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»Los«, flüsterte Lydia. »Ihr tut nichts. Kommt einfach mit.«

»Wahnsinn«, flüsterte Gurk. »Das ist das ...«

Charity verstärkte den Druck ihrer Hand auf Gurks Finger ein wenig, und der Rest dessen, was Gurk hatte sagen wollen, ging in einem schmerzhaften Stöhnen unter.

Die Ameise trat ein Stück beiseite, um sie eintreten zu lassen, aber Charity glaubte das Mißtrauen in ihren schimmernden Facettenaugen fast körperlich zu spüren. Es konnte einfach nicht gutgehen.

Und natürlich ging es auch nicht gut.

Die Kreatur ließ Lydia anstandslos passieren, aber als Gurk den Gleiter betreten wollte, hob sie zwei ihrer vier Arme und machte eine abgehackte, befehlende Geste. Der dritte Arm hing lose an seiner Seite, während sich seine vierte Hand wie zufällig dem Griff einer der vier Strahlenwaffen näherte, die in seinem Gürtel steckten. Ein pfeifender, klackender Laut erscholl.

»Was will er?« fragte Charity.

Lydia antwortete mit einem Geräusch, das dem der Ameise ähnelte, ehe sie sich zu Charity umwandte. »Er fragt, wer das ist«, sagte sie. »Ich glaube, er will sein Gesicht sehen.«

»Das habe ich befürchtet«, sagte Charity seufzend. »Sag ihm, ich hätte eine Sondervollmacht.«

Lydia blickte sie überrascht an, drehte sich aber gehorsam zu dem Moroni um und gab wieder eine Reihe dieser unverständlichen, pfeifenden Laute von sich. Ganz am Rande ihres Bewußtseins nahm sich Charity vor, Lydia zu fragen, wieso sie die Sprache der Invasoren beherrschte.

»Er will ihn sehen«, sagte Lydia.

»Sicherlich. Einen Augenblick, bitte.« Charity ließ Gurks Hand los, griff unter ihr Gewand und zog die Mini-MP aus dem Halfter. Sie beging nicht den Fehler, die Waffe unter der Robe hervorzuziehen, denn sie wußte, wie irrsinnig schnell die Vierarmigen waren.

»Warte«, sagte Lydia plötzlich. »Du ...«

Charity drückte ab. In der rechten Seite ihres goldenen Gewandes entstand ein Dutzend rauchender winziger Löcher mit verkohlten Rädern, und im gleichen Sekundenbruchteil schlugen Funken aus dem Brustpanzer des Vierarmigen. Die Kreatur kreischte vor Schrecken und Schmerz, torkelte mit einer grotesken Bewegung zurück und prallte gegen die Wand. Gurk sprang mit einem kreischenden Schrei zur Seite und duckte sich, als einige der Geschosse als heulende Querschläger von den Wänden abprallten.

Charity zog in aller Ruhe ihre Waffe unter dem Gewand hervor und beugte sich über den Insektenkrieger.

»Paß auf!« schrie Lydia. »Da ist noch einer!«

Eine schwarze Gestalt erschien in der Schleusentür, und ein schrilles, unglaublich durchdringendes Pfeifen erscholl. Instinktiv warf sie sich zur Seite und versuchte ihre Waffe hochzureißen, aber diesmal kam ihre Bewegung zu spät.

Der Vierarmige versuchte nicht, auf sie zu schießen. Wahrscheinlich wußte er, daß er sich selbst umgebracht hätte, hätte er in dem winzigen Raum eine Energiewaffe abgefeuert. Statt dessen warf er sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf sie.

Charity hatte das Gefühl, von einer Dampfwalze getroffen zu werden. Der Moroni war zwei Köpfe größer als sie und dabei so spindeldürr, daß er schon fast wieder lächerlich aussah - aber in seinen wirbelnden Spinnengliedern steckte die fürchterliche Kraft eines Insekts. Ihr Arm wurde zur Seite geschleudert. Die MP flog davon und prallte klirrend gegen die Wand, und dann schlössen sich die vier Arme des Ameisenkriegers mit unvorstellbarer Kraft um ihren Körper, um sie zu zerquetschen.

11

Kyles Schritte waren geschmeidiger geworden. Er hatte Captain Lairds Spur mehrmals verloren, sie aber immer wiedergefunden, und jetzt spürte er, daß er ihr ganz nahe war.

Was in Kyle vorging, hatte kaum noch etwas mit den fast computerhaften Denkvorgängen eines Megamannes zu tun. Er dachte nicht wirklich. Seit seinem Erwachen waren Stunden vergangen, und er hatte Meilen um Meilen zurückgelegt, aber es waren nur noch Instinkte, die ihn weitertrieben, und dieser eine, glasklare Befehl, der wie mit flammenden Lettern in sein Gehirn eingebrannt war und alles andere bedeutungslos machte:

Er mußte Laird finden und lebend zu Daniel bringen.

