»Und was tust du?« fragte sie mit erstickter Stimme.
»Ich fahre weiter nach Athen.«
»Aber mein Platz ist an deiner Seite!«
»Die Reise wird dir zuviel. Du bist noch immer geschwächt und sollst nicht noch mehr leiden. Ich breche bald nach Parthien auf, da ist es besser, wenn du mit den Kindern nach Rom zurückkehrst.«
»Ich wünsche dich nicht zu verlassen.«
Er wandte ihr den Rücken zu. »Es ist beschlossene Sache«, sagte er.
»Aber Antonius... «
»Ich habe meine Entscheidung getroffen«, kam es barsch zurück.
Wenngleich er ihr weiterhin den Rücken zugekehrt hielt, wußte er, welches Gesicht sie jetzt zog. Traurig und gekränkt aussehen, das konnte sie gut! Na, vielleicht war die Trauer echt, Antonius war sich darüber nie recht im klaren. Ebensowenig wußte er, ob sie ihm oder Octavian ergeben war.
Doch es gab eine Person, der er trauen konnte. Nicht ganz und gar vielleicht, doch zumindest wußte er, was sie von ihm wollte. Und was noch wichtiger war: was er von ihr wollte. Ihr Geld brauchte er und ihre Flotte. Gegen gewisse Zugaben hätte er auch nichts einzuwenden, aber so dumm war er nicht, daß er nur deshalb zurückginge. Sicher, sie hatte ihre Reize, und seinen Willen ließ sie ihm auch - doch Pläne auf dem Treibsand der Liebe zu errichten wäre nur Narretei.
Die Würfel waren gefallen. Sein Entschluß würde eine deutliche Sprache sprechen. Hier, würde er dem Wicht sagen, hier hast du deine Schwester wieder! Ich will weder sie noch ihre Kinder - noch dich.
Antonia fing an zu weinen, als sie begriff, was geschah. Er würde sie vermissen. Sie war noch zu klein, um ihn zu verstehen.
Als sie aufbrachen, wich er Octavias Blicken aus. Man half ihr und den Kindern in die Liburne, die Matrosen machten die Leinen los, das kleine Schiff entfernte sich und hüpfte über die Wellen zurück in den Hafen von Kerkyra.
Antonius wußte, daß damit ein Kapitel seines Lebens abgeschlossen war. Höchste Zeit, das Ruder wieder selbst in die Hand zu nehmen. Dem Schicksal entgegenzusegeln.
In den Osten - zu Kleopatra.
2
In Alexandria
Kleopatra empfing Gajus Fonteius Capito auf der Terrasse des Palastes und nicht im Audienzsaal. Sie kannte ihn noch seit Antonius' Zeit in Ägypten. Vielleicht hatte Antonius ihn ihr deshalb als Gesandten geschickt.
Sie hatte gewußt, daß einer von ihnen kommen würde! Octavian oder Antonius. Das Schicksal hatte sich für Antonius entschieden. Vielleicht hatte er jetzt eingesehen, was sie ihm damals verkündet hatte. Seine Zukunft lag bei ihr - bei ihr und Alexandria.
Doch erst einmal wollte sie sich anhören, was dieser neue Gesandte auf dem Herzen hatte.
Die Sonne brannte heiß auf das Dach des seidenen Baldachins. Die syrischen Sklaven wedelten eifrig mit den gefiederten Fächern und verscheuchten die Fliegen, die träge und laut durch die stille Sommerluft summten. Capito ließ sich gekühlten Wein in einen Pokal einschenken. Kleopatra nippte an einem Jadebecher mit parfümiertem Wasser. Das Meer lag blau und ruhig zu ihren Füßen.
