Kent lächelte, wenn auch nur sehr flüchtig. »Eine gute Frage«, sagte er. »Vielleicht erzählt ihr uns einfach, wer ihr seid und wo ihr herkommt. Wir haben gewisse Möglichkeiten, eure Angaben zu überprüfen.«
Skudder wollte abermals auffahren, aber Charity brachte ihn mit einer raschen Handbewegung zum Schweigen. »Nicht«, sagte sie. »Er hat völlig recht. Wir wären genauso mißtrauisch gewesen, wenn er plötzlich bei uns aufgetaucht wäre, oder?« Zu Kent gewandt, fuhr sie fort: »Wenn du so gut informiert bist, dann hast du sicher von den Sharks gehört.«
Kent überlegte einen Moment, dann nickte er. »Daniels Handlanger«, bestätigte er finster. »Jedenfalls waren sie es, bis Moron ihnen ein Dutzend Kampfgleiter geschickt hat, die sie zur Hölle gebombt haben.«
Charity schwieg einen Moment. Allein die Wahl von Kents Worten ließ sie erkennen, daß er den Sharks nicht unbedingt ein Übermaß an Sympathie entgegenbrachte. Sehr vorsichtig nickte sie.
»So ... könnte man es ausdrücken«, sagte sie. »Allerdings waren sie nicht unbedingt seine Handlanger. Und sie haben auch nicht alle umgebracht.«
Es dauerte einen Moment, bis Kent verstand. »Ihr ... gehört dazu?« fragte er mißtrauisch.
»Skudder war ihr Anführer«, bestätigte Charity und fügte rasch und mit leicht erhobener Stimme hinzu: »Bis er begriffen hat, was Daniel wirklich ist, Kent. Daniel hat die Sharks auslöschen lassen, weil sie sich geweigert haben, vierhundert unschuldige Menschen umzubringen.«
Kents Blick wurde eisig. Seine Hand senkte sich auf die Pistole in seinem Gürtel, und auch ein paar von seinen Männern rückten drohend näher.
Charity sah, wie Skudder sich spannte. Die beiden Männer, die Bart bewachten, hoben ihre Waffen.
»Stimmt das?« fragte Kent lauernd.
»Was?« erwiderte Skudder. »Daß ich der Anführer der Sharks war oder daß Daniel uns ein Bombengeschwader geschickt hat?« Er nickte grimmig. »Beides stimmt. Wenn es dich beruhigt - es gibt keine Sharks mehr. Bart und ich sind die einzigen, die überlebt haben.«
Charity spürte instinktiv, daß Skudder einen Fehler gemacht hatte. Der Rebell wußte mehr über das, was auf der anderen Seite der großen Ebene geschehen war, als er zugab.
»Jedenfalls die einzigen, die nicht in alle Himmelsrichtungen zerstreut worden sind«, fügte sie hastig hinzu. »Ein paar sind nach Norden geflohen. Vielleicht sind sie durchgekommen.«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit - sie waren weit mehr gewesen, als sie die Stadt der Sharks verlassen hatten, aber im Laufe der letzten Tage war ihre kleine Armee mehr und mehr zusammengeschrumpft. Sie konnte es keinem der Männer verübeln, sich von ihnen getrennt zu haben. Sie verstand nur nicht genau, warum Skudder log.
Skudder runzelte die Stirn, und Kent sah sie mit ausdrucksloser Miene an. Aber er ging nicht weiter auf ihre Worte ein. »Daniel hat die Sharks also ausgelöscht«, murmelte er nach einer Weile. Er schien nicht sehr überrascht zu sein. Allerdings auch nicht sonderlich betroffen. »Und jetzt seid ihr hier. Warum?«
Sein Blick wurde lauernd. »Sucht ihr jemanden, der euch dabei hilft, euch an ihm zu rächen?«
»Unsinn!« sagte Charity ärgerlich - obwohl sie insgeheim zugeben mußte, daß Kent der Wahrheit damit näher kam, als ihr recht war. »Wir suchen jemanden, der das gleiche Ziel verfolgt wie wir, der aber ...«
»Und das wäre?«
»Daniels Auftraggeber dahin zurückzujagen, wo sie hergekommen sind«, antwortete Charity.
