»Caesars Blut läßt sich wohl nicht verleugnen.«
»Sie ist blutjung und schwanger. So weit ist Caesar nie gegangen. Ist es dein Kind oder das ihres Mannes?«
Das zufriedene Grinsen erlosch auf Octavians Gesicht. »Ich brauche keine Lektion von dir. Das ist meine Angelegenheit.«
»Ich hoffe nur, daß du Antonius nicht ebenso kalt fallenläßt, wie du es bei Scribonia erwägst.«
»Scribonia ist meine Frau, ihr schulde ich nichts. Antonius ist ein ganz anderer Fall. Zudem wünsche ich die Sache nicht weiter zu erörtern.«
Er hatte es mit leichtem Spott gesagt, doch Octavia wußte, er meinte die Scheidung ernst. Sie hoffte nur, daß er nicht annahm, auch sie würde sich ihres Mannes so leicht entledigen, wenn es politisch ratsam wäre. Sie hatte Antonius ins Herz geschlossen, denn er hatte das Zeug, ein großer Mann zu werden - wenngleich nicht unbedingt ein guter.
Die Sänfte schaukelte durch die Straßen des Aventin. Die Schreie der Händler und der Rauch aus den Badehäusern drangen durch die zugezogenen Fenster. Octavia dachte über die Worte ihres Bruders nach. Es war noch nicht entschieden, ob sie den Winter in Rom verbringen würde. Antonius fand, daß die Stadt zu weit von seinen Provinzen entfernt war, und wollte nach Athen.
Nun, wo immer es ihn hinzog, sie würde ihm folgen. Octavia wußte, was über ihren Mann und ihren Bruder geredet wurde, und daß man ihnen Böses unterstellte. Sie hoffte, daß sie sich nie für einen von beiden entscheiden mußte, denn sie waren die einzige Familie, die sie besaß.
In Alexandria
Kleopatra ließ den Blick über die Liste in ihrer Hand wandern. Ab und zu hielt sie inne und erkundigte sich bei ihrem dioiketes über die genaue Bedeutung der einzelnen Posten, wobei sie ihn scharf musterte, um zu sehen, ob er bei einer der Antworten zögerte oder den Blick senkte. Das sorgfältige Prüfen der Zahlen war ein Weg, sich der Ehrlichkeit ihrer Minister zu versichern. Ägypten war zwar reich, doch die menschliche Gier durfte man nicht unterschätzen.
Eine weitere Möglichkeit der Kontrolle war, die Minister sich gegenseitig überwachen zu lassen, denn auf ihren Eifer, den anderen zu entlarven, war größter Verlaß.
Als sie die gewünschten Auskünfte eingeholt hatte, entließ sie ihr Opfer und wandte sich an Mardian. »Nun, was hältst du von seinen Ausführungen?«
»Ihr wart sehr unerbittlich, Majestät.«
»Er ist der dioiketes, er hat sich vor mir zu verantworten.« Auf Kleopatras Tisch stand eine runde Hülse aus Metall. Sie ergriff sie und warf sie Mardian zu.
Er entnahm ihr eine Schriftrolle. Es war eine Botschaft von Apollodoros aus Athen, und Mardian überflog die Zeilen.
Antonius hatte es sich offenbar in Athen bequem gemacht, wo man ihn aufgenommen hatte wie einen verlorenen Sohn. Er war zum Schutzherrn der dortigen Spiele ernannt worden und hatte in seiner Rolle als neuer Dionysos an einem Kultfest zu Ehren der Göttin Pallas Athene teilgenommen.
Er hatte also wieder den Lebensstil aufgenommen, von dem er sich in Alexandria nur so widerwillig getrennt hatte. Ein Gelage folgte dem nächsten, wobei es sich um derart ausschweifende Orgien handelte, daß selbst die Griechen staunten - und das wollte etwas heißen.
»Sie errichten ihm Statuen«, zischte Kleopatra wütend. »Versehen mit Inschriften wie: dem großen und unnachahmlichen Antonius.«
»Groß und unnachahmlich wobei?« spöttelte Mardian und versicherte sich mit einem hastigen Blick, ob Kleopatra die Anspielung unziemlich fand. Wie es schien, war die Königin jedoch eines Sinnes mit ihm.
»Zur Zeit ist ihm Fortuna noch hold«, sagte Kleopatra. »Aber das wird nicht andauern, warte es nur ab. Bald wird er Botschaften nach Alexandria senden und uns ewige Liebe schwören. Ich weiß es genau.«
»Er scheint in der Tat gesegnet zu sein«, stimmte Mardian ihr zu. Gesegnet mit einem ausgezeichneten Feldherrn, dachte er insgeheim.