»Erlauchte Majestät, ich überbringe Euch die Grüße meines Herrn Antonius.«
»Ich weiß leider nicht, ob ich mich seiner erinnere.«
Capito konnte sich eines Schmunzelns nicht erwehren. »Nun, er erinnert sich Eurer bestens.«
Wie reizend, dachte Kleopatra. Die Römer werden gönnerhaft. »Es gibt einen Unterschied zwischen sich einer Person erinnern oder sie in Reserve halten. Das eine ist Sache des Herzens, das zweite ist Strategie.«
»Majestät, bei Antonius ist es eine Sache des Herzens. Er bat mich, Euch zu versichern, wie sehr er die Länge der Zeit bedauert, die seit Eurer letzten Begegnung verstrich. Er bittet Euch zu sich nach Antiochia, um sich an Eurem Liebreiz zu erfreuen.«
»Nette Worte, Capito, und sehr hübsch vorgetragen. Schade nur, daß man mir nicht leicht schmeicheln kann. Vier Jahre kaum ein Wort, und nun schickt er Euch und bittet mich nach Antiochia? Soll ich etwa wie ein verliebtes Mädchen folgen?«
»Die Vergangenheit ist vorbei. Er tat, was er tun mußte.«
»Er tat, was ihm beliebte - wozu auch der Verrat an mir gehört. Als er mich verließ, gab es einen Grund. Und der war nicht, sich in Rom wieder neu zu vermählen.«
Capito hielt ihrem zornigen Blick stand, was sie ihm hoch anrechnete. »Das waren doch nur politische Gründe, Majestät.«
»Nur politische Gründe? Wie man mir sagt, ist seine Frau sehr schön.«
»Wie man es sieht... «
Kleopatra mußte ein Lächeln unterdrücken. »Wie darf ich das verstehen?«
»Sie ist wie eine schöne Statue. Doch Marmor läßt sich nicht so leicht erwärmen.«
»Sie kann nicht allzu kalt gewesen sein. Sie haben immerhin zwei Kinder.«
»Ein Mann tut seine Pflicht.«
»Ein Mann tut, was er will, aber das läuft ohnehin auf dasselbe hinaus.«
Capito zuckte die Achseln, was so gut wie alles bedeuten konnte. »Ihr wart stets in seinen Gedanken. Darauf gibt er Euch sein Wort.«
»Ich kenne den Wert seines Wortes.« Kleopatra wandte den Kopf ab und schaute über das Meer. Sie wollte Zeit zum Nachdenken gewinnen und Capito noch eine Weile zappeln lassen. Sie sah, daß ein Dreiruderer den Hafen verließ. Eine neue Getreidesendung für Rom, falls das Schiff Sextus' Piraten entging. Armer Octavian! Da war er der Sohn eines Gottes und immer noch nicht in der Lage, Rom zu ernähren. Wie leicht er jetzt zu stürzen wäre, wenn Antonius Kraft und Entschlossenheit besäße!
»Majestät, laßt mich noch einmal betonen, daß ich mich auf das Herz meines Herrn verstehe. Wie oft habe ich mit ihm zusammengesessen, und immer sprach er nur von Euch!«
»Um zu prahlen, wie ich vermute.«
Capito tat entrüstet. »Niemals! Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sich nicht mit Octavia vermählt. Es war eine politische Notwendigkeit.«
»Wie schön Ihr Eure Rede setzt, Fonteius Capito. Ihr solltet Teppiche verkaufen.«
»Er möchte seine Kinder sehen.«
»Die hat er auch in jedem anderen Hafen.«
Doch vielleicht hat Capito sogar recht, dachte Kleopatra. Antonius hatte Alexander und Kleopatra noch nie zu Gesicht bekommen. Trotz seiner zahlreichen Nachkommenschaft wird ihn die Neugier treiben.
»Die Ehe mit Octavia ist zu Ende«, sagte Capito. »Antonius wünscht Euch zu sehen.«
»Oh, Capito, ich wünschte, Ihr könntet Euch sehen! Ihr hättet Schauspieler werden sollen.«
»Ich sage nur die Wahrheit.«
Welch eine Unverfrorenheit! dachte Kleopatra. Nach allem, was geschehen ist, glaubt Antonius, er könne einfach da weitermachen, wo er einst alles fallengelassen hat? Sein Glück, daß sie ihn ebenso brauchte wie er sie. Doch mit dem Herzen hatte das nichts zu tun. Antonius war der einzige Mann, der Octavian Einhalt gebieten konnte, wenn dieser sich eines Tages an die Verfolgung Caesarions machen würde.
Doch zuerst wollte sie dieses Geplänkel mit seinem Boten noch ein wenig länger genießen. »Und warum, glaubt Ihr, sollte ich ihm helfen?«
»Oh, Majestät! Er bittet Euch nicht um Hilfe!«
»Falls ich mich mit ihm in Antiochia treffe, wird er mich also nicht um Soldaten, Geld und Getreide bitten?«
Capito beschloß, einen anderen Weg einzuschlagen. »Er wird auch ohne Euch nach Parthien ziehen. Doch wenn Ihr ihm helft und er dort siegt, wird er sich Eurer Hilfe erinnern. Und wenn er verliert, steht niemand mehr zwischen Euch und Octavian.«
Kleopatra lächelte kalt. Endlich kommen wir zur Sache, dachte sie. »Hat Antonius Euch gesandt, um mir zu drohen?«
»Nein. Doch er kennt Eure Lage so gut wie Ihr.«
Sie nickte nachdenklich. »Gut«, sagte sie. »Ich komme. Doch nicht, weil er mir droht. Richtet ihm aus, daß ich dieses Mal nicht als Königin der Liebe erscheinen werde. Dieses Mal komme ich als Königin von Ägypten.«