Einen Moment lang blickte Kent sie verblüfft an. »Oh«, sagte er dann. »Mehr nicht?«
»Mehr nicht«, antwortete Charity ernsthaft. Bewußt spöttisch fügte sie hinzu: »Aber ich dachte bisher, das wäre auch euer oberstes Ziel. Oder warum sonst kämpft ihr gegen Moron?«
Diesmal dauerte es einen Moment, bis Kent antwortete, und als er es tat, da war in seiner Stimme eine sonderbare Mischung aus Mißtrauen und Resignation. »Das sind große Worte, Charity. Aber sie sind leichter gesagt als getan - findest du nicht?«
»Möglich.« Charity gab sich keine Mühe, sich ihre Verärgerung nicht anmerken zu lassen. »Aber wir werden Daniel nicht los, wenn wir herumsitzen und darauf warten, daß er von selbst geht.«
Kent seufzte. »Und alle anderen auch nicht, ich weiß.« Aus irgendeinem Grund wurde er plötzlich zornig. »Was bildet ihr euch eigentlich ein, was ihr seid? Leute, die uns sagen müssen, was wir zu tun oder zu lassen haben?« Er schüttelte zornig den Kopf. »Verdammt, was glaubt ihr, tun wir hier seit Jahren? Wir bekämpfen diese Monster, wo immer wir es können.«
»Ich habe es gesehen«, antwortete Charity lächelnd. »Man muß nur nach Osten sehen, und man sieht ganz deutlich, wie ihr sie bekämpft, Kent.«
Kents Blick wurde hart. »Was glaubst du, sollen wir tun?« fragte er, nur noch mühsam beherrscht. »Wir sind nicht einmal vierzig Mann hier. Sollen wir unsere Waffen nehmen und das Shaitaan stürmen?«
»Nein«, antwortete Charity ruhig. Sie hatte mit dieser Frage gerechnet. »Das wäre Selbstmord. Wißt ihr, wie man solche Probleme dort löst, wo ich herkomme? Man versucht, den Grund einer Bedrohung herauszufinden, und eliminiert ihn.«
Kent sah sie verwirrt an. »Wer bist du, Charity?« fragte er unvermittelt. »Du gehörst doch nicht zu den Sharks, oder?«
»Ich ... habe eine Weile bei ihnen gelebt«, antwortete Charity ausweichend. »Seit Daniel die Sharks ausgelöscht hat, sind wir zusammen. Seit acht Tagen.«
Kent lächelte, und das auf eine Art, die ihr sehr klarmachte, wie wenig ihn diese Antwort zufrieden stellte.
»Und was habt ihr jetzt vor?« fragte er, noch immer lächelnd. »Wollt ihr Daniel den Krieg erklären - zu fünft?«
»Wir suchen Hilfe«, sagte Charity. Sie spürte, wie Skudder sie mahnend ansah, obwohl sie nicht einmal in seine Richtung blickte. Wenn sie jetzt einen Fehler machte, würden sie vielleicht etwas mehr verlieren als nur ein paar potentielle Verbündete. Zum Beispiel ihr Leben.
»Hilfe? Wobei?«
»Bei etwas, was wir allein nicht schaffen«, antwortete sie vorsichtig. »Wir haben die nötige Ausrüstung«, fuhr sie mit einer Kopfbewegung auf die Waffe auf Kents Knien hinzu, »aber wir brauchen Informationen. Jemanden mit der entsprechenden Ortskenntnis, mit Wissen ...«
»Wozu?« fragte Kent noch einmal.
Charity atmete hörbar ein, ehe sie antwortete. Und es fiel ihr auch dann noch sehr schwer, die drei Worte auszusprechen.
»Wir wollen Daniel«, sagte sie.
3
Das Dorf lag versteckt in einer Senke. Es bestand nur aus einem knappen Dutzend kleiner, kuppelförmiger Bauten, aber er sah zahlreiche Spuren; sehr viel mehr, als die geringe Anzahl der Hütten glauben machen wollte. Und nicht nur die Spuren von Menschen.
Er hatte die Stadt am nördlichen Rand der Ebene inspiziert und war zu demselben Schluß wie Daniel gekommen - nämlich, daß Captain Laird und eine größere Anzahl Begleiter das Camp der Sharks verlassen haben mußten, bevor die Gleiter dort eintrafen, und die Ebene in südlicher Richtung durchquert hatten; allerdings hatte er sehr viel weniger Zeit als Daniel gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Er hatte auch schon im Laufe der Nacht begriffen, daß neunzig Prozent der Spuren, die Daniels Gleiter und die Reiterkommandos verfolgt hatten, falsch waren - entweder Spuren einzelner Flüchtlinge, die sich vom Haupttrupp getrennt hatten, oder absichtlich gelegt, um die Verfolger in die Irre zu führen.
Nicht aber Kyle.
Er blickte schweigend auf das Dorf hinab, verfolgte mit einem Teil seiner Aufmerksamkeit das Treiben der braun- und graugekleideten Gestalten zwischen den ärmlichen Hütten und konzentrierte einen anderen Teil seines Denkens darauf, das fehlende Stück der Spur zu extrapolieren. Es war keine sehr schwierige Aufgabe. Die Reichweite der Fahrzeuge, die Laird und ihre Begleiter zur Flucht benutzt hatten, war beschränkt, ebenso ihr Vorrat an Wasser und Lebensmitteln. Es war sehr wahrscheinlich, daß sie in dieser Ansiedlung halt gemacht und ihre Vorräte erneuert hatten. Aber Kyle wußte auch, daß er nicht einfach hinuntergehen und nach ihnen fragen konnte; ebenso wenig, wie es Sinn gehabt hätte, Gewalt anzuwenden. Das hatten Daniels Männer bereits versucht - die niedergebrannte Ruine einer Hütte bewies es. Die Lebewesen dort unten gehörten der gleichen Spezies an wie Laird und ihre Begleiter. Und ganz offensichtlich handelte es sich um eine Rasse mit einem stark ausgeprägten Solidaritätsbewußtsein.