Выбрать главу

Zwölf Stunden? Kyle erschrak. Mehr als doppelt so lange wie vorgesehen. Etwas war schiefgelaufen. Sein Körper war schwerer beschädigt, als er hätte sein dürfen.

Das Mädchen bemerkte sein Erschrecken und deutete es natürlich vollkommen falsch. »Keine Sorge«, sagte es rasch. »Du bist außer Gefahr. Stanley ist ein guter Arzt.« Es stand auf. »Ich hole ihn jetzt - einverstanden?«

Kyle nickte. Das Mädchen lächelte ihm noch einmal aufmunternd zu, drehte sich dann um und verschwand aus der Hütte.

Zwölf Stunden? Er hätte keine zwölf Stunden daliegen und fiebern dürfen. Und da war dieser Arzt - offensichtlich die planetare Bezeichnung für einen Biochemiker. Was hatte er getan, und was hatte er herausgefunden? Kyle wußte, daß sein Körper einer flüchtigen Untersuchung standhalten würde. Auf den ersten Blick unterschied er sich in nichts von einem Einheimischen, aber jemandem, der etwas von Biologie verstand, würden gewisse Unterschiede auffallen.

Besorgt lauschte er in sich hinein. Sein Verdacht bestätigte sich: In seinem Körper waren Substanzen, die nicht hineingehörten. Primitive Chemikalien, die der Arzt ihm verabreicht haben mußte, in dem Bemühen, das Fieber zu senken und seinen Allgemeinzustand zu stabilisieren. Sie hatten das Gegenteil erreicht - Kyle sah zwar aus wie ein Mensch, aber er war keiner. Die fremden Chemikalien hatten bedrohlich in seinen Körperhaushalt eingegriffen und zu einer besorgniserregenden Destabilisierung geführt. Kyle begriff ohne die Spur eines Schreckens, daß er um ein Haar gestorben wäre. Rasch schied er die verschiedenen organischen Gifte aus, mit denen der Humanoide ihn fast zu Tode gepflegt hatte, achtete aber sorgsam darauf, nichts an seinem Äußeren zu verändern.

Er sah noch immer mehr tot als lebendig aus, als der Junge zurückkam, begleitet von drei weiteren Planetenbewohnern, zwei männlichen und einem weiblichen Exemplar, alle wesentlich älter als das Menschenjunge. Einer der Männer kniete wortlos neben ihm nieder, betastete seine Stirn, blickte in seine Augen und fühlte dann mit spitzen Fingern über sein bandagiertes rechtes Bein. Kyle schloß, daß es sich bei ihm um Stanley handeln mußte.

»Das sieht gar nicht schlecht aus«, sagte Stanley, nachdem er seine Untersuchung beendet hatte. »Das Schlimmste scheint überstanden zu sein. Sie sind ein zäher Bursche, wie?« Seine Stimme klang ein bißchen unsicher. Kyle fragte sich, ob er Verdacht geschöpft hatte. Möglicherweise hatte er den Heilungsprozeß trotz allem zu sehr forciert. Er nahm sich vor, den Arzt bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu töten.

Laut sagte er: »Es geht. Ich fühle mich schon wieder ... besser.«

Der Arzt lächelte. »Sicher doch«, sagte er spöttisch. »Gleich werden Sie aufstehen und Bäume ausreißen, wie?« Er grinste, erhob sich wieder und machte für die beiden anderen Humanoiden Platz. Kyle musterte sie aufmerksam. Der Mann war alt - im letzten Viertel seiner Lebenserwartung, die Frau etwas jünger, aber verhärmt, mit großen, schlecht verheilten Narben auf Händen und Unterarmen. Ihre Bewegungen waren ein wenig schneller als die des Mannes, ihr Blick härter. Zweifellos war sie die Gefährlichere der beiden.

»Ich bin Antony. Das sind Stanley und Liz. Können Sie reden?« begann der Mann. Die Frau schwieg. Kyle konnte ihr Mißtrauen fühlen.

Er nickte. »Wo bin ich hier?«

»Vielleicht beantworten Sie uns erst einmal ein paar Fragen, ehe sie selbst welche stellen«, sagte die Frau scharf, ehe der Mann antworten konnte. »Wer sind Sie? Was wollen Sie hier bei uns?«

»Kyle«, antwortete Kyle. »Mein Name ist Kyle. Ich suche Skudder.«

In den Augen des Mannes erschien ein deutlicher Ausdruck von Erkennen, das Gesicht der Frau blieb starr. »Wer soll das sein?« fragte sie.

