freude erfüllt. Überdies gratulieren wir Euch zu der Geburt Eurer königlichen Kinder, ein Ereignis, von dem wir erst jetzt erfuhren.
Wir danken Euch für Eure Gastfreundschaft während unseres Aufenthalts in Eurer prächtigen Stadt. Die Erinnerung an Eure warmherzige Freundschaft wird uns auf ewig begleiten. Wir erfreuen uns an der Gewißheit, daß Ihr uns wie auch Rom gewogen bleibt.
Imperator Marcus Antonius, Triumvir.
Der Zorn ließ ihre Finger schneller werden. Die Erleichterung kam plötzlich und heftig. Hinterher lag Kleopatra in der Dunkelheit, wach und dennoch unbefriedigt. Das Vergnügen ist wertlos, dachte sie, wenn kein Mann da ist, der einen im Schlaf umfängt.
Doch solche Gefühle bedeuteten Schwäche, und sie hatte sich geschworen, einer derartigen Schwäche nie mehr nachzugeben.
Auf dem Palatin in Rom
Das Mondlicht fiel durch die Zypressenzweige draußen vor dem Fenster und malte zarte Tupfer auf die Wände. Antonius schaute zu, wie Octavia ihre Tunika ablegte. Darunter trug sie ein Lendentuch und ein einfaches Brustband. Sie war zart wie eine Nymphe, und ihre Haut schimmerte wie Alabaster. Wie eine der Statuen im Garten, dachte Antonius.
Offenbar wünschte sie nicht, daß er sie nackt sah, denn sie schlüpfte sittsam, wie es sich für eine römische Frau gehörte, unter die Decke, um sich dort von ihrer Unterkleidung zu befreien.
Antonius rollte sich auf die Seite und streckte die Hand nach ihr aus. Durch den Vergleich mit den Statuen hatte er mit einem kalten Körper gerechnet, so daß ihn die warme Haut überraschte. Als er sie in die Arme nahm, schlangen sich ihre Glieder um ihn wie Weinreben um einen Eichenstamm. Mehr eine Umklammerung denn eine Umarmung, dachte er spöttisch.
Er küßte sie. Ihre Lippen waren weich, und ihr Mund schmeckte süß. Sie erwiderte seinen Kuß mit unerwarteter Hingabe.
Antonius schlug die Decke zurück, um sie anzusehen. »Bei allen Göttern, du bist wahrhaftig schön«, murmelte er. Die Vollkommenheit ihres Körpers war überwältigend. Sie war fast zu vollkommen.
Er beugte sich über sie und küßte ihre Brüste. Ihre Haut roch frisch und rein wie ein Bergquell. Er saugte an ihren Brustwarzen, knabberte daran mit den Zähnen, bis sie hörbar die Luft einzog und zurückzuckte.
Dann packte er sie bei den Hüften und zwang sie wieder zu sich.
Er drang in sie ein, schroff und rücksichtslos, stieß rasch und heftig zu. Er hatte nicht vorgehabt, ihr weh zu tun, doch ihre gefügige Schönheit machte ihn wütend. Seine Lust war angestachelt. Die blonden Haare und die weiße Haut verschmolzen zu einem Bild von Milch und Honig.
Doch als er die Augen schloß, lag nicht Octavia unter ihm, sondern er dachte an eine Frau mit olivfarbener Haut, an dunkle Haare, die ein Gesicht mit bemalten Lippen umrahmten, an verführerisch blitzende Augen. Mit einemmal war er wieder inmitten seiner exotischen Träume, die er glaubte aufgegeben zu haben, als er Alexandria verließ.
Antonius hatte während der Hochzeitsfeier zuviel Wein getrunken. Seine Sinne waren betäubt, die Gier hingegen aufgereizt. Den Gipfelpunkt der Lust erreichte er nicht nach einer köstlich ansteigenden Woge, sondern als plötzliche Explosion, die ihn keuchend und erschöpft auf seine schöne Gefährtin niederwarf.
Werde ich den höchsten Genuß nie mehr erreichen, ohne mir zuvor Kleopatras Bild heraufzubeschwören? ging es ihm durch den Kopf.
Octavia fuhr ihm zärtlich über die Locken, streifte sein Ohr mit ihren Lippen und flüsterte: »Ich habe mich schon so lange nach dir gesehnt, ich habe dich immer gewollt.«
Bei Jupiter, dachte er, habe ich mich verhört, oder hat sie das wirklich gesagt?
