»Die Sache regeln«, knurrte Antonius. Als ob sie das könnte! Er starrte sie an. Arme Octavia, ihre Lage war so unschön wie seine. Vielleicht sollte er ihr eine Chance geben. Er mochte sie gern - auf seine Weise. Und einen Bruch des Abkommens wollte er ebensowenig wie sie. Er mußte die Sache mit Sextus erledigen, um anschließend ungehindert nach Parthien ziehen zu können. Seine Zukunft lag im Osten, Italien interessierte ihn nicht mehr. Octavian sollte damit glücklich werden. Solange jedenfalls, wie er ihm die Armee überließ.
»Dann schreibe ihm«, gab Antonius nach. »Ich werde warten. Vielleicht läßt sich dieses Debakel ja noch retten.«
Sie warteten zwei Monate, in denen die Kuriere zwischen Rom und Tarent kreuzten. Aus dem Frühling wurde Sommer, die Tage wurden heißer, der Ozean blau und glatt. Ich sollte in Parthien sein und Krieg führen, dachte Antonius, anstatt hier weintrinkend und wütend in einem stinkenden Hafen zu sitzen. Das Bübchen treibt es zu weit.
Ein warmer Windhauch ließ die Türklappe des Zeltes flattern. Antonius schleuderte wütende Blicke über den Tisch, verbiß. sich jedoch jeden Kommentar. Da saß er also. Octavian, der Wurm, mürrisch und schniefend. Den holden Maecenas an seiner Seite und diesen Holzkopf, Agrippa. Octavian hatte dem Trottel den Oberbefehl über die Flotte erteilt. Lediglich ein paar kleine Scharmützel am Rhein hatte der Bursche gewonnen, und schon glaubte er, er sei Admiral.
Was Antonius am meisten aufbrachte, waren die Geschichten, die Octavian über ihn und Kleopatra verbreitet hatte. Dieser elende Heuchler! Nach allem, was er gehört hatte, waren Octavian und seine Spießgesellen selbst nicht abgeneigt, wenn es um Huren und Würfelspiel ging. Der junge Caesar hatte angeblich eine Vorliebe für Jungfrauen entwickelt, die ihm der liebe Maecenas mit beträchtlichem Kostenaufwand besorgte.
Obwohl - wenn man ihn sah, wollte man es nicht glauben. Mitten im Hochsommer trug Octavian zwei Tuniken übereinander, nieste und schneuzte sich die Nase. Ein Wunder, daß er so lange am Leben geblieben war. Andere wurden bei seinem Anblick schon krank - die Haut dünn wie Pergament und Zähne, die wie moosige Felsen aus Sumpfgewässern ragten.
»Du siehst gut aus«, sagte Antonius. Octavian überlief ein Schauer, als ob ihn fröstele. In einem Jahr, dachte Antonius, wird Italien meine Sache sein.
»Ich habe mich ein wenig verkühlt«, erwiderte Octavian. »So etwas wird man nur schwer wieder los. Dazu kommt, daß mir die Füße schmerzen. Ich hätte Rom nicht verlassen dürfen, doch Octavia hat mich ja angefleht zu kommen.«
Diese kleine Ratte. »Ich hätte Athen nicht verlassen dürfen«, wiederholte Antonius und warf Octavians Brief auf den Tisch. »Doch du hast mir das hier geschrieben.«
Octavian betrachtete das Schriftstück so pikiert, als sei es etwas, das der andere hervorgehustet hatte. »Es war ein Irrtum.«
»Einer, der mich den größten Teil des Sommers gekostet hat.«
»Inzwischen habe ich mich entschieden, selbst mit Sextus abzurechnen.«
Antonius hatte gute Lust, den anderen vom Stuhl zu zerren und grün und blau zu schlagen. Dieser schniefende, anmaßende Wurm. »Und warum«, polterte er los, »hast du mir diesen Wisch hier geschrieben?«
Auf diese Weise ging es noch eine Weile hin und her. Maecenas und Agrippa flüsterten Octavian ihre Ratschläge ins Ohr, während der junge Caesar in seinen Tuniken fror und so tat, als sei sein Brief ohne Bedeutung und Antonius' Gegenwart lästig. Doch schließlich wurde ein weiteres Abkommen unterschrieben. Antonius würde hundertzwanzig der mitgebrachten Schiffe bei Octavian lassen - er brauchte sie ohnehin nicht, doch das wußte Octavian nicht - im Tausch gegen zwanzigtausend gallische Legionäre, die ihm nach Parthien folgen würden. Das Triumvirat wurde um weitere fünf Jahre verlängert, und als Zeichen des Vertrauens versprach Octavian, seine Tochter Julia, die nun zwei Jahre alt war, mit Antyllus zu vermählen, Antonius' Sohn aus der Ehe mit Fulvia, der gegenwärtig neun Jahre zählte.