Kyle seufzte. Mühsam stemmte er sich auf die Ellbogen, versuchte sich ganz aufzusetzen und sank wieder zurück. Er hatte keine Kraft. Das Fieber war noch immer zu hoch. Er dämpfte es ein wenig. »Hören Sie, Liz«, sagte er. »Ich verstehe Ihr Mißtrauen. Aber wir haben keine Zeit für Spielchen. Ich muß Skudder und die anderen finden.«

»Müssen Sie das?« Liz lächelte dünn. »Und warum?«

»Weil sie in Gefahr sind«, antwortete Kyle mühsam. »Bitte, ich ... muß zu ihnen.«

»Sie gehen nirgendwo hin«, unterbrach ihn Stanley bestimmt. »Daß Sie überhaupt noch leben, ist ein Wunder, guter Mann. Sie bleiben mindestens eine Woche hier liegen, und ...«

»Bis dahin sind Skudder und Charity Laird tot«, sagte Kyle ruhig.

»Was soll das heißen?« schnappte Liz.

Kyle wartete einen Moment, ehe er antwortete. »Das versuche ich Ihnen ja die ganze Zeit über zu erklären«, sagte er. »Daniel hat einen Mann auf sie angesetzt. Einen... Spezialisten. Ich muß sie warnen.«

»So?« sagte Liz mißtrauisch. »Und wenn Sie dieser Spezialist sind? Nur so, als Gedankenspiel ...«

Kyle seufzte. »Wenn, dann wäre ich ein ziemlicher Idiot, halbtot hier anzukommen und das Risiko einzugehen, daß Ihr Knochenflicker mich umbringt«, sagte er heftig. Stanley grinste. Kyle hatte die richtige Tonart angeschlagen. Er spielte die Rolle eines Shark. Sharks waren nicht für ihre ausgesuchten Umgangsformen bekannt.

»Hören Sie zu«, fuhr er nach einer Weile fort. »Ich weiß, daß sie hier waren. Ich gehöre zu ihnen. Wir wurden getrennt, aber wir hatten ausgemacht, uns hier zu treffen.«

Er begriff im gleichen Moment, daß er einen Fehler gemacht hatte. Antony sah ihn überrascht an, und das Mißtrauen in Liz' Augen wurde wieder stärker. »Hier?«

»Hier oben in der ersten menschlichen Ansiedlung weiter südlich«, sagte er grob. »Wir ...«

Liz schnitt ihm mit einer energischen Handbewegung das Wort ab. »Okay«, sagte sie. »Nehmen wir an, das stimmt. Wer sind Sie? Wenn Sie zu ihm gehören, wieso sind Sie zurückgeblieben? Skudder und die anderen sind vor einer Woche hier durchgekommen.«

Die Offenheit dieser Antwort überraschte Kyle für einen Moment. Aber dann begriff er, daß Liz damit kein Risiko einging. Wenn er die falschen Antworten gab, würde sie ihn töten.

»Erzählen Sie von Anfang an«, sagte Antony. »Wir glauben Ihnen ja, aber wir müssen sichergehen.«

Liz warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. Antony ignorierte ihn, lächelte aufmunternd in Kyles Richtung und machte eine Geste. »Bitte.«

»Also gut«, begann Kyle. »Wir wurden getrennt. Ich ... bin in der Stadt zurückgeblieben, um noch ein paar Dinge mitzunehmen. Nicht lange, eine Stunde vielleicht, aber als ich losfahren wollte, kamen die Gleiter.« Er sprach stockend, als bereite ihm allein die Erinnerung körperliche Schmerzen. Liz starrte ihn ausdruckslos an, aber er sah auch Mitgefühl in den Augen Antonys, Stanleys und des Mädchens. Mit zitternder Stimme und ins Leere gerichtetem Blick fuhr er fort: »Es war entsetzlich. Sie ... haben auf alles gefeuert, was sich bewegte. Wir ... wir haben uns zurückgezogen. Ein paar von uns haben versucht, durchzubrechen, aber sie haben sie alle erwischt. Wir anderen haben uns in die Keller verkrochen.«

»Und?« fragte Liz, als er nicht weitersprach, sondern absichtlich eine Pause einlegte, als fiele es ihm schwer, die Bilder aus seiner Erinnerung in Worte zu fassen.

»Dann kamen die Ameisen«, flüsterte er. »Es waren Hunderte. Sie ... sie haben die Stadt abgeriegelt und ... Haus für Haus durchsucht. Wir haben gekämpft, aber es ... es waren einfach zu viele. Sie haben alle umgebracht.«

»Alle?«

Kyle nickte. Dann deutete er auf seine bandagierte Schulter. »Ich hatte Glück, das ist alles. Ich wurde angeschossen, aber ich hab' diese verdammte Ameise auch erwischt, ehe sie mir den Rest geben konnte. Danach ...« Er stockte, hob hilflos die Hände. »Ich weiß nicht, wie lange ich bewußtlos war. Vielleicht ein paar Stunden, vielleicht Tage. Sie haben mich irgendwie übersehen. Dachten wohl, ich wäre tot.«