Allmählich, nach diesem beinahe vernichtenden Schlag, erlangte Kyle die Kontrolle über seinen Körper zurück, und er wußte, daß es allenfalls noch Stunden dauern würde, bis er wieder im Vollbesitz seiner Kräfte war: aber mit seinen Erinnerungen stimmte etwas nicht.

Da war so viel, worauf er sich nicht besann. Ein Großteil seines Lebens, das er geführt hatte, bevor ihn der Laserstrahl traf, war einfach fortgewischt. Dafür waren Bilder da, die nicht dorthin gehörten: Erinnerungen von sonderbar unwirklicher, bizarrer Art, die nur aus einem Alptraum stammen konnten und trotzdem erschreckend realistisch schienen. Erinnerungen an Orte, an denen er niemals gewesen war. Gesichter von Menschen, die er niemals gesehen hatte. Und Schmerz - das war die intensivste Erinnerung: die an eine schier unvorstellbare Qual, noch schlimmer als das, was er während der Nacht durchgestanden hatte. Aber all diese Gefühle und Erinnerungen überkamen ihn immer nur für Augenblicke. Den weitaus größten Teil der Nacht hatte er in einem dumpfen Dämmerzustand zwischen Schlaf und Wachsein verbracht.

Kyle blieb stehen, veränderte die Brennweite seiner Augen ein wenig, um sich vor der grellen Sonnenstrahlung zu schützen, und spähte nach Osten. In einigen Meilen Entfernung erhob sich das Gewirr von Türmen und Erkern des Shaitaan, und davor die monotone braune Sandebene der Todeszone. Laird befand sich irgendwo zwischen ihm und der Grenze dieses Gebietes. Aber er wußte nicht, wo. So weit sein Blick reichte, sah er nur zerborstene Felsen und braune, gleichmäßig geformte Sanddünen. Das Leichentuch dieser Welt. Alles, was von ihrer einst blühenden Zivilisation übriggeblieben war.

Was waren das für Gedanken?

Kyle war verwirrt. Er spürte, wie sich der Nebel aus Fieber und dumpfen, fast tierischen Instinkten in seinem Kopf ein wenig lichtete, aber an seiner Stelle erwachte nicht nur sein gewohntes, logisches Denken, sondern auch eine Vielfalt verwirrender und erschreckender Gefühle. Der Anblick dieser verbrannten Ebene erfüllte ihn mit Zorn, ohne daß er auch nur wußte, warum.

Er verscheuchte den Gedanken und versuchte, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Die Richtung, in der Laird geflohen war, ließ nur einen einzigen logischen Schluß zu, so unwahrscheinlich er Kyle auch anmutete: Daniel hatte recht gehabt. Laird und die anderen versuchten tatsächlich, in das Shaitaan einzudringen, um an die Transmitterverbindung nach New York zu gelangen. Ihre Lage mußte schlichtweg aussichtslos sein, wenn sie zu einem so verzweifelten Ausweg griff.

Kyle überprüfte sorgfältig seine Waffe, ehe er weiterging. Der kleine Strahler hatte die Explosion wie durch ein Wunder überstanden, aber er war beschädigt: die Ladekontrolle zeigte nur noch knappe acht Prozent der normalen Leistung an, und darunter flackerte ein winziges, rotes Licht: möglich, daß ihm das Ding in der Hand explodierte, wenn er versuchte, es abzufeuern.

Er schob die Waffe zurück und wollte weitergehen, als er etwas sah, was ihn abermals mitten im Schritt verharren ließ: Von einem der Türme des Shaitaan kam ein Gleiter mit hoher Geschwindigkeit näher.

Kyle rannte los. Es konnte kein Zufall sein. Er wußte jetzt, wie Laird in das Shaitaan gelangen wollte. Kyle war sich nicht ganz sicher, ob er ihre Kaltblütigkeit nur bewundern oder sich über ihre Dummheit ärgern sollte. Bildete sie sich wirklich ein, eine gestohlene Robe und ein erbeuteter Sender wären genug, um die Besatzung des Gleiters zu täuschen? Das war lächerlich - und unter Umständen tödlich. Die Wachmannschaften des Shaitaan hatten sehr eindeutige Befehle. Sie würden die Verkleidung durchschauen und Laird und all ihre Begleiter töten, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Und das durfte nicht geschehen. Sein Auftrag lautete, sie unter allen Umständen lebend zu Daniel zu bringen.