»Erst warte ich noch ab, ob sie einen Sohn bekommt.«
»Was ist, wenn er ihr gleicht?«
»Wenn er ihr gleicht, kommt er in den Circus«, murmelte Agrippa.
»Sind dir schon Gründe eingefallen, um dich von ihr zu trennen?«
»Gründe?« wiederholte Octavian und zuckte die Achseln. »Noch nicht. Wie wäre es mit schlechtem Geschmack?«
»Warum? Weil ihr deine Geliebte nicht gefällt?«
»Nun, ich finde, das zeugt von schlechtem Geschmack.«
Es war in Rom ein offenes Geheimnis, daß Octavian sich in die junge Livia Drusilla verliebt hatte, die mit einem Senator verheiratet und im sechsten Monat schwanger war. Ob es das Kind ihres Mannes oder das von Octavian war, wußte keiner.
»Heißt das auch, daß du dich endlich um diesen kleinen Wüterich in Sizilien kümmern wirst?« erkundigte sich Maecenas, wenngleich er vermutete, daß Octavian gar keine andere Wahl hatte. Trotz des Vertrages von Misenum erreichten die Frachtschiffe mit dem Getreide Rom immer noch nicht. Sextus schob es auf die Piraten und tat so, als gehörten deren Schiffe, die vor Sizilien kreuzten, nicht zu seiner Flotte.
In Rom führte die Hungersnot zu immer neuen Aufständen. Octavian mußte etwas unternehmen.
»Sextus hatte von Anfang an nicht vor, sich an den Vertrag zu halten«, kam es vorwurfsvoll von Agrippa.
»Du könntest Antonius um Hilfe bitten«, schlug Maecenas vor.
»Ich brauche seine Hilfe nicht.«
»Aber er ist einer der Triumvirn und ist verpflichtet, mit dir gegen den Feind zu kämpfen«, hielt Agrippa ihm entgegen.
»Zudem muß nicht nur Sextus Einhalt geboten werden. Das gleiche gilt für Antonius.«
»Das stimmt«, pflichtete Maecenas ihm bei. »Wir müssen ihn noch ein Weilchen von Parthien fernhalten, denn wenn er dort siegt, sind wir am Ende. Rom würde ihn feiern wie einen Gott.«
Octavian nickte nachdenklich. »Du hast natürlich recht. Ich will sehen, was ich tun kann.«
Maecenas' Hand war unter der Tunika des Jungen verschwunden, der zu kichern anfing und sich auf seinem Schoß wand. Octavian hätte im Grunde nichts dagegen gehabt, an diesem Spielchen teilzunehmen, doch er hielt sich zurück.
»Agrippa wird sich um Sextus kümmern«, sagte er zu Maecenas.
»Agrippa?« Maecenas gluckste. »Paß auf, daß du keine nassen Füße bekommst«, sagte er zu diesem gewandt.
Agrippa legte das Gesicht in beleidigte Falten. Octavian nickte ihm aufmunternd zu. Agrippa war ein kluger Kopf und ein geschickter Taktierer. Octavian war sich nur nicht recht schlüssig, ob einem Mann zu trauen war, der keine Knaben mochte.
8
Octavians Stadthaus war ein eindrucksvolles Gebäude aus Stein. Es lag auf dem Palatin inmitten eines Hains aus Pinien und Zitronenbäumen, mit Blick über das Forum. Auf der Terrasse standen Tontöpfe mit Lorbeerbüschen, darunter plätscherte ein Springbrunnen, gesäumt von Rosenbäumen, deren Duft die Sommerluft tränkte.
Spät am Nachmittag erschien Octavia in einer Sänfte mit zugezogenen Fenstern. Octavian wußte, daß sie allein gekommen war, denn Antonius besuchte zu dieser Tageszeit die öffentlichen Bäder, wo er sich mit Freunden treffen und mit seiner Muskelpracht prahlen konnte. Octavian stellte sich vor, wie er die nackten Männer begutachtete, die im caldarium schwitzten. Eine Gewohnheit, die schwer abzulegen war, selbst wenn er sich geschworen hatte, die Ehe nur noch mit Frauen zu brechen.
Octavia wirkte blaß und vielleicht auch ein wenig zu mager, doch wen sollte das wundern? Es war gewiß nicht leicht, einen Herkules zum Mann zu haben. Dennoch machte sie einen glücklichen Eindruck.
»Behandelt Antonius dich gut?« erkundigte sich Octavian, als sie auf den Ruhebänken lagen und die Diener ihnen Feigen und Weintrauben gebracht hatten.
»Er ist ein guter Ehemann«, erwiderte Octavia.
