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Sie holte Luft zu einer wütenden Antwort - und schloß den Mund wieder, ohne auch nur ein Wort zu sagen, als ihr Blick auf die winzige blaue Flamme des Gasöfchens fiel, der unmittelbar neben ihr brannte. Er war ganz heruntergedreht, und in diesem Raum herrschten wirklich nur sieben oder acht Grad. Die Füllung ihrer Propangasflasche war ausreichend gewesen; sie war nur nicht für einen Menschen gedacht, der in einem Zeitalter der Verschwendung geboren war und noch immer nicht ganz begriffen hatte, daß Überleben und Bequemlichkeit ä nicht unbedingt dasselbe bedeuten mußten.

»Es ist schon gut«, sagte sie lächelnd. »Fehler kommen vor, oder? War nicht Ihre Schuld.«

In den Augen ihres Gegenübers glomm Erleichterung auf. Er wirkte noch immer sehr erschrocken. Und sie glaube auch plötzlich zu wissen, warum.

»Wirklich, es ist alles wieder in Ordnung«, sagte sie, so überzeugend, wie sie konnte. »Und ich verspreche Ihnen auch, Kent nichts davon zu sagen - falls Sie mir noch eine Tasse von ihrem scheußlichen Tee geben.«

Der Mann nickte erleichtert, sprang auf und kam so hastig mit dem heißen Getränk zurück, daß er die Hälfte davon auf den Boden schüttete, ehe Charity ihm den Becher aus der Hand nehmen konnte. Der Tee schmeckte wirklich scheußlich, aber er war zumindest heiß.

»Wo ist Skudder?« fragte sie. »Habt ihr ihn auch tiefgefroren?«

Der Bärtige lächelte nervös, aber Charity sah, daß er ganz and gar nicht sicher war, wie sie ihre Worte wirklich meinte.

»Ihr Begleiter ist bei Kent«, antwortete er zögernd. »Wir sollten Sie auch zu ihm bringen, aber ...«

Charity lächelte aufmunternd. »Worauf warten wir dann noch?« Sie erhob sich und machte einen vorsichtigen Schritt.

Der Rebell erwartete sie in einer hohen, halbrunden Betonhalle, in der es sogar den Luxus elektrischer Beleuchtung gab und die zweifellos nichts anderes war als das Sammelbecken einer ehemaligen Kläranlage, wie Charity auf den ersten Blick erkannte.

Kent war nicht allein. Außer Skudder und dem obligatorischen Dutzend Bewaffneter, die Charity und ihn so mißtrauisch anblickten, hielten sich noch drei weitere Männer in der Halle auf. Einer von ihnen redete mit Kent, brach aber dann mitten im Wort ab und machte eine Bewegung, die Kent veranlaßte, sich zu ihr herumzudrehen. »Wo bleiben Sie so lange?« fragte er anstelle einer Begrüßung.

Charity sah, wie ihre beiden Begleiter schuldbewußt zusammenfuhren, und zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Wir Frauen brauchen immer etwas länger, um uns fertig zu machen«, sagte sie. »Wußten Sie das nicht? Außerdem konnte ich mich so schlecht von dem gemütlichen Appartement losreißen, das Sie mir zugewiesen haben.«

Kent blinzelte irritiert, setzte zu einer Antwort an - und beließ es dann ebenfalls bei einem Achselzucken. Charity ignorierte ihn kurzerhand und wandte sich an Skudder.

»Alles in Ordnung?« fragte sie.

Skudder lächelte und sagte: »Nein.«

»Nein? Was ...«

»Es ist nichts Schlimmes«, sagte er. »Ich habe nur jemanden gesehen, der mich an jemanden erinnert, weißt du?«

Wütend fuhr Kent Skudder ins Wort: »Zum Teufel, was soll der Unsinn? Falls Sie es noch nicht gemerkt haben sollten, Skudder - es geht hier um Ihren Hals!«

»Ich weiß«, antwortete der Shark ungerührt. Er lächelte matt, wandte sich an den Mann, der unmittelbar neben Kent stand, und fügte erklärend hinzu: »Sie müssen mich für verrückt halten, aber die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend, wissen Sie? Ich hatte einen Freund, der ...« Er sprach nicht weiter, sondern zuckte abermals die Achseln. »Tut mir leid, wenn ich Sie langweile. Aber Sie ähneln Raoul wie ein Bruder.«

Charity erstarrte. Der Mann hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit Skudders ehemaligem Stellvertreter, aber sie begriff sehr gut, was Skudder ihr sagen wollte.

Und sie selbst spürte es in der gleichen Sekunde.

