Capito lächelte und verneigte sich. Er schien zufrieden. Der große Traum war für alle greifbar nah gerückt.
Auf dem Palatin in Rom
Octavian hatte sich auf einer Ruhebank auf der Terrasse ausgestreckt. Ein Hut mit breiter Krempe schützte sein Gesicht vor der Sonne. Seine Tunika war schlecht geschnitten. Der oberste Herrscher Roms ließ bei der eigenen Ehefrau schneidern. Ein entsetzlich geiziges Paar, dachte Octavia. Sie wußte, daß die Römer über ihren Bruder lachten und ihn für verschroben und kauzig hielten. Er gab jedenfalls keine Sesterze zuviel für seine Kleidung aus, soviel war offenkundig.
»Schwester«, begrüßte er sie und nahm sich eine der Erdbeeren, die vor ihm standen. »Wie geht es den Kindern?«
»Es geht ihnen gut. Sie wachsen und gedeihen.«
Als ob ihn das interessierte, wo er doch in Wirklichkeit nur Neuigkeiten über Antonius loswerden wollte, dachte Octavia. Warum kam er nicht gleich zur Sache?
»Die älteren vermissen ihren Vater«, setzte sie hinzu, um ihn auf das eigentliche Thema hinzulenken. Auch Antyllus gehörte nun zu ihrem Haushalt.
»Sind sie seine Launen nicht inzwischen gewöhnt?« fragte Octavian und schenkte sich Wein ein. Der Lärm der Stadt drang aus der Ferne zu ihnen. Man sah die Tempeldächer in der Sonne glänzen, dazwischen die dunkleren Flecken der Gerichtsgebäude und der Basilika.
»Du hast etwas über Antonius erfahren«, begann Octavia erneut. »Bitte erzähle es mir.«
»Er hat uns verlassen, Octavia.«
»Was meinst du mit >verlassen<? Ist er tot?«
»Nicht tot, obwohl es fast das gleiche ist. Er hat dich verlassen und unsere Familie entehrt.«
Octavias Miene verriet nichts. Natürlich hatte sie gewußt, was Antonius plante, bereits in dem Augenblick, als er sie nach Italien zurückschickte. Sie faltete die Hände im Schoß. Es war diese Frau - diese Ägypterin. Sie war schon immer eine größere Gefahr gewesen als die Sklavinnen, die er bei seinen Gelagen genommen hatte. Er hatte sie nicht wegen Parthien verlassen.
»Antonius ist in Antiochia und hat Kleopatra zu sich gebeten.«
Octavia biß sich auf die Lippen und schwieg, aus Furcht, die Stimme könne ihr versagen.
»Ich habe ihn falsch eingeschätzt. Ich hatte geglaubt, er würde dir ein guter Ehemann sein.«
Der Zorn über Octavians Unaufrichtigkeit half ihr, die Stimme wiederzufinden. »Ich bitte dich, Octavian! Als du die Hochzeit plantest, hat dich das nicht im mindesten gekümmert. Auch jetzt plagt dich allein die Angst, ihn als Verbündeten zu verlieren.«
»Nun, zumindest hoffte ich, er würde dir mit Achtung begegnen, wenn es zur Liebe schon nicht reichte.«
Seine Worte taten ihr weh. Auch unter der öffentlichen Kränkung würde sie leiden. »Mit derselben Achtung, mit der du ihm begegnet bist?«
»Ich wünschte, ich wüßte, worauf du hinauswillst.«
»Tu nicht so, als wüßtest du es nicht!«
»Dafür, daß sich Antonius durch mich beleidigt fühlt, muß ich mich nicht rechtfertigen.«
»Was ist mit den gallischen Legionen?«
»Seine Frau hatte den Krieg gegen mich verloren.« »Und dein Ausbleiben in Brindisi und später in Tarent, wo ich dich zum Kommen zwingen mußte?«
Octavian hob die Schultern. Sein Gewissen war rein.
»Was hast du jetzt vor?« fragte sie ihn.
»Er hat dich und die Kinder zugunsten dieser Hure in Alexandria verlassen. Ich werde wieder dein Vormund sein.«
»Ich betrachte meine Ehe nicht als beendet.«
»Du wirst aus seinem Haus ausziehen und mit den Kindern bei mir leben.«
Wie konnte er es nur wagen, so mit ihr zu reden? Sie würde ihr Haus nicht aufgeben und sich wieder in sein Eigentum verwandeln. Offenbar wußte er nicht, daß sie ihren Mann liebte, so dumm und albern es auch war. Wahrscheinlich glaubte er wie alle anderen, sie sei so kalt wie ein Fisch.