»Dann hast du ihn gezähmt.«
»Ich fürchte nicht, denn er streicht durch das Haus wie ein wildes Tier. Wenn ich ihn gezähmt habe, dann sicherlich nicht für lange Zeit.«
Für eine Weile plauderten sie über Belanglosigkeiten, über Antonia, das Wetter und Gedichte. Sie beide verehrten Vergil und Horaz. Die Politik ließen sie jedoch aus. Es war kein Thema, das römische Männer mit ihren Frauen besprachen, geschweige denn mit ihren Schwestern.
Schließlich sagte Octavian jedoch: »Wie ich gehört habe, willst du Rom verlassen.«
»Wir reisen nach Athen. Antonius trifft Vorbereitungen zur Eroberung Parthiens, er hat sich Griechenland als Stützpunkt ausgewählt.«
Octavian setzte ein schiefes Lächeln auf. »Parthien...«
»Das war schon immer sein Ziel.«
»Sieh an. Nun, Griechenland wird ihm gefallen. Die Gelehrten dort können sich mit denen Alexandrias messen.«
Octavia fragte sich, ob er sie absichtlich ärgern wollte. Seine Miene kam ihr verdächtig vor. »Habe ich dein Wort, daß du in seiner Abwesenheit nichts gegen ihn unternimmst?«
»Wir schlossen doch einen Pakt.«
»Gegen den du verstoßen wirst, wenn es dir paßt.«
Er lächelte wieder, auch dieses Mal nicht freundlich. »Darf ich deinen Worten eine gewisse Zuneigung für unseren Herkules entnehmen?«
»Er ist jetzt mein Mann.«
»Gewiß.«
»Und er hält sein Wort, Octavian. Er tut dir nichts, wenn du ihm nicht schadest.«
»Du machst dir tatsächlich etwas aus ihm. Ich hätte nie gedacht, daß dir Gladiatoren gefallen, ich hielt dich eher Dichtern zugeneigt.«
»Spar dir deinen Spott!« fuhr sie ihn an.
Ihr kleiner Bruder hatte sich verändert. Richtig gemocht hatte sie ihn zwar nie, doch nun beschlich sie erstmalig ein Gefühl der Furcht. Seine Eifersucht auf Antonius war offenkundig geworden, seit dieser nach Rom zurückgekehrt war. Octavian hatte aufgehört, sich die Beine zu enthaaren, und hatte sich einen Bart stehenlassen, um männlicher zu erscheinen - und das, obwohl sich die Macht seit Perusia zu seinen Gunsten verlagert hatte.
Octavia waren die Gerüchte über Livia Drusilla und ihren Bruder inzwischen auch zu Ohren gekommen. Livia war eine hübsche und angesehene Frau, wogegen man Octavian nur schwerlich als attraktiv bezeichnen konnte, erst recht nicht dann, wenn ihm, wie jetzt, die Nase lief und er in seiner dicken Tunika und seinem wollenen Leibwärmer noch immer vor Kälte zitterte wie ein durchnäßtes Schaf. Wie bei manch anderen Männern auch, schien ihn jedoch die Macht begehrenswert zu machen.
Für Octavia war die Geschichte mit Livia ein Zeichen, daß das Einvernehmen zwischen ihrem Bruder und Sextus dem Ende zu ging - vorausgesetzt, es hatte je bestanden.
Livia Drusilla war mit Tiberius Claudius Nero, einem Vetter von ihr, verheiratet, einem kriecherischen Versager, der von einer Krise in die nächste stolperte und sich weder durch Mut noch durch Treue auszeichnete. Er hatte Caesar gegen Pompejus unterstützt, sich nach dessen Tod im Senat jedoch für Brutus stark gemacht. Nach den Proskriptionen hatte er sich auf die Seite von Antonius geschlagen, doch als Perusia fiel, war er nach Sizilien geflüchtet und hatte sich mit Sextus verbündet. Nach dem Vertrag von Misenum war er dann zu Octavian übergelaufen. Böse Zungen behaupteten, daß er sich den Namen dessen, dem er gerade anhing, abends auf einer Wachstafel notierte, da er sonst Gefahr liefe, sich nach dem Erwachen nicht mehr daran zu erinnern.
Livia entstammte einer der ältesten römischen Aristokratien. Wenn Octavian es schaffte, sich mit ihr zu vermählen, wäre das ein wichtiger Schritt zur Gewinnung der Republikaner. Octavia hatte auch gehört, daß ihr Bruder Livias Ehemann die Scheidung angeraten, und dieser, in seinem Eifer zu gefallen, darin eingewilligt hatte. Ein gefälliger Mensch, alles was recht war.
»Es wird erzählt, du hättest dir eine Geliebte zugelegt«, sagte sie jetzt.