Der Mann, auf den Skudder gedeutet hatte, runzelte verwirrt die Stirn und war ebenso ratlos wie Kent und die anderen, aber er hatte ganz offensichtlich nicht verstanden, was Skudder Charity hatte sagen wollen.

»Jetzt reicht's«, sagte Kent verärgert. »Sie scheinen immer noch nicht zu be...«

Charity hatte ihre Überraschung endlich überwunden und drehte sich mit einem Ruck zu ihm herum.

»Das stimmt!« sagte sie zornig. »Es reicht wirklich, Kent. Was habt ihr euch dabei gedacht, Skudder und mich zwei Tage lang in einen Kühlschrank einzusperren? Wir sind hierher gekommen, weil wir eure Hilfe brauchen.«

Kent seufzte. Aber offensichtlich konnte er mit ihrem Zorn sehr viel mehr anfangen als mit Skudders Auftritt, denn sie sah auch, wie er sich innerlich entspannte. Der Mann neben ihm nicht. Seine gelassene Haltung täuschte.

»Es tut mir leid, wenn du es unbequem hattest«, sagte Kent in einem Tonfall, der das Gegenteil behauptete. »Aber ich habe euch gesagt, daß ich eure Behauptungen überprüfen werde. Und daß ich eine solche Entscheidung nicht allein treffen kann. Wie ihr seht, habe ich die anderen Führer unserer Organisation rufen lassen.«

»Ja«, fauchte Charity. »Du hast nur vergessen zu erwähnen, daß du sie aus Timbuktu einfliegen lassen mußtest.«

Kent lächelte pflichtschuldig. »Jetzt sind sie ja da«, sagte er kühl. »Und nicht nur sie. Ich habe eure Geschichte überprüft.«

»Und?« fragte Charity. Sie mußte sich beherrschen, um den Mann neben Kent nicht unentwegt anzustarren.

»Die Geschichte scheint zu stimmen«, antwortete Kent. »Einige Sharks sollen dem Gemetzel entkommen sein, und unter ihnen ...« Er sah Charity scharf an. »... auch eine Frau, die unter ... sehr sonderbaren Umständen bei ihnen aufgetaucht ist.«

»Ja«, sagte Charity. »Geradewegs vom Himmel gefallen.«

»Bist du diese Frau?« fragte Kent ungerührt.

»Wer hat euch von ihr erzählt?« erwiderte Charity. Und sie war nicht einmal sonderlich überrascht, als Kent mit einer Kopfbewegung auf den Mann neben sich deutete. »Faergal. Seine Gruppe arbeitet an der Grenze des Wastelandes. Ihr seid geradewegs durch ihr Gebiet marschiert - wenn ihr die seid, für die ihr euch ausgebt.«

Charity nutzte dankbar die Gelegenheit, sich den angeblichen Rebellen ein wenig genauer anzusehen. Er war einen halben Kopf kleiner als Kent, aber wesentlich kräftiger; ein Mann von vielleicht fünfzig Jahren mit verwittertem Gesicht und narbigen, sehr starken Händen. Seine Augen waren wach und von einer geradezu absurden Ehrlichkeit. Und etwas an ihm war entsetzlich falsch.

»Du bist Faergal?« fragte sie.

»Die Fragen stelle ich hier«, sagte Kent grob. Charity fiel auf, daß er irgendwie ... angespannt aussah. So, als fühle er sich einfach nicht wohl.

»Okay, wir sind die beiden, von denen ihr sprecht«, gestand sie. Ohne Faergal aus den Augen zu lassen, fügte sie hinzu: »Ich wüßte allerdings nicht, wie ich das beweisen sollte, jetzt und hier.«

Statt Kent antwortete Faergal auf ihre Bemerkung. »Zum Beispiel, indem du uns erzählst, wo du das da herhast.« Er deutete auf das Lasergewehr, das Kent über der Schulter trug.

»Jederzeit - sobald ich weiß, auf welcher Seite du stehst«, antwortete Charity stur. Faergals Gesicht verdunkelte sich vor Zorn, aber er antwortete nicht, sondern sah nur Kent durchdringend an. Charity ihrerseits blickte die Männer hinter Kent an. Einen Moment lang erwog sie ernsthaft die Möglichkeit, es einfach zu riskieren - ein entschlossener Sprung, ein Griff, eine blitzschnelle Drehung - aber nein, das war aussichtslos.

»So kommen wir nicht weiter«, seufzte Kent. »Ihr wollt unsere Hilfe, also vertraut uns.« Er deutete wieder auf Faergal. »Skudder und die Fremde waren nicht allein. Wo sind die anderen?«

»Woher soll ich das wissen?« fragte Charity stur. »Wahrscheinlich habt ihr sie genauso eingefroren wie Skudder und mich.«