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Seine Vorsicht erwies sich als überflüssig. Niemand hielt sich in diesem Stockwerk auf, das spürte er, kaum daß er den Liftschacht verlassen und sich wieder aufgerichtet hatte. Trotzdem bewegte er sich lautlos weiter und blieb vor der Wohnung der Priesterin noch einmal stehen und lauschte. Die Wahrscheinlichkeit, daß Laird eine Falle zurückgelassen hatte, war verschwindend gering, aber er durfte sie nicht außer acht lassen.

Behutsam öffnete er die Tür und lauschte abermals. Nichts. Die Wohnung war verlassen.

Aber Kyle spürte, daß darin etwas geschehen war, noch bevor er sie betrat. Seine hypersensiblen Sinne nahmen Schweißgeruch wahr, und die typische Ausstrahlung von Menschen, die Angst hatten oder extremem Streß ausgesetzt waren. Und noch etwas: In diesem Zimmer war eine Explosivwaffe abgefeuert worden.

Kyle schloß die Tür hinter sich, schob die Waffe wieder unter seinen Gürtel und sah sich rasch und sehr aufmerksam um.

Seine Vermutung bestätigte sich. In der Wand neben der Tür waren die Einschlaglöcher mindestens eines Dutzends kleiner Geschosse. Um den dunklen Fleck neben der Tür zu identifizieren, hätte er kein Megamann sein müssen. Rasch ließ er sich in die Hocke, streckte die Hand nach dem Blutfleck aus und tastete mit den Fingerspitzen darüber.

Das Blut war bereits trocken, aber noch nicht sehr alt. Eine Stunde, schätzte Kyle; allerhöchstens. Er hatte Laird verfehlt, aber das machte nicht. Er wußte, daß Laird und die anderen zu Fuß unterwegs waren.

Aber wer hatte hier geschossen und warum? Es konnte wichtig sein, dies herauszufinden, ehe er Laird weiter verfolgte.

Kyle brauchte fünf Minuten, um die aus nur zwei Zimmern und einer primitiven Hygienezelle bestehende Wohnung zu durchsuchen. Er fand nichts Auffälliges, aber dafür fand er eine ganze Menge von Dingen nicht, die eigentlich hätten dasein müssen: der Kleiderschrank im angrenzenden Schlafraum war offensichtlich durchwühlt worden, mehrere Bügel waren leer. Kyle wußte nicht, was Laird und die Rebellen mitgenommen hatten, aber er hatte das sichere Gefühl, daß es sich lohnte, noch ein paar Minuten zu opfern, um es herauszufinden.

Als er ins Wohnzimmer zurückkam, fiel sein Blick auf den kleinen Transmitter neben der Tür. Es war ein primitives Gerät mit nur geringer Reichweite, aber es erfüllte seinen Zweck, und es war noch in Betrieb. Kyle schraubte die Kunststoffverkleidung ab, warf sie achtlos beiseite und fuhr mit den Fingerspitzen über das Gewirr von einfachen Chips. Auf der Vorderseite des Apparates begann ein winziges grünes Lämpchen in einem ganz bestimmten Rhythmus zu blinken. Jemand hatte den Alarmknopf gedrückt, den Notruf aber vor Ablauf der Sperrfrist wieder zurückgenommen. Doch Kyle brauchte noch mehr Informationen über die Besitzerin dieser Wohnung.

Abermals huschten seine Finger über das Innenleben des Transmitters. Diesmal dauerte es länger, bis er mit seiner Arbeit fertig war, aber danach erfüllte das kleine Gerät eine Aufgabe, die seine frühere Besitzerin vor Staunen hätte erstarren lassen.

Kyle setzte das Chassis sorgsam wieder ein und drückte einen Knopf. Ein Teil der mattschwarzen Kunststoffoberfläche färbte sich silbern und füllte sich Sekunden darauf mit weißem Rauschen. Kyles Finger tippten einen bestimmten Code in die Zwölfer-Tastatur des Transmitters. Das statische Rauschen verschwand und machte dem Flammen-›M‹ Morons Platz.

Selbst Kyle war überrascht, wie schnell die Verbindung zustande kam. Der Code, den er eingegeben hatte, hatte die höchste Priorität, aber Daniel war immerhin Governor eines ganzen Planeten und somit ein Mann, der ziemlich beschäftigt sein mußte. Um so mehr verwunderte es Kyle, wie schnell er auf den Anruf reagierte. Auf dem winzigen Bildschirm erschien das Gesicht Daniels, des Mannes, den Charity Laird als Lieutenant Stone kannte.