»Ich sollte mich nicht ärgern«, fuhr Kleopatra fort. »Doch seine Blindheit ist erstaunlich. Vielleicht haben die Griechen recht - vielleicht ist er ein Gott. Seine Schwächen jedenfalls übertreffen die eines gewöhnlichen Menschen bei weitem.«
»Auch seine Unbeschwertheit wirkt auf mich göttlich.«
»Nur daß die Götter sich das Unbeschwertsein leisten können, immerhin sind sie unsterblich.« Kleopatra schüttelte den Kopf.
»Oh, Mardian, was soll ich nur tun?«
Mardian verstand ihre Not. Die richtigere Frage wäre jedoch, was sie tun konnte. Sie ist Ägypten, dachte er. Sie muß sich mit Rom verbinden oder es bezwingen. Bezwingen konnten sie das mächtige Reich aber nicht. Demnach bliebe nur die Verbindung. Und von den beiden Römern, die dazu zur Auswahl standen, war einer ihr größter Feind - und der andere Marcus Antonius.
»Ich habe erfahren, daß Antonius in seinen Provinzen die Statthalter zu Königen kürt«, sagte Mardian. »Herodes ist jetzt König von Judäa und Amyntas König von Galatien. Das hat Antonius im Osten sehr beliebt gemacht.«
»Einem Mann, der Könige ernennen kann, wird es an Freunden nie mangeln, desgleichen aber auch nicht an Feinden.«
»Das Rad des Schicksals dreht sich schnell«, murmelte Mardian vieldeutig.
»Gewiß«, antwortete Kleopatra. »Aber wird es sich auch schnell genug drehen, um Ägypten zu retten?«
9
Auf dem Palatin in Rom
Scribonia, bar jeder Schminke, das Haar wirr um den Kopf, das Gesicht fahl und erschöpft von den Anstrengungen der Geburt, war ein unerfreulicher Anblick. Genaugenommen erinnerte sie Octavian an einen nassen Lappen, den man ausgewrungen und fallen gelassen hatte.
Nun, dachte er, was mußte sie in ihrem Alter auch noch ein Kind gebären? Es geschieht ihr nur recht.
Octavian stellte sich ans Fußende des Bettes und lächelte auf Scribonia hinab. Er genoß es, sie leiden zu sehen.
Ihre Sklavinnen und Dienstbotinnen drängten sich um das Bett. In dem Raum hing ein unangenehmer Geruch, bei dem Octavian befürchtete, daß er von Blut stammte. Eine der Geburtshelferinnen hastete an ihm vorbei und schaffte ein Behältnis aus dem Raum, in dem sich die Nachgeburt befand. Bei Jupiter, welch eine ekelhafte und widerwärtige Angelegenheit!
Scribonia hielt ein kleines Bündel in den Armen. Octavian beugte sich vor und erspähte ein rosafarbenes kleines, runzeliges Gesicht.
»Es ist ein Mädchen«, verkündete ihm eine der Frauen. Na gut, damit wäre das erledigt. »Ich bin hier, um dir zu sagen, daß ich mich scheiden lasse«, sagte Octavian.
In Athen
Octavia folgte dem Lachen über die marmornen Gänge, vorbei an den mannshohen Vasen aus Porphyr, den hohen Säulen, um die sich rote Glyzinien rankten, den kunstvoll geschnittenen Hecken, dem plätschernden Brunnen. Vorbei auch an den Statuen des Dionysos, des Herkules und der Statue von Antonius selbst. Sie eilte durch die Kolonnaden, die den Innenhof umgaben, vorbei an den Gärtnern, die die Beete mit den Rosen hegten. Sie fand Antonius in einem der Räume am hinteren Ende der Säulenhalle, zusammen mit Antonia. Er warf das Kind in die Luft und fing es wieder auf. Das kleine Mädchen quietschte vor Vergnügen.
Octavia genoß den Anblick und lächelte versonnen. Das Kind liebte Antonius abgöttisch, und umgekehrt galt das zweifellos ebenso. Octavia wünschte, alles würde immer so bleiben wie jetzt.
Antonius hielt inne und drehte sich um. Er sah, daß sie ihn beobachtete, und grinste ihr zu.
»Ich wußte nicht, daß du hier bist«, sagte sie. »Sie ist schon wieder größer geworden«, gab Antonius zur Antwort. »Eines Tages sieht sie so aus wie du.«
»Oder wie du, was ich nicht hoffe.«
Er lachte schallend. »Mit dicken Muskeln und einer Knollennase? Ich hoffe nicht. Was sagst du dazu, mein süßes Prinzeßchen?« Er warf die Kleine abermals hoch und fing sie wieder auf. Das Kind juchzte und fuchtelte mit den kleinen Fäusten durch die Luft.