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Als Kharas zu seiner Linken einen erstickten Ton hörte, drehte er sich um und erblickte die zwei Erscheinungen, die der Erzmagier herbeigerufen hatte. Sie starrten voll Entsetzen auf den Zauberer. Bei näherer Betrachtung war er überrascht, daß diese Dämonen von den unteren Ebenen nichts weiter Bedrohliches darstellten als einen Kender in leuchtendblauer Hose und einen dicklichen Gnom in einer Lederschürze.

Kharas blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Er hatte sein Ziel erreicht. Seine Hauptsorge war nun, seine Männer sicher herauszubringen. Er lief durch das Zelt, hob seinen Kriegshammer auf, rief seinen Männern in der Zwergensprache zu, aus dem Weg zu gehen, und schleuderte die Waffe gegen Caramon.

Der Hammer streifte den Mann am Kopf, tötete ihn aber nicht. Caramon stürzte wie ein Ochse zu Boden, und plötzlich war es im Zelt totenstill.

Das alles hatte nur wenige Minuten gedauert.

Als Kharas durch den Zeltvorhang spähte, sah er den jungen Ritter, der Wache gestanden hatte, bewußtlos auf dem Boden liegen. Es gab keine Anzeichen, daß jene, die am weiter entfernten Lagerfeuer saßen, etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört hatten.

Der Zwerg sah sich noch einmal um. Der Zauberer lag in einer Blutlache. Der General lag neben ihm, seine Hand griff nach seinem Bruder, als ob er sein letzter Gedanke gewesen wäre, bevor er das Bewußtsein verloren hatte. In einer Ecke lag die Hexe auf dem Rücken, ihre Augen waren geschlossen.

Als er Blut an ihren Roben sah, funkelte Kharas streng seine Männer an.

Einer von ihnen schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Kharas«, sagte er, sah auf sie hinab und erbebte. »Aber das Licht war so hell! Ich bekam Kopfschmerzen. Ich hatte nur noch einen Gedanken, dem ein Ende zu bereiten. Ich... ich habe sie dann getroffen, aber nicht sehr fest. Sie ist nur leicht verletzt.«

»In Ordnung.« Kharas nickte. »Laßt uns verschwinden.« Als er seinen Hammer zurückholte, blickte er auf den General hinunter, der vor seinen Füßen lag. »Es tut mir leid«, sagte er, fischte das kleine Stück Pergament hervor und legte es in die ausgestreckte Hand des Mannes. »Vielleicht kann ich dir irgendwann alles erklären.« Er erhob sich und sah sich um. »Sind alle in Ordnung? Dann laßt uns verschwinden.«

Seine Männer eilten zum Tunneleingang.

»Was ist mit diesen beiden?« fragte einer, der bei dem Kender und dem Gnom stehen blieb.

»Nimm sie mit«, antwortete Kharas scharf. »Wenn wir sie zurücklassen, werden sie Alarm schlagen.«

Zum ersten Mal schien Leben in den Kender zu kommen. »Nein!« schrie er und sah Kharas mit flehenden, entsetzten Augen an. »Du kannst uns nicht mitnehmen! Wir sind gerade erst angekommen! Wir haben Caramon gefunden, und jetzt können wir endlich nach Hause zurückkehren! Nein, bitte!«

»Nimm sie mit!« befahl Kharas streng.

»Nein!« plärrte der Kender und kämpfte in den Armen seines Ergreifers. »Nein, bitte, du verstehst nicht. Wir waren in der Hölle, und wir sind entkommen...«

»Kneble ihn«, knurrte Kharas und spähte in den Tunnel unterhalb des Zeltes, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung war. Er winkte ihnen zu, sich zu beeilen, während er sich neben dem Loch auf den Boden kniete.

Seine Männer stiegen in den Tunnel und zogen den geknebelten Kender mit sich, der sich immer noch wehrte, so daß sie schließlich gezwungen waren, ihn zu fesseln, bevor sie ihn fortzerren konnten. Mit ihrem anderen Gefangenen hatten sie jedoch keine Probleme. Der arme Gnom war so entsetzt, daß er in einen Schockzustand fiel. Hilflos um sich starrend, befolgte er alles ganz ruhig, was ihm befohlen wurde.

Kharas ging als letzter. Bevor er in den Tunnel sprang, warf er noch einmal einen letzten Blick in das Zelt.

Die Laterne hing nun ruhig und warf ihr sanftes, glühendes Licht auf eine Szene wie in einem Alptraum. Tische waren umgestoßen, Stühle umgeworfen. Eine dünne Blutspur lief unter dem Körper des schwarzgekleideten Zauberers hervor.

Kharas sprang in das Loch und eilte seinen Männern nach.

»General...«

Caramon sprang auf die Beine, seine großen Hände griffen nach der Kehle des Feindes, ein Knurren verzerrte sein Gesicht.