»Solange er sich nicht scheiden läßt, bin ich seine Frau. In meinem Inneren weiß ich, daß er sich besinnen und wieder zu uns kommen wird.«
»Du willst in seinem Haus bleiben, obwohl er dich beleidigt hat?«
»Ja, das will ich.«
Octavian blies die Backen auf. »Das wird ja immer schöner«, knurrte er.
»Euer Bündnis mag beendet sein, doch eine Ehe ist kein Bündnis.«
»Du irrst, es ist genau das gleiche.«
• »Mein Ehemann hat mich nicht verstoßen. Und solange er das nicht tut, bleibe ich, wo ich bin.«
Octavian musterte sie mit dunklen, blitzenden Augen. Er mochte es nicht, wenn man ihm widersprach, doch im Moment konnte er nichts gegen sie ausrichten. »Ich betrachte Antonius' Schritt als Kränkung gegen mich und meine Familie. Ich werde ihm nicht verzeihen.«
»Du hast ihn selbst dahin gebracht. Wenn du gleich nach Tarent gekommen wärest...« »Ich kann nicht sofort ganz Italien durchqueren, nur um Marcus Antonius gefällig zu sein.«
»Du hattest ihn gebeten zu kommen!«
»Was hat er denn erwartet? Einen triumphalen Empfang?«
»Er erwartete nur dein Erscheinen. Du suchtest seine Hilfe.«
»Mir zu helfen war seine Pflicht.«
»Du hast ihn benutzt.«
»So wie er dich.«
Octavia erhob sich wortlos und ging. Octavian sah ihr nach. Nun, dachte er, das läuft ja alles wie am Schnürchen.
Dieser Marcus Antonius. Er war so... zuverlässig.
Oder vielleicht wäre berechenbar das bessere Wort gewesen.
3
Antiochia schien sich an die Berge zu klammern. An den felsigen Hängen waren Festungen errichtet worden, die sich in die Mauern schmiegten, die die alte Stadt umschlossen. Landeinwärts lagen fruchtbare Ebenen, die das Delta des Orontes säumten. Die Pilger kamen hierher, um in dem berühmten Apollotempel zu beten. Die marmornen Säulen schimmerten weiß in den dunklen Zypressenhainen.
Morgens warf der Berg Silpius seinen mächtigen Schatten über die Gassen, während die Häuser der Reichen an den sonnigen Hängen funkelten. Dazwischen zog sich der Orontes wie ein silberfarbenes Band aus flüssigem Blei.
Antonius hatte sich für eine private Audienz entschieden. Er wollte nicht, daß Kleopatra ihren Hochmut dem versammelten Hof darbot. Und sie würde eine Weile mit ihm schmollen, das ließ sich wahrscheinlich nicht vermeiden.
Auf seine eigene Art hatte er sie vermißt, ganz bestimmt. So wie sie verstand ihn keine Frau. Deshalb würde sie ihm letztlich auch verzeihen - wenn er die richtigen Liebesworte gefunden hätte. Danach würde sie ihm die nötigen Gelder geben wie auch die Schiffe, die er brauchte. Und später, wenn er dann mit Gold beladen aus Parthien wiederkäme, wäre alles wieder in Ordnung. Octavian würde auf seinen Platz verwiesen, er selbst würde Herrscher von Rom, und Kleopatra stünde unter seinem Schutz.
Er wäre der Freudenspender - genau wie Dionysos, und er würde alle glücklich machen.
Nur den Wurm nicht, das Bübchen. Das vielleicht nicht.
Als Kleopatra eintrat, stand Antonius am Fenster. Er hatte den alten Palast der Seleukiden beschlagnahmt, der auf einer Insel im Orontes erbaut worden war. Hinter ihm dehnten sich die Felder bis zum Meer aus. Der Raum war von gewaltigem Ausmaß. Die Decke so hoch, daß sie sich im Schatten verlor, die dicken goldenen Streben mit den üppigen Schnitzereien schimmerten nur matt in der Dunkelheit. Alles war überladen, finster und kalt. Mitnichten die Art, die Antonius liebte. Er muß sich hier sehr unwohl fühlen, dachte Kleopatra.
Vier Jahre waren vergangen, seit sie sich zum letzten Mal gesehen hatten. Hatte er sich verändert? Nicht was das Aussehen betraf. Immer noch dasselbe spitzbübische Grinsen des Jungen, der weiß, daß er damit unwiderstehlich wirkt. Dasselbe dichte lockige Haar, der Körper gebräunt und fest. Er hatte sich für sie fein gemacht, den schönen goldenen Brustpanzer angelegt und den roten Umhang übergeworfen.