»Kyle!« Daniel sah mehr erfreut als überrascht aus. »Ich hätte nicht gedacht, daß du dich so früh meldest! Ich nehme an, du hast Captain Laird gefaßt?«

»Noch nicht«, antwortete Kyle. »Aber ihr Vorsprung beträgt nur noch eine Stunde.«

»Worauf wartest du dann?« fragte Daniel ärgerlich. »Verfolge sie und bring sie zu mir. Du kennst deinen Auftrag!«

»Ich brauche ein paar Informationen«, antwortete Kyle.

Daniels Gesicht verdunkelte sich vor Zorn, was zu Kyles Einschätzung seines Charakters paßte - er war kein besonders geduldiger Mann. »Was für Informationen?«

»Ich befinde mich in der Wohnung einer Shai-Priesterin«, antwortete Kyle. »Die Nummer ihres Transmitters ist Denver-siebenfünfsieben-Alpha-neunzehn.«

Daniel machte eine Handbewegung zu jemandem, der sich außerhalb des Kamerabereichs aufhielt, ehe er sich wieder an Kyle wandte. Seine Ungeduld war jetzt nicht mehr zu übersehen. »Du bekommst ein komplettes Dossier«, sagte er, »in drei Minuten. Aber warum?«

»Captain Laird war hier«, sagte Kyle. »Es gibt Kampfspuren. Einige Kleider und andere Dinge sind verschwunden. Ich muß wissen, wer diese Frau ist, die hier lebt.«

»Eine Shai-Priesterin?« Daniels Augen verengten sich. »Es gibt ein Shaitaan in der Nähe von Denver, nicht wahr?« fragte er.

Kyle nickte.

»Ich verstehe«, sagte Daniel. »Du vermutest, Laird könnte einen Angriff auf das Shaitaan planen. Aber so verrückt ist nicht einmal sie. Es wäre Selbstmord.«

»Ich fürchte, Sie unterschätzen Captain Laird und ihre Verbündeten«, sagte Kyle. »Einem ihrer Männer wäre es fast gelungen, mich zu töten. Sie hätten mich informieren müssen, daß die Rebellen über Hochleistungswaffen verfügen.«

Daniel sah für einen Moment betroffen aus, dann rettete er sich in ein nervöses, wenig überzeugendes Lachen. »Ich dachte, ihr Megamänner seid unverwundbar«, sagte er.

Kyle antwortete überhaupt nicht darauf. Daniels Spott ärgerte ihn, und das wiederum irritierte ihn. Er fügte dieses Gefühl der immer länger werdenden Liste von Fragen hinzu, die er nach Beendigung seines Auftrags klären würde. Irgend etwas war nicht mit ihm in Ordnung, seit er diesen Planeten betreten hatte.

»Die Informationen, um die du mich gebeten hast«, sagte Daniel.

Sein Gesicht verschwand vom Bildschirm. An seiner Stelle erschien das Dossier der Shai-Priesterin, der diese Wohnung gehörte.

Kyle brauchte knapp zwei Minuten, um das über vierzig Seiten lange Dossier zu lesen. Als er fertig war, war das ungute Gefühl in ihm echter Besorgnis gewichen.

»Bist du jetzt schlauer?« fragte Daniel spöttisch.

Kyle nickte knapp. »Die Priesterin ist die Schwester einer Eingeborenen, die sich in Lairds Begleitung befindet«, sagte er.

»Und?« Auch Daniel wirkte mit einemmal sehr aufmerksam.

»Ihr Kind wurde erwählt«, fuhr Kyle fort. »Sie floh. Offensichtlich halfen ihr Laird und einige Sharks bei der Flucht. Dabei wurden drei Dienerkreaturen getötet, aber auch das Kind.«

»Und jetzt tauchen sie in der Wohnung einer Shai-Priesterin wieder auf«, sagte Daniel nachdenklich. »Verdammt, was bedeutet das?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Kyle. »Wenn die Kampfspuren bedeuten, daß die Priesterin tot ist, handelt es sich um einen puren Racheakt ...«

»Unsinn!« schnappte Daniel. »Nicht bei Charity Laird!«

»... sollte die Priesterin allerdings noch leben und sich in Lairds Begleitung befinden«, fuhr Kyle unbeirrt fort, »dann müssen wir ernsthaft mit einem Angriff auf das Shaitaan rechnen.«

»Das ist absoluter Unsinn«, entgegnete Daniel zornig. »Warum sollte Laird wohl ...« Er brach ab, und Kyle konnte selbst auf dem winzigen Bildschirm erkennen, wie sein Gesicht alle Farbe verlor.

»Der Transmitter!«

Kyle sah ihn fragend an.

»Sie muß erfahren haben, daß es eine Transmitterverbindung nach New York gibt!« sagte Daniel aufgeregt. »Natürlich - das ist die einzige Erklärung! Sie ... sie will hierher!«