5
IM RÖMISCHEN MONAT JANUS IM JAHRE 39 VOR CHRISTI GEBURT
Die Albaner Berge außerhalb Roms
Scribonia hatte sich die Haare rotblond färben lassen, wie es der germanischen Mode, die Rom derzeit beherrschte, entsprach. Es paßte nicht zu ihr und sah lächerlich aus. Zwischen dem dünnen Haar, das sie mit dem Brenneisen gekräuselt hatte, schimmerte die blasse Kopfhaut durch, was ihrem Aussehen etwas Gerupftes verlieh. Ihr Gesicht war mit Gerstenmehl und zermahlenem Hirschhorn gepudert und wirkte starr.
Sie trug ein Gewand aus kostbarer Seide und hatte sich mit Broschen, Ringen, Ketten, Ohrringen und breiten goldenen Armreifen geschmückt. Octavian fand jedes Stück so fehl am Platz wie Verzierungen an einem Müllwagen. Scribonia war grobknochig, ihre Zähne waren schlecht, ihr Ruf war der einer Xanthippe.
Doch sie war die Tante des Sextus Pompejus, des Abtrünnigen und Seeräubers, dessen Blockade Rom in die Knie gezwungen hatte. Octavian wußte, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als sie zu heiraten.
»Einer der römischen Triumvirn«, sagte sie und musterte ihn wie einen Sklaven, den jemand zum Verkauf feilbot. »Ich hatte eigentlich etwas Besseres erwartet.«
»Ähnliches könnte ich behaupten.«
»Doch der Staat fordert die Pflicht.«
»So ist es.«
Scribonia trat auf die Terrasse. Die Statuen und Büsche in dem sanft abfallenden Garten waren mit Rauhreif überzogen. Die Rebstöcke auf den welligen Hügeln glichen knotigen braunen Skeletten. Sie würden erst wieder schön sein, wenn sie in saftigem Grün stünden, beladen mit schweren blauen Trauben. Sie ging wieder hinein und wärmte sich am Feuer der Pinienscheite, die auf dem Rost loderten.
»Ein hübsches Plätzchen habt Ihr hier. Ihr scheint mir wohlhabend.«
»Schön, daß es Euch gefällt.« »Doch wie man sich erzählt, war Euer Großvater nur Seilmacher.«
Octavians Hände verkrampften sich zu Fäusten.
»In meiner Familie gab es sieben Konsuln«, fuhr sie fort.
Sie ist also nicht nur zänkisch, sondern auch hochnäsig, dachte Octavian. Es war abzusehen, daß er sie aus ganzem Herzen hassen würde, doch auch Claudia hatte er nicht gemocht. Das spielte keine Rolle. Es galt lediglich, den Pakt von Misenum zu besiegeln, den er mit Sextus geschlossen hatte, so daß die Seestraßen wieder geöffnet würden und er noch einmal Luft holen konnte nach den vielen Kämpfen. Ein politischer Schritt, sonst nichts.
Scribonia starrte ihn finster an.
»Ich möchte ein Kind.«
Bei allen Göttern, sie meinte das ernst.
»Seid Ihr dazu in der Lage? Wie man hört, zieht Ihr Knaben wie Maecenas vor.«
Octavian nahm sich zusammen und antwortete: »Ich war nie säumig, wenn es um die Staatspflicht ging.«
Scribonia lächelte. »Nun, dann wäre auch das geregelt. Stochert also hinfort nicht mehr an falschen Orten herum.«
Damit ist der Pakt wohl besiegelt, dachte Octavian.
In Alexandria
Kleopatra nahm Caesarion bei der Hand und führte ihn durch die kalten Gewölbe der königlichen Mausoleen. Die Luft war erfüllt von dem schweren, süßlichen Geruch des Verfalls. Um sie herum befanden sich die alten Grabmäler der Ptolemaier, die Straße ihrer Ahnen, angefangen bei dem schlichten, schmucklosen Sarkophag von Ptolemaios I. bis hin zu dem aufwendigen Grabmal ihres Vaters, mit dem dionysischen Fries aus Weinreben und Efeu. Dort drüben lag die Grabstätte ihres Bruders, Ptolemaios XIII., auch im Tode gestraft von Verachtung, ohne Schmuck, nur mit dem Namen versehen. Daneben das Grab von Antiochos, aus glänzendem rosafarbenem Granit, geschmückt mit Wagenskulptur und Pferden, den Dingen, die ihm als Kind am liebsten gewesen waren.