Erschreckt taumelte Garik zurück. »General!« schrie er, »Caramon! Ich bin es!«

Ein stechender Schmerz und der Klang von Gariks vertrauter Stimme drangen durch Caramons Gehirn. Mit einem Stöhnen schlug er seine Hände vors Gesicht. Garik half ihm auf einen Stuhl.

»Mein Bruder?« fragte Caramon undeutlich.

»Caramon... ich...« Garik schluckte.

»Mein Bruder?« schnarrte Caramon.

»Wir haben ihn in sein Zelt gebracht«, erwiderte Garik leise. »Die Wunde ist...«

»Was? Die Wunde ist was?« fauchte Caramon ungeduldig, hob den Kopf und starrte Garik mit blutunterlaufenen, schmerzerfüllten Augen an.

Garik öffnete den Mund und schloß ihn wieder, dann schüttelte er den Kopf. »Mein Vater hat mir von solchen Wunden erzählt«, murmelte er. »Männer verweilen tagelang in einem fürchterlichen Todeskampf...«

»Du meinst, es ist eine Bauchwunde«, unterbrach ihn Caramon.

Garik nickte und vergrub sein Gesicht in beide Hände.

Caramon sah ihn scharf an. Der junge Mann war leichenblaß.

Seufzend schloß Caramon die Augen und machte sich auf den Schwindel gefaßt, der über ihn kommen würde, wenn er sich wieder erhöbe. Dann stand er grimmig auf. Die Dunkelheit wirbelte und hob sich um ihn. Er zwang sich, standhaft stehen zu bleiben, und als sich der Schwindel gelegt hatte, öffnete er die Augen. »Wie geht es dir?« fragte er Garik und musterte ihn aufmerksam.

»Mir geht es gut«, antwortete Garik und errötete vor Scham. »Sie... sie überfielen mich... von hinten.«

»Ja.« Caramon sah das getrocknete Blut im Haar des jungen Mannes. »Das kommt vor. Mach dir keine Gedanken darüber.« Der große Krieger lächelte ohne Heiterkeit. »Sie überfielen mich von vorn.«

Garik nickte wieder, aber in seinem Gesicht war zu lesen, daß seine Niederlage ihm keine Ruhe ließ.

Er wird es überstehen, dachte Caramon erschöpft. Wir müssen das alle mal durchmachen, früher oder später. »Ich sehe jetzt nach seinem Bruder«, sagte er und wollte mit unsicheren Schritten aus dem Zelt gehen. Doch er blieb stehen. »Crysania?«

»Schläft. Ein Messer hat ihre Rippen gestreift. Ich... wir haben sie verbunden, so gut wir konnten. Wir mußten ihre Roben zerreißen.« Garik lief knallrot an. »Und wir gaben ihr Brandy...«

»Weiß sie von Raist... Fistandantilus?«

»Der Zauberer hat es verboten.«

Caramon hob die Augenbrauen. Er sah sich in dem verwüsteten Zelt um und erblickte die Blutspur auf dem Boden. Er holte tief Luft, dann hob er den Vorhang und ging unsicher hinaus.

Garik folgte ihm.

»Die Armee?«

»Sie wissen es. Das hat sich schnell herumgesprochen.« Garik spreizte hilflos die Hände. »Es gab so viel zu tun. Wir haben versucht, die Zwerge zu verfolgen...«

»Pah!« schnaufte Caramon und zuckte zusammen, als der Schmerz durch seinen Kopf schoß. »Sie haben bestimmt den Tunnel einstürzen lassen.«

»Ja. Wir haben zu graben versucht, aber man könnte genausogut die ganze verdammte Wüste umgraben«, erwiderte Garik bitter.

»Was ist mit der Armee?« fragte Caramon hartnäckig und hielt vor Raistlins Zelt an. Von drinnen hörte er leises Stöhnen.

»Die Männer sind aufgebracht«, antwortete Garik mit einem Seufzer. »Reden, sind verwirrt. Ich weiß nicht.«

Caramon verstand. Er sah in das dunkle Zelt seines Bruders. »Ich gehe allein... Ich danke dir für alles, was du getan hast, Garik«, fügte er sanft hinzu. »Jetzt ruh dich aus, bevor du umkippst. Ich brauche dich später, und du wirst mir keine Hilfe sein, wenn du krank bist.«

»Ja, Herr«, sagte Garik. Er wollte davontaumeln, dann blieb er stehen und drehte sich um. Er griff unter den Brustpanzer seiner Rüstung und zog ein blutverschmiertes Stück Pergament hervor. »Wir... wir haben das... in deiner Hand gefunden, Herr. Es ist in der Zwergensprache geschrieben...«

Caramon sah darauf, öffnete es, las es, dann rollte er es ohne Kommentar wieder zusammen und steckte es in seinen Gürtel.