Leicht war Antonius die Einwilligung nicht gefallen. Während der Verhandlungen hatte Canidius ihm in einem vertraulichen Gespräch geraten, sich besser mit Sextus zu verbünden. Sextus, so hatte er argumentiert, hatte Antonius' Mutter Schutz gewährt, als diese darum bat. Er würde die Seeherrschaft im italischen Teil des Mittelmeers beizutragen haben. Doch Antonius entschied sich schließlich doch für die Truppen, den Frieden und das Triumvirat in der bestehenden Form. Sein Blick war auf den Osten gerichtet, mit Rom und den damit verbundenen Problemen wollte er nichts zu tun haben.
Zudem, dachte er im stillen, bekomme ich das von allein, wenn mir erst Parthien gehört.
TEIL V
Später liegen wir lange tot, und die Jahre zuvor verleben wir schlecht.
Sappho
1
Antonius verbrachte auch die restlichen Sommermonate in Tarent. Octavia bekam ihr Kind. Es war wieder ein Mädchen. Als der Sommer verstrichen war, hatte Octavian die vier zugesagten Legionen noch immer nicht geliefert.
Abermals ein Jahr vertan, dachte Antonius, noch einmal einen Sommer vergeudet, in dem er in Syrien hätte sein sollen, um gegen die Parther zu kämpfen und Alexanders Ruhmestat nachzueifern. Er gab seiner Flotte Befehl, die Segel zu setzen -in Richtung Griechenland. Sie überquerten das Adriatische Meer und liefen den Hafen von Kerkyra an.
Antonius stand an Deck seines Flaggschiffs und schaute zu den zarten weißen Wolkenfedern hoch, die sich über den Himmel fächerten. Jenseits der Bucht döste Kerkyra in der Nachmittagssonne vor sich hin. Er sog den Geruch des Hafens ein, nasses Leinen und Pech, sah den Schaumkronen zu, die auf den Wellen tanzten, und hielt das Gesicht dem Wind entgegen. Endlich wieder frei von Rom!
Mit einemmal wallte Zorn in ihm auf, und er umklammerte die Reling. Das Bübchen hatte es gewagt, ihn abermals hereinzulegen. Er war mehr als geduldig gewesen und hatte sein Wort gehalten, wo andere es längst gebrochen hätten. Und was war der Lohn? Der kleine Mistkerl führte ihn an der Nase herum. Im letzten Sommer hatte er das gleiche Spiel getrieben. Damals hatte er Antonius nach Brindisi gelockt und ein wichtiges Treffen vorgetäuscht, zu dem er selbst nicht erschienen war. Immer wieder hatte er Antonius' Anläufe, den Krieg gegen Parthien zu beginnen, gestört. Erst hatte er ihm die gallischen Truppen entrissen, und nun verwehrte er ihm die Soldaten, die er in Tarent versprochen hatte.
Antonius hatte es satt. In den letzten Tagen war er zu einem Entschluß gekommen. Er würde sich die Mätzchen nicht länger bieten lassen, er würde diesem Wurm, der sich für Caesar hielt, nicht länger als Spielzeug dienen. Die eigene Schwester hatte das Bübchen benutzt, um ihn an sich zu binden. Und wer wußte denn überhaupt, ob Octavia ihn nicht ausspionierte? Doch damit war es jetzt aus und vorbei.
Octavia tauchte aus dem Unterdeck auf, gefolgt von der kleinen Antonia und einer Amme, die den Säugling trug. Octavias Gesicht war blaß und von Erschöpfung gezeichnet. Sie war während der Überfahrt seekrank gewesen.
Aus dem Hafen hatte sich eine Liburne gelöst, die auf sie zugehalten hatte und nun längsseits des Flaggschiffes anlegte. »Wie es scheint, kommt uns jemand besuchen«, sagte Octavia.
»Nein«, erwiderte Antonius. »Ich habe beschlossen, daß du einige Tage an Land verbringst. Da kannst du dich ausruhen, ehe du dich wieder nach Italien begibst.«
Octavia blickte ihn verständnislos an.
»Wir reisen nach Italien zurück?« fragte sie.
»Nur du und die Kinder.«
»Du kommst nicht mit uns?«
»Ich habe dir eine Eskorte besorgt. Es wird dir nichts geschehen.«
Octavia schien für einen Moment zu schwanken und hielt sich an der Reling fest. Die Geburt und die Überfahrt haben ihr zugesetzt, dachte Antonius. Und jetzt auch noch dieser Schreck. Doch er konnte es nicht ändern. Wenn sie nur nicht zu weinen begann. Weinende Frauen konnte er nicht ertragen.